Geplatzter Vergleich im Diesel-Verfahren: Unmut über Vorgehen von VW
Verbraucherschützer werfen Volkswagen einen weiteren Betrug der Kunden vor. Der Autobauer soll allen Geschädigten ein Angebot machen.
Am Freitag hatte VW überraschend die Vergleichsverhandlungen über die Musterfeststellungsklage beendet, die der VzBv beim Oberlandesgericht Braunschweig eingereicht hat. „Dass Volkswagen die Vergleichsverhandlungen über die Medien platzen lassen hat, war nicht nur schlechter Stil, sondern ein zweiter Betrug an den Betroffenen“, sagte Müller. Der Klage des VzBv haben sich rund 470.000 VW-Kunden angeschlossen. Von dem Betrug betroffen sind in Deutschland mehr als 2 Millionen Autohalter.
Lange hat sich VW gegen außergerichtliche Vergleichsverhandlungen gesträubt, weil der Konzern generell einen Entschädigungsanspruch für Käufer manipulierter Dieselfahrzeuge hierzulande abstritt. Im Dezember änderte sich diese Haltung, im Januar gab es erste Gespräche. Jetzt begründet der Konzern den Abbruch mit einer überhöhten und intransparenten Zusammensetzung der Anwaltskosten in Höhe von 50 Millionen Euro. Diesen Vorwurf weist der VzBv zurück. „Es ging nicht um ein pauschales Honorar von 50 Millionen Euro, sondern um eine Gebühr in Höhe von 120 Euro netto auf der Basis eines detaillierten Leistungskatalogs“, sagte Müller.
Der VzBv habe sich – anders als von VW behauptet – einer Prüfung der erbrachten Leistungen der Anwälte nie verweigert. Der Autokonzern argumentiert, er könne keine Pauschalbeträge für die Abwicklung überweisen und habe keine ausreichenden konkreten Nachweise bekommen, wofür das Geld eingesetzt werden solle.
Müller bestreitet auch die Behauptung von VW, dass sich beide Seiten bereits auf einen Vergleich geeinigt hätten. „Volkswagen kann nicht so tun, als hätte der Vergleich, den sie jetzt anbieten wollen, unser Gütesiegel“, betonte er. Im Januar sei über eine Entschädigung von mindestens rund 15 Prozent des Kaufpreises – insgesamt rund 830 Millionen Euro – sowie eine Korrekturklausel gesprochen worden. „Dahinter sollte Volkswagen nun nicht zurückfallen“, sagte Müller. Die Entschädigung in Höhe von 15 Prozent sei nicht „übermäßig großzügig“, sagte Müller. In den USA zahlte VW rund 25 Milliarden Euro an Entschädigung und Strafen. Im Schnitt erhielten Kunden 10.000 Dollar (etwa 9.230 Euro).
VW hat schon einen Abwickler-Dienstleister angeheuert
Kunden, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, will der Autobauer ohne Beteiligung des VzBv eine Entschädigung zwischen 1.350 und 6.257 Euro je nach Fahrzeugpreis und Alter zahlen. Das gilt aber nur für Kläger im Musterfeststellungsverfahren. Die Forderung von Müller wies VW zurück. Neben der Musterklage laufen in Deutschland rund 72.000 Verfahren wegen des Dieselbetrugs.
Für die Abwicklung der Ansprüche hatte VW am Freitag eine Seite im Internet eingerichtet, auf der sich interessierte Geschädigte in einen Newsletter eintragen können. Ab Ende März sollen sie ein Angebot erhalten. Mit der Abwicklung hat VW bereits einen Dienstleister beauftragt, der dafür 17 Millionen Euro bekommen soll.
Der VzBv wird unabhängig von dem Vergleichsangebot von VW an Geschädigte das Musterverfahren vor dem Oberlandesgericht Braunschweig fortsetzen. „Die Verbraucher sind gezwungen, darauf zu vertrauen, dass der Konzern, der sie bereits einmal betrogen hat, jetzt plötzlich korrekt handelt – ohne Möglichkeit einer objektiven Überprüfung“, sagte Müller.
Deutsche Umwelthilfe rät von Annahme ab
Der ADAC, der den VzBv bei der Musterfeststellungsklage unterstützt hat, hält es für zu früh für eine Empfehlung. „Dazu ist vieles noch zu unklar – etwa, wie genau die von VW genannte Summe unter den Betroffenen verteilt werden soll“, sagte eine Sprecherin. „Auf der anderen Seite steht im Zweifel eine sehr lange Verfahrensdauer mit anschließender Einzelklage.“
Dagegen rät die Deutsche Umwelthilfe Klägern klar von dem Vergleich ab. „Nach dem Betrug von über 10 Millionen Dieselkunden europaweit könnte VW nun die in der Musterfeststellungsklage versammelten VW-Besitzer ein weiteres Mal über den Tisch ziehen“, warnte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.
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