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Geplatzter Abschluss vom Mercosur-DealKein gutes Abkommen

Kommentar von

Leila van Rinsum

Dass der Handelsdeal vorerst geplatzt ist, geht auf die Kappe von Ursula von der Leyen. Das ist peinlich, aber auch gut – denn der Deal ist schlecht.

Schönes Bild, aber leider gescheitert: Mercosur-Treffen vor den Iguazu-Wasserfällen in Brasilien Foto: Ricardo Stuckert/PR/Agencia Brazil/dpa

A uf der politischen Weltbühne ist das europäische Hin und Her beim Mercosur-Abkommen peinlich, Europa wirkt unorganisiert, gespalten, unverlässlich. Dass EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zwei Tage vor der geplanten Unterzeichnung des Handelsdeals in Brasilien absagen muss, weil sie keine Mehrheit dafür bei den Mitgliedstaaten im Rat organisieren konnte, geht aber vor allem auf ihre Kappe.

Denn die Kritiker sind bekannt: Frankreich, Ungarn, Polen und Österreich stellten sich auch schon gegen den Abschluss der Verhandlungen im vergangenen Dezember; eine Mehrheit war äußerst fragil. Das EU-Parlament muss auch noch zustimmen.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Wunsch der Kommission, den Handelsvertrag abzuschließen, deutliche Demokratiedefizite aufweist. Ohne großes Aufsehen hat sie im September den Handelsteil vom politischen Teil des Deals abgekoppelt, um dessen mühsame Ratifizierung durch nationale Parlamente zu umgehen. Dort steht aber der Großteil der politischen Verpflichtungen, etwa zum Umweltschutz. Auch der Vertragstext wurde erst im September öffentlich – Transparenz sieht anders aus.

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Bei diesem vierteljahrhundertealten Abkommen mag es um Symbolik gehen für die EU-südamerikanischen Beziehungen und wohl auch um ein Zeichen gegen Trumps Protektionismus. Aber es geht auch um eine Entscheidung, wie Handelsbeziehungen der Zukunft aussehen sollen. Und das ist wichtig in dieser Ära des Stärkeren, der Militarisierung, des Rückgangs von Verpflichtungen für gemeinsame globale Güter wie Gesundheit oder Klimaschutz.

Während sich die Kommission redlich bemüht hat, die industrielle Agrarlobby, die mit dem Export verdient, zu besänftigen, spielen die Sorgen von Kleinbauern, Umweltschützern, Klimaexpertinnen oder Menschenrechtlerinnen kaum eine Rolle.

Eine Handelspolitik der Zukunft aber sollte sie ins Zentrum rücken und Profite an soziale und ökologische Verpflichtungen knüpfen. Das tut der Mercosur nicht, es begünstigt große Exportkonzerne und klimaschädliche Industrien: Autos, Pestizide, Exportfleisch.

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Wirtschaftsredakteurin
ist Redakteurin im Ressort Wirtschaft & Umwelt. Dort schreibt sie über Internationalen Handel und Entwicklungspolitik. Sie war zuvor freie Journalistin in Nairobi und Berlin und schrieb über Nord-Süd Beziehungen, Kapitalismus und Queeres.
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3 Kommentare

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  • Die Umwelt profitiert davon wenn wir den Handel mit anderen Kontinenten aufs Minimum beschränken

  • Nun ja, dieser Artikel ist wieder ein Zeichen für die typische Hybris des deutschen und europäischen ökologischen Milieus. Als ob der Rest der Welt darauf warten würde, unsere ökologischen und sozialen Standards zu übernehmen und wir im Zweifelsfall die Wahl hätten, wen wir mit unseren Moralvorstellungen beglücken dürfen. Für alle die es noch nicht gemerkt haben, momentan implodiert die regelbasierte Weltordnung, egal ob die wirtschaftliche, militärische oder politische. Und Europa wird dabei gerade, wenn es nicht aufpasst, zu Staub zerrieben (inklusive aller hehren moralischen Wunschvorstellungen). Ein Handelsabkommen, das einen sehr wichtigen gegenteiligen Akzent setzt, einen riesigen Wirtschaftsraum mit Chancen für alle Beteiligten schafft, alternative Märkte neben den aktuell problematischen in China, Russland und den USA öffnet, als Symbolpolitik zu bezeichen, kann falscher nicht sein. Ich würde es stattdessen als die Chance des Jahres eher des Jahrzehnts bezeichnen. Aber es ist ja "nur Wirtschaft", eh ein Schmuddelthema für jeden "anständigen Menschen" nicht wahr?

  • Wenn das Abkommen nun an den Agrarexporteuren scheitert, wie groß wird dann die Wahrscheinlichkeit sein, dass bei den weiteren Verhandlungen soziale und ökologische Prinzipien gestärkt werden?