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Geplantes Treffen von Putin und TrumpFrieden zum Ausverkauf

In Kyjiw, Odessa und an der Front diskutieren Ukrai­ne­r*in­nen über Trumps Treffen mit Putin. Sie haben Angst vor dem Verlust ihres Landes.

Busstation Saporischschja: Nach dem russischen Luftangriff spricht eine Frau mit Polizei und Sanitätern, 10. August 2025 Foto: Dmytro Smolienko/imago

In den Kassenschlangen eines Supermarktes der ukrainischen Hauptstadt Kyjiw gibt es an diesem frühen Sonntagabend nur ein Thema: Das Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin, welches kommenden Freitag im US-Bundesstaat Alaska stattfinden soll. Die Menschen sind sichtlich in Rage. „Trump spricht von einer Art Tausch unserer Gebiete gegen ihre. Was sind denn ‚ihre‘ Gebiete?! Es gibt nur unser Land, das von den Russen besetzt ist“, sagt ein Mann.

Dass die Ukraine und Russland jetzt bei den Verhandlungen auf eine Stufe gestellt werden, empört viele Ukrainer*innen. Für die meisten ist die Verteidigung ihres Landes eine Frage des Überlebens ihres Staates und ihrer Nation. Während es für Russland schlicht um Eroberung geht. Diese Gleichsetzung, so die weit verbreitete Meinung in der Ukraine, führe die Welt in die Irre.

Unterdessen bombardiert die russische Armee weiterhin fast täglich ukrainische Krankenhäuser, Bahnhöfe und Wohngebiete. Am Sonntag wurden in Saporischschja der Busbahnhof und die Uniklinik angegriffen, es gab mindestens 19 Verletzte, einige davon schwer. Der Terror hört nicht auf. Zu viele Opfer sind gefallen, um dem Angreifer ihr Land zu überlassen.

Frontsoldat Andrij sagt am Telefon: „Wenn die USA als Reaktion auf unsere Weigerung, unsere Gebiete an den Aggressor abzutreten, ihre Hilfe einstellen, haben wir die Pflicht, dies durch Motivation, technologische Aufrüstung und schnelles Handeln zu kompensieren“.

Alle reden über das Treffen

Nicht nur er beobachtet, dass die Nerven der Be­woh­ne­r*in­nen der Frontgebiete, die täglich beschossen werden, blank liegen. Alle sehnen sich nach Frieden – auch Binnenflüchtlinge, die trotz zerstörter Häuser von Rückkehr träumen.

Auch im Innenhof einer Kyjiwer Plattenbausiedlung reden die Menschen über den Krieg. „Lasst sie schnell unterschreiben, ich habe keine Kraft mehr“, sagt einer, doch ein anderer räumt ein: „Solange der Aggressor nicht nach dem Völkerrecht bestraft wird, wird er nicht zurückweichen und irgendwann einen neuen Krieg beginnen.“

Die Spaltung der Gesellschaft, die die russische Propaganda in den sozialen Netzwerken zu schüren versucht, ist auf den Straßen der ukrainischen Städte nicht zu spüren. Soldat Andrij sagt: „An der Front herrscht nur eine Stimmung vor: weiterzukämpfen. Das Leben im Hinterland geht weiter, ohne Unterstützung von dort würde die Front zusammenbrechen.“

Gleichzeitig leugnet Andrij nicht, dass es interne Probleme gibt: „Es ist schlimm, dass der innere Feind – korrupte Machthaber – in solch schwierigen Zeiten der eigenen Armee und dem Land Steine in den Weg legt. Aber es ist gut, dass sich die Gesellschaft konsolidiert, insbesondere die Jugend, die die Bürgerrechte und die Demokratie verteidigt. Aber immerhin hat die Öffentlichkeit, die eine Schwächung der Antikorruptionsorgane nicht zulassen wollte, gesiegt.“

Auch in Odessa wird über die US-Initiativen gesprochen. Der Enthusiasmus über einen möglichen Waffenstillstand ist gering. „Wir machen schon Witze über Trumps viele Fristen – zu viele, um sie ernst zu nehmen. Es ist wie mit Wahlversprechen. Man würde gerne daran glauben, aber weiß schon vorher, dass es so nicht kommen wird.

Vor allem der Glaube an den allmächtigen Westen schwindet immer mehr. Denn es sieht gerade nicht nach Verteidigung der Weltordnung aus, sondern nach einem Feilschen um besetzte Gebiete. Und auch um noch nicht besetzte. Können Sie sich vorstellen, dass wir gezwungen werden, Teile unseres Staatsgebietes aufzugeben, die Russland noch nicht einmal erobert hat? Sind das wirklich diese berühmten westlichen Werte?“, fragt Artur aus Odessa.

Die Bedingungen des „kollektiven Westens“

Die Ukrai­ne­r*in­nen wissen nur wenig Genaues über die Bedingungen des „kollektiven Westens“ für einen Waffenstillstand. Es gibt bislang nur ein paar inoffizielle Informationen aus polnischen Quellen. Konkrete Bedingungen stellt bisher nur Russland, das sagt: „Überlasst uns die Gebiete, hebt die Sanktionen gegen uns auf, verbietet der Ukraine eine große Armee, macht Russisch in der Ukraine zur zweiten Staatssprache und nehmt die Ukraine auf keinen Fall in die Nato auf.“ Schlicht und ergreifend also: Gebt auf!

Während die EU und die USA dazu vor allem beschwichtigen: Putin habe versprochen … Man solle nicht zu viel erwarten … Vielleicht solle man die Gebiete einfach abtreten, wenn Putin das so wolle. Das, was die Ukrai­ne­r*in­nen aus der demokratischen Welt hören, ist wenig erbaulich.

Auch der Odessit Anton ist ernüchtert: „Ich bin fest davon überzeugt, dass jedes Szenario diplomatischer Bemühungen der USA, die sie in irgendeiner Form gegenüber Russland unternehmen, für Russland selbst vorteilhafter ist als für die USA oder die Ukraine. Es sorgt für eine illusorische,Entspannung', die auf den Erwartungen der Welt basiert“, sagt er.

Für Menschen aus der Ostukraine haben die aktuellen Nachrichten noch mal eine ganz andere Bedeutung. Die Menschen bangen um ihr Eigentum, obwohl es auch viele gibt, die nichts mehr zu verlieren haben. So wie die aus dem ostukrainischen Luhansk geflüchtete Walerija, die jetzt in Odessa lebt. „Ich bin mit der Besatzung nicht einverstanden und werde auch in Zukunft nicht damit einverstanden sein. Unsere Heimat, in dem ein Teil meiner Familie geblieben ist, ist bereits besetzt. Ich habe kein anderes Zuhause.“ Und so wie Walerija geht es Millionen.

Laut aktuellen Meinungsumfragen steigt in der Ukraine die Zahl derer, die einen Waffenstillstand befürworten, stetig an. In einer Umfrage, die Anfang Juli vom Gallup-Institut durchgeführt und am 7. August veröffentlicht wurde, sprachen sich 69 Prozent der Befragten für eine rasche Beendigung des Krieges durch Verhandlungen aus, nur 24 Prozent waren für ein Weiterkämpfen bis zum Sieg.

Aus dem Russischen Barbara Oertel und Gaby Coldewey

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11 Kommentare

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  • Dass es einem Diktator erlaubt wird ein anders Land anzugreifen, mit Terror zu überziehen und ihm dann angeboten wird seine Beute zu behalten…wann gab es das zuletzt in der Geschichte?

  • Ein Trauerspiel, wie die Opfer des russischen Faschismus von Europa im Stich gelassen werden.



    Entweder, man zerschlägt ihn oder er wird letztendlich auch uns treffen !

  • Eines ist sicher: jede „Friedenslösung“ in Form von Gebietsabtretungen wäre völkerrechtswidrig, wenn das ukrainische Parlament dem nicht zustimmen würde.



    Beim POTUS scheint sich ja die Auffassung durchgesetzt zu haben, dass diese Gebietsabtretungen unumgänglich sind, selbst wenn er verklausuliert von „Gebietstausch“ spricht. In Verhandlungen - auch wenn die Ukraine darin eingebunden ist - wird es dann lediglich um ein Geschachere um das Ausmaß der von der Ukraine abzutretenden Gebiete gehen.



    Aufgabe der Europäer als den den Ukrainern nächststehenden Verbündeten in dem Spiel ist es also, einen solchen Deal nach Trumps und Putins Gusto den Ukrainern irgendwie „schmackhaft“ zu machen. Viel Überzeugendes anzubieten haben sie dabei aber nicht (EU-Mitgliedschaft).



    Die Zeit arbeitet indes gegen die Ukraine, wenn sich dort 69% der Bevölkerung für eine rasche Beendigung des Krieges aussprechen.



    So also stehen die Aussichten. Selbst wenn man einem (vorläufigen) Waffenstillstand - etwa unter Einfrieren der aktuellen Frontlinien - zustimmt, haben Ukraine und EU keine Karten in der Hand, um einen Sieg Russlands zu verhindern. Der ist zwar teuer erkauft, aber das muss Putin ja nicht stören.

    • @Abdurchdiemitte:

      Die Zugeständnisse sind sicher größer als die, die Ende 2022 nötig gewesen wären. Einen Sieg Russlands kann ich aber nicht erkennen, wenn man die mutmaßlichen Ideen zugrunde legt, die Putin zum Einmarsch bewegt haben (Zerfall des ukrainischen Staates und russisches Vordringen bis zum Dnepr, d.h. Besetzung der ganzen östlichen Landeshälfte).

      Was die besetzten Gebiete angeht, so würde es ja wohl auf eine faktische Anerkennung des Status Quo hinauslaufen, ohne völkerrechtliche Anerkennung durch das Kiewer Parlament. Weiteres müsste man auf eine spätere Zeit vertagen, in der ein umfassenderes Sicherheitsabkommen zwischen Russland und dem Westen möglich scheint (auf beiden Seiten mit neuen Akteuren).

      Wenn der Pulverdampf sich legt, so wird in der russischen Gesellschaft hoffentlich die Ansicht an Boden gewinnen, dass es das alles einfach nicht wert war. Bin da nicht so pessimistisch.

      Ein erzwungener Rückzug der Ukraine aus derzeit noch nicht besetzten Gebieten schiene mir dagegen problematisch, weil das in Teilen der ukrainischen Gesellschaft wohl als politischer Verrat empfunden werden und zu innerer Destablisierung führen könnte.

      • @Kohlrabi:

        Im Süd-Donbas (Pokrowsk) steht die ukrainische Front kurz vor dem Kollaps, wenn kein (militärisches) Wunder geschieht - nüchtern betrachtet ist es für Putin nur ein Spiel auf Zeit, sich noch etwas mehr vom ukrainischen Kuchen abzuschneiden, um seiner Forderung nach Annexion aller vier (teil)besetzten Oblaste Nachdruck zu verleihen. Ob es dann die vier geforderten Gebiete sein werden oder nur die auf russischer Seite der aktuellen Frontlinie, Trump jedenfalls hat diesem russischen Ansinnen im Prinzip schon zugestimmt.



        Vielleicht entscheidender: NATO-Generalsekretär Rutte hat mit seinem Gerede über Gebietsabtretungen die bisherige europäische Linie entscheidend aufgeweicht/geschwächt … da hilft es auch nicht, dass Frau Kallas mit ihrer Forderung nach „eisernen Sicherheitsgarantien“ nun zurückgerudert ist.



        Die territoriale Unversehrtheit der Ukraine ist jedenfalls verloren, man kann nur hoffen, dass eben bezüglich dieser Sicherheitsgarantien für die Ukraine günstigere Bedingungen ausgehandelt werden können.



        Zu dem, was in Russland aus diesem Krieg gelernt werden könnte (aber leider wohl nicht wird), verwese ich auf den Beitrag von Inna Hartwich in der gestrigen taz..

        • @Abdurchdiemitte:

          Nun, die (abgesehen von Donezk) wichtigsten Industriezentren im Osten und Süden hat die Ukraine jedenfalls behalten: Saporischja, Dnipro(petrowsk), Charkiw, Kriwoj Rog ...

          Die einzige echte Sicherheitsgarantie für die Ukraine bestünde m.E. in einer umfassenden Sicherheitspartnerschaft zwischen dem Westen Europas und Russland, in der beide Seiten davon absehen, den eigenen Einfluss auf Kosten der jeweils anderen Seite ausbauen zu wollen. Ich gebe mich nicht der Illusion hin, dass das nach Kriegsende auf der Ebene der politischen Führungen schnell möglich sein wird. Zu sehr haben sich die Seiten gegeneinander exponiert, zu groß ist das Misstrauen.

          Umso wichtiger wäre es m.E., dass zunächst so schnell wie möglich die Kontakte zwischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteuren wiederhergestellt werden, vielleicht auch auf der Ebene der Regionalpolitik.

          Dauerhafte Sicherheit ist nicht durch Konfrontation, sondern nur durch Kooperation zu erreichen.

          • @Kohlrabi:

            Da stimme ich doch zu. Wenn man bedenkt, dass es Russland nicht einmal gelungen ist, die wichtigsten Industriezentren in der Ostukraine einzunehmen, kann man vielleicht auch nicht unbedingt von einem russischen Sieg reden (da lag in meinem ersten Post tatsächlich eine Überschätzung der russischen Kriegsgewinne) - gesetzt der Fall, es kommt zu baldigen Verhandlungen über das Kriegsende.



            In der Rückschau auf die unterschiedlichen Einschätzungen, die in den vergangenen Jahren hier in der taz zu diesem Krieg vertreten wurden, würde ich sagen, dass die jeweiligen Extrempositionen jedenfalls nicht bestätigt wurden: weder ist Russland in der Lage, die NATO anzugreifen, um ganz Europa unter seine Kontrolle zu bringen - das Thema der nuklearen Bedrohung lasse ich dabei mal außen vor - noch ist es militärisch derart geschlagen worden, dass das die Herrschaft Putins im eigenen Land gefährden könnte.



            Ich räume aber ein, dass ein Friedensschluss auf Grundlage der gegenwärtigen Patt-Situation aus ukrainischer Sicht eindeutig als Niederlage empfunden würde - wegen der hohen eigenen Opfer UND der hohlen westlichen Beistandsversprechungen.

    • @Abdurchdiemitte:

      Selbst wenn das Ukrainische Parlament zustimmt da das ganze unter Zwang zustande kam ist es für die Ukraine nicht bindend. Bei erst bester Gelegenheit darf die Ukraine die Gebiete befreien und Verbrecher vor Ort bestrafen.

      • @Machiavelli:

        Worin liegt der Zwang?



        Schon im April 2014 war Befreiung und Bestrafung der Plan, als der Innenminister die "Spezialoperation gegen den Terror" beschloss.



        Deshalb gab es Minsk2.



        Zur Erinnerung, es ging um Autonomierechte für den Donbas.



        Erarbeitet auch durch die UN.

        Es ginge also der ganze Zirkus von vorn los.



        Das braucht im Donbas niemand.



        Kein Ukrainer und gleich gar kein russischstämmiger Ukrainer.

        • @Mark Menke:

          Russische Truppen stehen auf Ukrainischem Boden, kein Vertrag der unter solchen Bedingungen zustande kommt ist völkerrechtlich bindend. Der gesamte Krieg im Donbas wurde von Russland gestartet. Minsk 2 war ein Schandtag der Diplomatie. Die NATO hätte Putin kopieren sollen und sich von der Ukraine zu einer Anti-Terroroperation im Donbas einladen lassen sollen wie Russland mit Assad in Syrien. Den Spuck mit der Luftwaffe beenden sollen. Dann die Ukraine in die NATO aufnehmen und in Europa würde heute Frieden herrschen.

      • @Machiavelli:

        Wenn das ukrainische Parlament die Verfassung entsprechend ändern SOLLTE (Konjunktiv!), um etwaigen Gebietsabtretungen zuzustimmen, ist das völkerrechtlich bindend.



        Wie wollen Sie den Zwang dann nachweisen? Weil der US-Präsident die weitere militärische Unterstützung versagt, sollte die Ukraine nicht übers Stöckchen springen?



        Nein, hier geht es lediglich noch um den Umfang der von Putin verlangten Gebietsabtretungen … und darum, welche Sicherheitsgarantien zu Gunsten der Ukraine noch herausgeschlagen werden können. Darauf sollten die Europäer sich jetzt konzentrieren.



        Sollte die Ukraine nach einem Vertragsabschluss überlegen, zu einem späteren Zeitpunkt irgendwelche Gebiete befreien zu wollen, würde es - wie jetzt Putin-Russland - völkerrechtlich selbst am (Revanchismus)-Pranger stehen … und dafür wohl kaum die Unterstützung anderer Staaten bekommen.



        Wirklich tragisch ist v.a., dass unter dieser Perspektive die russischen Kriegsverbrecher ungeschoren davonkommen werden. Im Sinne Putins is das, aber auch Trump dürfte sich freuen, weil er unter einem „Friedens“-Vertrag zu solchen Konditionen sich seinem erklärten Ziel näher wähnt, eines Tages Friedensnobelpreisträger zu werden.