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Geplante Abschiebung einer Familie Mit­schü­le­r:in­nen wehren sich

Aus Hamburg-Wilhelmsburg soll eine 6-köpfige Familie in das Kosovo abgeschoben werden. Mit­schü­le­r:in­nen der Kinder versuchen, das zu verhindern.

Solidarität mit Familie Nimunaj-Stefan: Protestierende Schü­le­r:in­nen aus Hamburg-Wilhelmsburg Foto: Privat

HAMBURG taz | Dreitausendsiebenhundert. So viele Unterschriften haben Wilhelmsburger Schü­le­r:in­nen in nur anderthalb Wochen im Süden Hamburgs gesammelt, um die Abschiebung von Familie Nimunaj-Stefan zu verhindern. Die alleinerziehende Mutter und ihre fünf Kinder sollen in Kürze in den Kosovo abgeschoben werden. Ob die Unterschriftensammlung bewirkt, dass Familie Nimunaj-Stefan doch bleiben darf, wird sich am 25. November zeigen: Dann berät die Härtefallkommission der Bürgerschaft über den Fall.

Mit den Unterschriften fordern die Schü­le­r:in­nen die Kommission auf, ein Bleiberecht der Familie anzuerkennen. Das Gremium besteht aus Mitgliedern der Bürgerschaft und berät in Abschiebefällen, ob dringende humanitäre oder persönliche Gründe gegen eine Abschiebung sprechen. Zuvor wurde die Abschiebung bereits zumindest gerichtlich angeordnet. Die Härtefallkommission könnte die anstehende Abschiebung aber noch kippen.

Aus diesem Grund haben die Schü­le­r:in­nen die Unterschriften am Dienstag vor der vermutlich entscheidenden Sitzung an die Schulbehörde überreicht. Nebi Polat, Schü­le­r:in­nen­spre­cher des Helmut-Schmidt-Gymnasiums, auf das eines der Kinder zur Schule geht, sagt: „Die Kommission ist die letzte Chance, die Abschiebung zu verhindern.“

Die Mutter ist im Kosovo geboren, die Kinder allesamt in Deutschland. Die älteren Geschwister besuchen in Wilhelmsburg den Kindergarten, die Grundschule sowie die Nelson-Mandela-Schule und das Helmut-Schmidt-Gymnasium. Hamburg sei ihr Zuhause, sagt Schülerin Sasia El Bani, die bei der Übergabe dabei war. Die Klassenlehrerin eines der Mädchen sagt: „Sie ist aufgefallen durch Neugier, durch Wissbegierigkeit, sie stellt Fragen. Sie ist eine treibende Kraft in unserer Klasse.“

„Die Kommission ist die letzte Chance, die Abschiebung zu verhindern“

Nebi Polat, Schüler

Nachdem die Schü­le­r:in­nen von der schwierigen Lage der Familie erfuhren, sammelten sie Unterschriften von Eltern, Leh­re­r:in­nen und ihren Mit­schü­le­r:in­nen sowie an S- und U-Bahn-Stationen und beim Freitagsgebet in der Moschee.

Neben den Unterschriften drehten die Schü­le­r:in­nen ein Video, in dem sie den Fall vorstellten und das online innerhalb von fünf Tagen über 10.000 Aufrufe erhielt.

Auch die Lehrer:innen-Gewerkschaft GEW Hamburg stellt sich hinter die Familie und fordert die Einhaltung der Kinderrechtskonvention: Das Recht des Kindes auf Bildung sei der Konvention zufolge wichtiger als ein „staatliches Abschiebeinteresse“.

Auch die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Bürgerschaft, Carola Ensslen, sagt: „Es ist zutiefst ungerecht, diese Familie entwurzeln, aus ihrem sozialen Umfeld herausreißen und der Verarmung und Perspektivlosigkeit aussetzen zu wollen.“

Die Schulbehörde, bei der die Schü­le­r:in­nen die Unterschriftensammlung eingereicht hatten, teilt mit, dass Schulsenator Thies Rabe (SPD) sich „sehr gerne für von Abschiebung bedrohte Schülerinnen und Schüler“ einsetze, „wenn diese hier gut integriert sind“ und „Hamburg faktisch ihre Heimat ist“. In der Vergangenheit habe er das in begründeten Einzelfällen immer wieder getan.

Die Behörde würde die Unterschriften umgehend der Härtefallkommission übermitteln, „in der Hoffnung, dass diese Voten dort entsprechend in die Entscheidung einbezogen werden“.

Der Vorsitzende der Kommission, Ekkehard Wysocki (SPD), sagt, dass der Einsatz der Schü­le­r:in­nen gesehen werde. Für ihn sei aber nicht klar, ob dem Einsatz viel Gewicht beigemessen werde. Die ganze Unterstützungsaktion sei nur zustande gekommen, weil die Leute weniger als die Hälfte der relevanten Informationen wüssten, sagt er. Viele Informationen, die ihnen als Kommission vorlägen, würden sich nicht in der Bericht­erstattung wiederfinden. Im Detail darf er, wie auch die anderen drei Mitglieder der Kommission, nicht über den Fall sprechen.

Ob eine Entscheidung über den Verbleib der Familie bereits am 25. November fällt, ist noch nicht sicher.

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