piwik no script img

Gemeinderat beschließt FleischverzichtFreiburgs Kitas bald vegetarisch

Die Stadt im Breisgau beschließt ein Einheitsmenü ohne Fleisch in Kindergärten und Grundschulen. Begründung: die hohe Inflation.

Bald werden die Kitas in Freiburg fleischfrei Foto: Larissa Veronesi/imago

Berlin taz | Als eine der ersten deutschen Städte wird Freiburg in den öffentlichen Kindertagesstätten (Kitas) und Grundschulen nur noch vegetarisches Essen anbieten. Das bisherige Angebot von zwei Gerichten – eines mit Fisch oder Fleisch an fünf Tagen pro Woche, das andere vegetarisch – sei „mit einem hohen organisatorischen und finanziellen Aufwand für die Stadt verbunden“, heißt es in dem Beschluss, den der Gemeinderat am Dienstagabend fasste. Um den Zuschuss der baden-württembergischen Stadt zum Essenspreis angesichts der Inflation durch den Ukrainekrieg etwa bei Lebensmitteln und Transportkosten „im Rahmen zu halten“, solle es ab Schuljahr 2023/2024 nur noch ein Menü geben.

Es werde vegetarisch sein, da das „die Schnittmenge verschiedener Ernährungsgewohnheiten“ sei. Zudem sei „Fleisch in guter Qualität“ teuer. Der Anteil von Bio-Produkten bei der Schul- und Kita-Verpflegung soll laut Beschluss auf 30 Prozent steigen – bisher sind es 20 Prozent.

Der Freiburger Vorstoß hat Beispielcharakter: Das baden-württembergische Landwirtschafts- und Ernährungsministerium teilte auf Anfrage mit, ihm sei keine andere Stadt oder Kommune bekannt, die eine komplett fleischlose Kost in Kitas und Schulen anbiete.

Eine Kalorie aus tierischen Lebensmitteln belastet das Klima stärker als pflanzliche Produkte. Für die Fleischerzeugung werden auch mehr Ackerflächen benötigt, es fallen große Güllemengen an, die das Grundwasser gefährden. Außerdem leiden die Tiere. Getreide etwa ernährt zudem mehr Menschen, wenn es direkt gegessen und nicht erst verfüttert wird. Weiterhin steht zu viel Fleisch im Zusammenhang etwa mit Krebs und Kreislauferkrankungen.

Ernährungsexperten für „vollwertigen“ Veggi-Speiseplan

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung teilte der taz auf Anfrage mit, eine „vollwertige“ vegetarische Ernährung ohne Fleisch, aber mit Eiern und Milchprodukten „wird von Ex­per­t*in­nen für gesunde (Klein-)Kinder und Jugendliche als geeignete Ernährungsform angesehen“. Dabei müssten aber regelmäßig Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte gegessen werden, die neben Protein auch Eisen und Zink liefern, so die Fachgesellschaft. Besonders wichtig sei, dass eisenreiche und Vitamin-C-reiche pflanzliche Lebensmittel kombiniert werden. So soll kompensiert werden, dass der Körper Eisen etwa aus Getreide ohne beispielsweise Paprika oder Äpfel schlechter nutzen kann als aus Fleisch.

Die Stadt Freiburg wies Kritik zurück. „Unser Weg ist kein Widerspruch zu ausgewogener Ernährung“, sagte Sebastian Wolfrum, Pressesprecher der Stadt Freiburg, am Mittwoch. Das warme Schul-Mittagessen stelle nur einen sehr geringen Teil der Ernährung von Kindern dar. Die anderen Mahlzeiten etwa in der Familie könnten selbstverständlich auch fleischhaltig sein. Das Stuttgarter Agrarministerium hatte erklärt, zu einer ausgewogenen Ernährung gehöre auch Fleisch.

„Den Schülerinnen und Schülern wird vorgeschrieben, was sie zu essen haben“, kritisierte Stadträtin Gerlinde Schrempp von den Freien Wählern (3 von 48 Sitzen) bei der Debatte im Freiburger Gemeinderat. Stadtrat Franco Orlando von der Fraktion der FDP und BFF (Bürger für Freiburg; 4 Sitze) hatte schon zuvor erklärt, der Stadtspitze unter dem parteilosen Oberbürgermeister Martin Horn sei „Fleischkonsum ein Dorn im Auge“. Bildungsbürgermeisterin Christine Buchheit (Grüne) verteidigte den Vorschlag: „Wir wollen die Kostensteigerungen im Rahmen halten“, sagte sie. Gutes Fleisch sei ein Preistreiber. Im Gemeinderat hat Grün-Rot eine Mehrheit. Elternvertreter kritisierten vor allem, dass der Elternbeitrag für ein Schul-Mittagessen von derzeit 3,90 Euro bis September 2024 trotz der Entscheidung für das vegetarische Essen auf 4,80 Euro steigen soll. Der Gesamtelternbeirat kann sich nach eigenen Angaben vorstellen, das Fleisch zu streichen und etwa durch zwei vegetarische Optionen zu ersetzen. (mit dpa/epd)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Problem bei der ganzen Sache ist auch hier, dass administrativ-politscher Zwang am Ende wie bei vielen anderen Dingen mehr Schwierigkeiten und Widerstände verursacht. Hilfreich wäre - statt ein vielfältiges Angebot einzuschränken - die Möglichkeit zum Wahlessen aufrechtzuerhalten. Finanzielle Anreize für gesündere Essensvarianten wären insgesamt besser als dieser Regulierungsversuch, der diesem wichtigen Thema eher schadet als nützt. Auch macht es Sinn, die pädagogischen Fachkräfte für das Thema zu sensibilisieren und mit entsprechenden Bildungskonzepten bereits im frühkindlichen Bereich Wissen zu der Thematik zu vermitteln. Damit könnte man nachhaltig wesentlich mehr erreichen als letztlich mit einer solchen plakativen Aktion.

    • @Thorbjoert:

      Ob Preisregulierung nicht dann auch als "administrtiv-politischer Zwang" von Liberalen kritisiert wird? Ob jene sich damit zufrieden geben würden, wenn Preise mehr die tatsächlichen Kosten widerspiegeln würden? Vielleicht freuen sich jene wohlhabendere anfererseits umso mehr, da sie dann über die Wahl des Schulessens ihren Status zeigen könnten ...

  • Ein für mich (als Fleischesser) gelungener Artikel. Zum einen hat er ja nicht weniger als die Ernährungssituation einer ganzen Gesellschaft zum Hintergrund. Die zunehmend in Veränderung gerät durch die auftretenden Zwänge des Klimawandels und der auch auf Dauer gestellte Situationen der Knappheit an menschlicher Nahrung auch für die reichen Länder mit sich bringen wird/kann. Nicht nur beim Fleisch.



    Jost Maurin gelingt eine sachliche Beschreibung eines (kommunal-) politischen Geschehens, wobei er sehr gut auf den da, so sehe ich es, entscheidenden Punkt "zusteuert", der als richtig erachteten "Schnittmenge" zwischen unerschiedlichen Positionierungen der beteiligten Akteure. Als Leser kann ich den Weg der Akteure dahin nachverfolgen, den Maurin inhaltsreich und in seinem "Für und Wider" differenziert darstellt.

    Ein einzelnes politisches Geschehen "zu gesellschaftlichen Ernährungsfragen" kann nicht "exemplarisch" für alle Verläufe solcher politischen Debatten stehen. Doch der Artkel zeigt sehr deutlich auf, unter welchen Paradigmen und Prämissen er von statten geht. Das verdeutlicht immer wieder auftretende Aspekt und Muster.

    Weil mich das Thema umtreibt, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der zu erwartenden Veränderungen der Ernährungslage der ärmeren Teile der Gesellschaft, kann ich wirklich sagen: Ein gelungenes Stück Journalismus! Wichtige Anregungen zum weiter denken des Themas.

    In seinem Kommentar zum Thema hier "neben an" in der Taz bezieht Maurin dann seine Position. Das gelingt ihm für einen Leser dann auch "profitabel", weil er sich da argumentierend nicht scheut, seine Position entlang wiederum des "Für und Wider" zu entwickeln.

    Zwei wertvolle Artikel gerade für einen Leser, der in den abgehandelten Themen nicht so "drinn steht".

  • Von 3,90€ auf 4,80€.



    Und die meisten finden das akzeptabel.



    Fragen sie mal die Eltern der unteren Einkommensschichten, ob sie 4,80€ für ein Kinderessen aus der Großkantine auch "akzeptabel" finden.



    Ich finde es viel zu teuer. Aber wer genug Geld hat, dem ist das ja egal.

    • @Rudi Hamm:

      Und ggf. Isst das Kind nur trockene Nudeln, weil es die Sosse nicht mag. Es sollten mindestens 2 Gerichte zur Auswahl stehen. Man stelle sich eine Kantine vor, die den Mitarbeitern nur ein Gericht anbietet.

  • Die Freien Wähler sind ja schon komisch drauf. Die Kinder werden zum Essen gezwungen? Da wird sich keiner hinsetzen und die Kinder Zwangsernähren. Und die FDP denkt wieder, dass Grünwähler gegen Fleischkonsum sind. Was für ein Unsinn.



    Ich finde diese Entscheidung gut. Der Preis von 4,80 erscheint vielleicht hoch aber was würde es mit Fleisch kosten?



    Abgesehen davon müssen die Küchenkräfte auch bezahlt werden und zwar nicht nur nach Mindestlohn.

  • Ein veganes Angebot wäre besser. Besser für die Tiere (auch für Milch- und Eierprodkte leiden und sterben Tiere), besser für das Klima (insbesondere Butter und Käse bedeuten vergleichsweise viel Treibhausgasemissionen), besser für die Umwelt (Tierprodukte heißt mehr Flächenverbrauch aufgrund Futtermittelanbau). Und ja auch vegane Ernährung ließe sich gesund für Kinder gestalten. In einer Reaktion auf die Aussage des Kinderartztes Dr. Sven Armbrust "Vegane Ernährung bei Kindern ist Körperverletzung" erläutert Ernährungswissenschaftler Niko Rittenau vegane Ernährung und Mythen ein:



    www.youtube.com/watch?v=HyiGAQ_se5M

    • @Uranus:

      Am beste wäre doch die Eltern packen den Kindern eigenes Essen ein. Dann ist jede/r für sein/ihr Essen selbst verantwortlich. Das ist in asiatischen Ländern doch weit verbreitet, dass die Kinder was von zuhause mitbringen - auch warm. Da gibt es doch entsprechende technischen Lösungen. Wenn die Kinder dann untereinander das Essen tauschen, müssen es halt die Familien intern klären.

      • @HeinerM:

        Allgemein bin ich für Aufhebung der Einkommen-Ungleichheit. Kurzfristig, pragmatisch gesehen müsste bei Ihrem Vorschlag zumindest das Einkommen der Ärmeren angehoben werden, damit auch Ärmere gesundes Essen für ihre Kinder vorkochen könnten.

  • Finde ich vernünftig.

  • Ob das Essen in den Freiburger Kitas und Schulen den Kindern nicht schmeckt, wenn es vegetarisch ist oder mit Fleisch / Fisch, ist doch am Ende egal.

  • „Den Schülerinnen und Schülern wird vorgeschrieben, was sie zu essen haben“ - man fasst sich echt nur am kopp bei dieser absoluten nicgt-argumentation. sage ich als omnivore.

  • Eltern die meinen ohne Fleisch keine Mahlzeit dürfen ihre Liebsten ja weiterhin mästen.



    Wie kann man meckern wenn man Kinder gesund und lecker ernährt.



    Jedoch darf das Lecker nicht in den Hintergrund rücken



    Wenn Schulküchen rein nach Expertenempfehlung kochen, so dass Vollkornnudeln ohne Salz mit Tofuburger ohne Fett auf dem Teller landet, landet viel im Müll



    Am Ende kratzen dann die Kinder ihr Taschengeld zusammen, um sich was am Kiosk zu holen das keinen Würgreiz auslöst

    • @Ramaz:

      Jo, veganes Essen kann mensch lecker und gesund auswählen und zubereiten. Da gibt es viele Expert*innen und Rezepte. Siehe bspw. hier:



      "Günstig vegan kochen für 5€ pro Tag • Hirse-Porridge, Bohnen-Frikassee und Minestrone mit Tofuspeck"



      www.youtube.com/watch?v=y-UHOmkwOxM



      ... bzw. in der Videobeschreibung dann die eigentlichen Kochvideos:



      "Perfektes PORRIDGE Rezept für den Winter / mit Blaubeersoße / Vegan & Günstig"



      www.youtube.com/watch?v=oOe4FzP9ApA



      "Veganes Bohnen-Frikassee mit knusprigem Pfannenreis"



      www.youtube.com/watch?v=9eNoRT-V_rE



      "Minestrone mit Tofuspeck und Vollkorn-Croutonsticks"



      www.youtube.com/watch?v=RX7Y4vbNLGc



      Bleibt zu hoffen, dass die richtigen Expert*innen gefragt werden.