Geheimtreffen mit Rechtsextremen: AfD-Kader diskutieren Vertreibungen
Einflussreiche AfD-Politiker sollen mit Rechtsextremen einen Plan für rassistische Massenvertreibungen diskutiert haben. „Correctiv“ berichtet darüber.
![](https://taz.de/picture/6755601/14/AfD-1.jpeg)
Das Treffen habe Ende November in einem Hotel in Potsdam stattgefunden. Laut dem Bericht stellte Martin Sellner, ein langjähriger Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB), dort einen „Masterplan“ zur „Remigration“ vor, bei dem es um die massenhafte Ausbürgerung und Vertreibung von Deutschen mit Migrationshintergrund ging. Das beträfe Millionen von Menschen.
Die anwesenden Politiker*innen sollen sich während des Treffens mit dem Konzept einverstanden gezeigt haben. Sie hätten diskutiert, wie genau sie diese Strategie gemeinsam in die Tat umsetzen wollten, sollte die AfD in Regierungsverantwortung gelangen.
Umgesetzt werden solle der Plan demnach auch mit Hilfe eines „Musterstaates“ in Nordafrika. In ein solches Gebiet, in dem bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten, wolle man Menschen bewegen. Auch Menschen, die sich in Deutschland für Geflüchtete einsetzen, könnten dorthin gebracht werden, soll Sellner gesagt haben.
Journalisten recherchierten undercover
Das Rechercheteam von Correctiv hat das Treffen nach eigenen Angaben vor Ort undercover mit Kameras dokumentiert. Ein Reporter sei unter anderem Namen in demselben Hotel eingescheckt. Mehrere Quellen hätten zudem die Aussagen der Teilnehmenden des Treffens glaubhaft wiedergegeben. Einige Dokumente seien auch von Greenpeace zur Verfügung gestellt worden.
Die Enthüllungen könnten die Diskussionen um ein Parteiverbot der AfD weiter beleben. Die drei AfD-Landesverbände Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen gelten den Verfassungsschutzämtern bereits als „gesichert“ rechtsextrem, ebenso der Bundesverband der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“. Zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ gilt von Seiten der AfD eigentlich offiziell ein „Unvereinbarkeitsbeschluss“, seit Jahren findet aber dennoch eine rege Zusammenarbeit statt.
Eingeladen in das Potsdamer Hotel hat laut der Recherche unter anderen der ehemalige Mitbesitzer der Bäckerei-Selbstbedienungs-Kette „Backwerk“, Hans Christian Limmer. Er ist heute einer der Eigner der Restaurant-Franchisemarke „Hans im Glück“. Limmer bestritt die Vorwürfe gegenüber den Journalisten und erklärte, er sei an der Planung nicht beteiligt gewesen. Auch würde er „immer widersprechen“, wenn jemand „deutsche Staatsangehörige als Staatsbürger zweiter Klasse behandeln wollte“.
Bei dem Treffen sollte es wohl auch um die Sammlung von Spenden für ein „exklusives Netzwerk“ gehen, um rechte Politik zu fördern. Neben Rechtsextremisten wie Sellner oder dem verurteilten Gewalttäter Mario Müller nahmen laut dem Bericht auch Vertreter*innen vermeintlich bürgerlicher Vereine daran teil. So sei unter anderem Silke Schröder aus dem Vorstand des Vereins Deutscher Sprache dabei gewesen, ebenso wie Ulrich Vosgerau, ehemaliges Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung sowie CDU-Politiker*innen der rechten „Werteunion“.
Weidel-Vertrauter zeigt sich als Sellner-Fan
Unter den Teilnehmenden zählt der Bericht zudem mehrere Vertreter*innen aus AfD-Landesverbänden auf, die bislang noch nicht vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurden: darunter Tim Krause, AfD-Vorsitzender im Kreis Potsdam, und Gerrit Huy, AfD-Bundestagsabgeordnete aus Bayern.
Auch Roland Hartwig, der persönliche Referent der AfD-Bundeschefin Alice Weidel, war in dem Hotel in Potsdam dabei. Hartwig hat laut Correctiv Einfluss auf höchste Entscheidungsebenen der AfD. Er habe sich in der Runde als Fan des Rechtsextremen Sellner bezeichnet und auf dessen rassistischen Vertreibungs- und Ausbürgerungspläne Bezug genommen. Hartwig sagte der Correctiv-Recherche zufolge bei dem Treffen zu, die inhaltlichen Pläne des Treffens in die Partei zu tragen.
Auch die Bundestagsabgeordnete Huy befürwortete demnach derartige „Remigrations“-Pläne. Der ebenfalls anwesende AfD-Fraktionsvorsitzende Sachsen-Anhalts, Ulrich Siegmund, habe ergänzt, dass man in seinem Bundesland dafür sorgen müsse, dass es „für dieses Klientel möglichst unattraktiv zu leben“ werde.
Correctiv erklärte, viele der Teilnehmer*innen zu ihren Aussagen konfrontiert zu haben. Siegmund habe in seiner Antwort betont, er sei als „Privatperson“ bei dem Treffen gewesen und wolle Menschen „nicht gesetzeswidrig ausweisen“. Martin Sellner sowie der AfD-Politiker Hartwig und die AfD-Abgeordnete Huy antworteten den Journalisten bis zur Veröffentlichung nicht auf die Fragen.
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