Gegen die Illegalisierung von Cannabis: Richter Müller will Kiffern helfen

Ist die Kriminalisierung von Cannabis verfassungswidrig? Bernauer Strafrichter wendet sich an das Bundesverfassungsgericht.

Ein Joint wird an ein Feuerzeug gehalten

Dass Cannabis illegal ist, hält Richter Müller für unverhältnismäßig Foto: Oliver Berg/dpa

FREIBURG taz | Die Kriminalisierung von Cannabis ist verfassungswidrig. Zu diesem Schluss kam der Strafrichter Andreas Müller vom Amtsgericht Bernau (bei Berlin). Seine Ansicht begründete er vorige Woche in einem 141-seitigen Vorlagebeschluss, über den nun das Bundesverfassungsgericht entscheiden muss.

Im konkreten Fall hatte ein 24-jähriger Maschinenbau-Student im Görlitzer-Park (Berlin-Kreuzberg) 2,6 Gramm Marihuana gekauft und geriet anschließend in eine Polizeikontrolle. Da der junge Mann schon mal mit Marihuana erwischt worden war, lehnte die Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens ab und forderte eine Geldstrafe von 150 Euro.

Müller legte das Verfahren in Karlsruhe vor. Doch ihm geht es nicht nur um den Studenten, sondern um geschätzt vier Millionen Cannabis-Konsumenten in Deutschland, denen jederzeit Ärger mit Polizei und Justiz droht.

Dass Cannabis und seine Produkte Marihuana und Haschisch im Betäubungsmittelgesetz noch auf der Liste der illegalen Drogen stehen, hält Müller für unverhältnismäßig. Beim „moderaten Gebrauch“ durch Normalbenutzer sei Cannabis „relativ ungefährlich“ und deutlich harmloser als der legale Alkohol. Während Alkohol pro Jahr zehntausende Tote verursache, sei es bei Cannabis kein einziger, so Müller. Deshalb müsse zumindest der Besitz von geringen Mengen straflos sein.

Müller nutzte bei seinem Vorlagebeschluss als erster Richter ein Muster, das der Deutsche Hanfverband (DHV) Ende 2019 veröffentlichte. Der DHV will damit im Rahmen seiner „Justizoffensive“ die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts erleichtern.

Legalisierung in anderen Ländern könnte helfen

Doch Müller ist selbst Überzeugungstäter. 2015 veröffentlichte er das Buch „Kiffen und Kriminalität“. Freimütig räumt der Richter auch eigene (frühere) Cannabis-Erfahrungen ein. Müller gilt als Deutschlands bekanntester Jugendrichter. Einen Namen machte er sich, als er straffälligen Jungnazis verbot, weiter Springerstiefel zu tragen.

Das Bundesverfassungsgericht muss sich nicht zum ersten Mal mit der Kifferfrage befassen. 1994 entschieden die Richter, dass es kein „Recht auf Rausch“ gebe und der Gesetzgeber bei der Einstufung von Drogen einen „Beurteilungsspielraum“ habe. Es gebe keine Pflicht, Alkohol und Cannabis gleich zu behandeln. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit genüge es, wenn Verfahren bei geringen Mengen in der Regel eingestellt werden.

Doch Müller findet, dass sich die von Karlsruhe vorgegebene Einstellungslösung nicht bewährt hat. Denn zunächst müsse sich jeder Kiffer gegenüber der Polizei rechtfertigen, es seien Festnahmen und Hausdurchsuchungen möglich.

Was eine „geringe Menge“ ist, werde zudem im Bundesvergleich unterschiedlich definiert. In Bayern und Baden-Württemberg sind es bis zu 6 Gramm, in Berlin und Bremen 15 Gramm. Unter dem Strich würden nur rund zwei Drittel aller Cannabis-Verfahren eingestellt. Jährlich gebe es deshalb bis zu 30.000 Verurteilungen.

Damit eine erneute Vorlage an das Verfassungsgericht zulässig ist, muss Richter Müller belegen, dass es seit 1994 „neue Tatsachen“ gibt. Erfolgversprechend ist vor allem der Hinweis auf die geregelte Legalisierung von Cannabis in Portugal, Uruguay, Kanada und zehn US-Bundesstaaten, die nicht zu Chaos und Kontrollverlust führte. Dies zeige, so Müller, dass das Strafrecht „nicht erforderlich“ ist, um Ziele wie den Jugendschutz zu erreichen.

Wann und wie sich das Bundesverfassungsgericht mit der Vorlage befasst, ist völlig offen. Bis dahin gilt das Cannabis-Verbot weiter. Nur die Karlsruher Verfassungsrichter können Gesetze für verfassungswidrig erklären.

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