Kiffer in Bremen häufiger in Behandlung: Macht nicht nur breit

Die Zahl der Cannabis-Konsument:innen mit Psychosen nahm in der Hansestadt zu. Ein kausaler Zusammenhang ist aber nicht bewiesen.

Eine Person kifft und bläst blauen Dampf aus

Kann Psychosen auslösen: übermäßiger Cannabis-Konsum Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa

Bremen taz | Immer mehr Kif­fe­r:in­nen werden in Bremen wegen psychischer Störungen oder sogar Psychosen in einem Krankenhaus behandelt. Das geht aus einer Antwort der rot-grün-roten Landesregierung auf eine Anfrage der CDU hervor. Die Zahlen beziehen sich auf die letzten zehn Jahre.

2010 wurden demnach 66 Menschen aufgrund von „psychischen oder Verhaltensstörungen durch Cannabinoide“ in einer Klinik aufgenommen – zu dieser Diagnose zählen aber auch reine Entgiftungsbehandlungen. Neun von ihnen mussten wegen einer psychotischen Störung behandelt werden, also etwa je­de:r Siebte.

2020 traf das auf jede dritte Einweisung zu; in dem Jahr gab es insgesamt 163. Ein Höchstwert, aber kein Ausreißer: Seit 2014 lag die Zahl der Klinikeinweisungen in jedem Jahr bei über 150.

In dem für Cannabis-Entzug zuständigen Ameos-Klinikum Bremen liegt die Zahl derer, die allein wegen Cannabis entgiftet werden mussten, in den letzten zehn Jahren allerdings bei „unter einem Prozent“, verglichen mit allen Entzugsbehandlungen in dieser Klinik. Die frühere Beobachtung, dass es allein durch einen höheren Gehalt an berauschendem THC im Cannabis vermehrt zu psychoseähnlichen Rauschzuständen komme, sei dort aktuell „nicht klinisch relevant“, schreibt der Senat. Bei Fällen von akuter Psychose sei „fast immer“ Kokain mit im Spiel, manchmal aber auch ein aufputschendes Amphetamin.

Täglicher Konsum kann Psychosen auslösen

Eine neuere Studie zeigt jedoch, dass der tägliche Konsum von Cannabis „in einem deutlichen Zusammenhang“ mit dem Risiko steht, eine Psychose zu entwickeln. Das gilt vor allem dann, wenn das Cannabis besonders viel THC enthält. Solches kann man eher in Amsterdam oder London kaufen.

Bei Fällen von akuter Psychose sei „fast immer“ Kokain mit im Spiel, manchmal aber auch ein aufputschendes Amphetamin.

In London hatten der Studie zufolge drei von zehn Psy­cho­ti­ke­r:in­nen täglich Cannabis konsumiert, in Amsterdam war es sogar je­de:r zweite. Von 900 untersuchten Pa­ti­en­t:in­nen mit der Neudiagnose Psychose konsumierte fast je­de:r Dritte den Stoff täglich, und etwa genauso viel hatten schon mal Cannabis mit hohem THC-Gehalt genommen.

Helfen könnte den Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zufolge, nur noch niedrig konzentriertes Cannabis mit einem THC-Gehalt von unter zehn Prozent zu verkaufen. In Amsterdam enthalte es heute bis zu 67 Prozent.

Ein kausaler Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychosen sei aber „immer noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen“, ­schreiben die Au­to­r:in­nen dieser Studie. Denn möglicherweise greifen auch einfach mehr Menschen mit Neigung zu Psychosen zum Joint.

Als gesundheitsgefährdend gilt Cannabis vor allem für Jugendliche, deren Hirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Wer schon kifft, ehe er 16 ist, hat ein höheres Risiko, später eine Angststörung oder Depressionen zu entwickeln.

Im Land Bremen hatten laut einer Umfrage unter Schü­le­r:in­nen im Jahrgang 2016/17 elf Prozent aller Befragten im Alter zwischen 14 und 17 Jahren in den vergangenen 30 Tagen Cannabis konsumiert. Neuere Zahlen werden für Mitte dieses Jahres erwartet. Und etwa ein Viertel aller Erwachsenen in Deutschland hat schon mal gekifft, sagt der Bremer Senat mit Verweis auf Befragungen.

Erfolgloses Modellprojekt der kontrollierten Abgabe

„Gemessen an der beträchtlichen Zahl der Konsumierenden“ sei die Zahl der durch Cannabis hervorgerufenen Störungen aber „relativ gering“, stellt der Bremer Senat klar. Für sogenannte „Drogentote“ sei Cannabis ohnedies nicht verantwortlich, auch wenn deren Zahl im Bremen von 17 (2016) auf 41 (2020) angestiegen war – mit einer Verdopplung im ersten Pandemiejahr.

Rot-Grün-Rot hatte zuletzt 2020 erfolglos ein Modellprojekt für die kontrollierte Abgabe von Cannabis beschlossen. Die zuständige Bundesbehörde genehmigte dieses jedoch nicht. Die neuen Pläne der Ampelregierung in Berlin bewertet man in Bremen deshalb „positiv“. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP steht dazu: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ Die Details sind aber noch offen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.