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Geflüchtete und RassismusNette Nachbarschaft

Der Bund feiert sich für die Aufnahme 1.500 Geflüchteter. Forscher*innen liefern nun einen Grund, warum Deutschland weniger knauserig sein sollte.

Luai Khartum spielt im Schnee in Clausnitz, das traurige Berühmtheit erlangte Foto: Dominik Butzmann/laif

Gleichgültigkeit tut in der Regel weh. Doch wenn sie statt einer erwarteten negativen Attitüde auftritt, erscheint sie plötzlich ganz attraktiv. Gleichgültigkeit ist sozusagen das Hauptergebnis einer neuen Studie von Forscher*innen aus Mannheim, Berlin und New York: Sie fanden heraus, dass die Aufnahme von Geflüchteten in ostdeutschen Gemeinden dort nicht zu veränderten Einstellungen gegenüber Migration führte.

Rassismus ist dort zwar nach wie vor hoch im Kurs – das ist die schlechte Nachricht –, aber eben unabhängig vom Zuzug Geflüchteter. Das Zusammenleben mit ihnen scheint also doch nicht so schlimm zu sein, wie gedacht.

Nun wundert es noch viel weniger, dass viele Gemeinden seit Monaten anbieten, Geflüchtete aufzunehmen. Doch Innenminister Horst Seehofer (CSU) wartete erst vergeblich auf die erstarrte EU, um sich letzte Woche dann mit der Ankündigung zu schmücken, 1.500 Menschen von den griechischen Inseln aufzunehmen. Warum so spät und so wenige? Das ist aus humanitärer Perspektive nicht zu beantworten. Und spätestens jetzt auch nicht aus der Perspektive der Menschen in Deutschland, die mit Geflüchteten leben: die Menschen, für die der Innenminister meint, Politik zu machen.

Die Forscher*innen, unter ihnen Max Schaub vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, haben sich für die Untersuchung über 230 kleine ostdeutsche Ortschaften angeschaut, weil sie den Auswirkungen auf die Gemeinschaft und die individuellen Einstellungen durch den Zuzug von Geflüchteten auf den Grund gehen wollten.

Extrem geringer Ausländeranteil im Osten

„Was ländliche Regionen im Osten so speziell macht, ist der extrem geringe Ausländeranteil“, sagt Schaub auf Nachfrage. Deswegen sei dort der Vorher-nachher-Vergleich gut möglich. Gemeinden, die 2015 und 2016 Geflüchtete aufgenommen hatten, wurden mit ansonsten sehr ähnlichen Gemeinden verglichen, die keine aufgenommen hatten.

Schaub und seine Kolleg*in­nen befragten 1.320 Menschen nach ihrer Einstellung zu Migration und klassischerweise dem rechten Gedankengut zugeordneten Thesen: Sollte Deutschland Geflüchtete aufnehmen? Wenn ja, welche? Sollte Kindergeld nur an Deutsche ausgezahlt werden? Sollte die Bevölkerung bei wichtigen Fragen direkt entscheiden, nicht die Po­liti­ker*innen?

Die Antworten unterschieden sich zwischen den beiden Gemeinde-Gruppen mit und ohne Geflüchtete so gut wie nicht; ebenso wenig die zusätzlich verglichenen Wahlergebnisse. Klar, es gab einen heftigen Rechtsruck, der sich stark an den Wahlergebnissen der AfD zeigte – aber eben überall.

„Der Effekt der Aufnahme von Geflüchteten erklärt den Rechtsruck nicht“, sagt Schaub. „Wir interpretieren die Ergebnisse so, dass die Menschen zwar kritisch gegenüber Migration eingestellt sind, aber sich eher um die Gesellschaft als Ganzes sorgen und nicht um ihr individuelles Wohlbefinden.“

Doch wenn der Rechtsruck nicht durch die neuen Nach­bar*innen verursacht wird, woher kommt er dann? Die Theorien dazu sind vielfältig: Das Vertrauen in die politischen Eliten sinke. Die Sorgen der Menschen in den Jahren, in den viele Geflüchtete den Weg nach Europa fanden, würden nicht ernst genommen. Inwiefern diese Thesen zutreffen mögen – ihre Schlagkraft liegt nicht daran, dass einzelne Menschen nun in Deutschland leben. Wer diese Meinung vertritt, schürt bewusst eine Angst, die es nun auch laut der neuen Studie gar nicht gibt.

Es ist natürlich zwiespältig, dass wir diese Studie im Diskurs gut gebrauchen können, um ein weiteres Argument dafür zu haben, noch viel mehr Menschen in einem reichen Deutschland aufzunehmen, denen es an jeglicher Perspektive fehlt. Und dennoch ist es genau deswegen wichtig, dass es sie gibt.

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3 Kommentare

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  • Das der Rechtsruck nicht damit zusammen hängt, dass Flüchtlinge vor Ort sind, sah man ja schon daran, dass man die potentiellen Flüchtlingsheime schon vorher angezündet hat. Negativer als das kann die Einstellung gegenüber Schutzsuchenden dann auch nicht wirklich werden, wenn die einmal da sind.



    Das es solche und solche Menschen gibt, dem wird auch ein Großteil der Rechtsausleger beipflichten.



    „Einerseits ist es zwar plausibel, dass die Aufnahme zahlreicher Geflüchteter seit 2015 zu steigenden Ressentiments und zum Aufstieg der AfD in den letzten Jahren beigetragen hat. Mit unserer Studie zeigen wir aber, dass dies nicht davon abhängt, ob die Menschen in ihrem direkten Umfeld mit Flüchtlingen konfrontiert sind.“ Die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schutzsuchenden vor Ort bringt dann auch nichts, wenn die Stimmung schon vorher, also bei der Ankündigung diese aufzunehmen dagegen ist.

  • Eines darf man als sicher annehmen: Je mehr Flüchtlinge Deutschland aufnimmt, desto weniger werden andere Staaten sich beteiligen. Am schlimmsten ist dies bei den Ländern der Totalverweigerung - Polen und Ungarn. Für solche hat die EU nur einen Wert - und das ist der Empfang von Geld. Die Gelder der Eu stärken in besonderem Masse Orban und seine widerlichen Spießgesellen, aber auch Kacinsky und dessen schlimme Follower. MAcht doch endlich den Geldhahn besonders von Deutschland zur Bedingung für eine Aufnahme. Aber Konsequenz war doch noch nie ein Mittel für die Merkel und Co. Und die SPD ist doch einzig daran interessiert, an den Töpfen der Macht zu bleiben.

  • Inwiefern ist die Tatsache, dass die Befragten der Migration mehrheitlich weiter genauso ablehnend eingestellt sind wie zuvor, ein Argument dafür, dass mehr Migranten aufgenommen werden sollten?

    Nur weil das Klima nicht NOCH feindseliger geworden ist?

    Ansonsten würde ich mir tatsächlich mal ein paar große Befragungen wünschen, welche langfristige Strategie für Migration/Asyl sich die Deutschen tatsächlich wünschen. Abschottung, offene Grenzen, weiter wie bisher?