Geflüchtete in Griechenland: Gewolltes Elend auf den Inseln

Viele Kommunen wollen Geflüchtete aufnehmen, dürfen aber nicht, weil Bundesinnenminister Seehofer blockt. Das Grundrecht auf Asyl ist gefährdet.

Junge Mann in einer Holzhütte

Ein Geflüchteter in seinem selbstgebauten Zelt neben dem Flüchtlingslager Moria Foto: Angelos Tzortzinis/dpa

Es könnte so einfach sein. Tausende Geflüchtete, die in den Elendslagern auf den griechischen Inseln ausharren, könnten von deutschen Kommunen aufgenommen werden. Städte und Gemeinden hierzulande sind dazu bereit und auch Aufnahmekapazitäten sind reichlich vorhanden, denn die meisten Unterkünfte sind nicht einmal annähernd ausgelastet.

Aber das Bundesinnenministerium mauert. Es mauert und mauert. Es stimmt zwar, dass es im Juni schon mal ein kleines Zugeständnis gab: 928 Schutzsuchende dürfen von Seehofers Gnaden nun aus den griechischen Elendslagern nach Deutschland kommen. Aber ansonsten bewegt sich wenig in puncto Aufnahme von Geflüchteten von den griechischen Inseln. 30.000 Menschen müssen dort unter den widrigsten Bedingungen ausharren, darunter mehrere Tausend mit Familienangehörigen in Deutschland.

Dabei haben viele Kommunen schon ihre Hilfe angeboten – lange bevor die Corona­pandemie begann. 151 Städte und Gemeinden haben sich inzwischen zu „Sicheren Häfen“ erklärt und sind bereit, mehr Geflüchtete aufzunehmen, als ihnen nach dem Verteilungsschlüssel üblicherweise zugewiesen werden. Auch die Bundesländer dringen beim Innenministerium auf mehr Flexibilität. Berlin und Thüringen haben Landesaufnahmeanordnungen vorgelegt, mit denen sie selbstständig Schutzsuchende in ihre Bundesländer holen wollen. In Erfurt und Berlin wartet man auf Antwort. Doch bisher hüllt sich Innenminister Horst Seehofer (CSU) in Schweigen.

So weit, so menschenverachtend. Doch was derzeit auf dem Spiel steht, ist weitaus existenzieller, denn mit ihren Plänen für die EU-Asylreform sägen die Mitgliedstaaten und die europäischen Institutionen selbst an den Grundfesten der europäischen Idee. Denn was bleibt vom Grundrecht auf Asyl, wenn die EU-Innenkommissarin mit ihrer Ankündigung Ernst macht, in Zukunft stärker mit Herkunfts- und Transitländern zusammenzuarbeiten? Werden individuelle Fluchtgründe noch geprüft, wenn, wie es Innenminister Seehofer will, bald an den EU-Außengrenzen in einem Zulässigkeitsverfahren entschieden wird, wer überhaupt einen Asylantrag in der EU stellen darf? Wie steht es um das Recht auf Familie, wenn Anträge auf Familiennachzug der engsten Verwandten immer wieder abgelehnt werden? Werden willkürlich festgelegte Quoten das Grundrecht auf Asyl ersetzen?

Als Trägerin der EU-Ratspräsidentschaft hätte Deutschland gerade jetzt die Möglichkeit, die europäische Asylpolitik in einem Sinn voranzubringen, der des zweiten Artikels des Vertrags über die Europäische Union würdig ist. Da heißt es: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte“. Schaut man auf die aktuellen Pläne, scheinen diese in weite Ferne gerückt zu sein.

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