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Geflüchtete im Landkreis BautzenFür menschenwürdige Unterbringung

Der Bautzner Landrat Witschas (CDU) bringt Geflüchtete fast nur in Sammelunterkünften unter. Vereine und Linken-Politiker wollen ihre Lage verbessern.

Un­ter­stüt­ze­r:in­nen fordern: Recht auf menschenwürdiges Asyl für Geflüchtete Foto: dpa

Leipzig taz | Kaum ein Landkreis in Sachsen hat so große Probleme bei der Unterbringung von Geflüchteten wie Bautzen. „Unsere Kapazitäten sind nahezu erschöpft“, heißt es aus dem CDU-geführten Landratsamt. Das liegt aber nicht daran, dass der erzkonservative Landkreis im Osten Sachsens mehr Geflüchtete aufnehmen würde als andere – das macht er nicht –, sondern an der Strategie des Landrats Udo Witschas.

Der CDU-Rechtsaußen, der spätestens seit seiner verwerflichen Weihnachtsbotschaft bundesweit für seine Ressentiments gegenüber Geflüchteten bekannt ist, bringt Asylsuchende überwiegend in Sammelunterkünften unter. Eine dezentrale Unterbringung in Wohnungen lehnt Witschas ab. Bei denjenigen Geflüchteten, die im Kreis Bautzen überhaupt in Wohnungen leben, handelt es sich um vor allem um Menschen, die aus medizinischen Gründen nicht in Sammelunterkünften unterkommen können.

Wie eine Umfrage der taz unter allen 13 sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten zeigt, hat Bautzen die mit Abstand höchste Quote bei der zentralen Unterbringung Schutzsuchender. 80 Prozent der 1.635 Geflüchteten leben hier in Sammelunterkünften (Stand 31. Januar). Zum Vergleich: Im angrenzenden Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sind 30 Prozent der Asyl­be­wer­be­r:in­nen in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, im Kreis Zwickau 36 Prozent, im Vogtlandkreis 13 Prozent, in den Städten Dresden und Chemnitz je 21 Prozent.

Witschas Strategie hat zur Folge, dass sich die Unterbringung von Geflüchteten auf nur wenige Orte im Landkreis konzentriert. Die acht Sammelunterkünfte, in denen bis zu 400 Menschen zusammenleben, verteilen sich auf die Städte Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda. Hier und in fünf weiteren Orten sind außerdem 340 Asylsuchende in Wohnungen untergebracht. 49 von 57 Kommunen im Landkreis Bautzen beherbergen gar keine Geflüchteten.

Strategie Witschas funktioniert nicht

Dass die Strategie des Landrates nicht funktioniert, zeigte sich insbesondere Mitte Dezember, als der Bautzner Kreistag gegen die Anmietung eines leerstehenden Gebäudes in Hoyerswerda stimmte, das Witschas als Sammelunterkunft für 200 Asyl­be­wer­be­r:in­nen nutzen wollte. Neben der AfD, die die Aufnahme von Geflüchteten generell ablehnt, haben auch Teile der SPD und Linken gegen die Anmietung gestimmt – weil sie eine dezentrale, menschenwürdige Unterbringung in Wohnungen fordern.

Nach der Abstimmung teilte Witschas frustriert mit, nun auf kommunale Gebäude ausweichen zu müssen, was er eigentlich habe vermeiden wollen. „Wir haben aber derzeit nichts leerstehend vorrätig, worauf wir einfach zugreifen könnten.“ Wenige Tage später sagte er in seiner Weihnachtsbotschaft, dass er noch keine Lösung gefunden habe – er Geflüchtete aber auf keinen Fall in leerstehenden Häusern oder Wohnungen unterbringen wolle, weil das den sozialen Frieden gefährde.

Fragt man das Bautzner Landratsamt, warum Witschas so sehr auf Sammelunterkünfte beharrt, antwortet eine Sprecherin: „Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ist bis zur Anerkennung die durch das Gesetz vorgesehene Regelform.“ Auf den Hinweis, dass der Landkreis Bautzen Geflüchtete ja aber trotzdem größtenteils in Wohnungen unterbringen könne – so wie viele andere Landkreise auch –, heißt es erneut, dass Gemeinschaftsunterkünfte der „Grundsatz“ seien.

Darüber hinaus sei eine Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen aufwendiger als in Sammelunterkünften, sagt die Sprecherin und verweist auf die Kosten für die Ausstattung, das Herrichten der Wohnungen und die Organisation der Betreuung. Sobald weniger als drei Personen je Wohnung unterkämen, sei die dezentrale Unterbringung außerdem teurer.

Freundlichere Aufnahmekultur gefordert

Der Verein „Willkommen in Bautzen“, der sich seit Jahren für Geflüchtete engagiert, kritisiert das Landratsamt für sein Kostenargument. Auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sollte Witschas „viel mehr dafür tun, eine freundlichere Aufnahmekultur zu schaffen und nicht nur aus der gegenwärtigen finanziellen Situation des Landkreises die Pflichtaufgabe der Unterbringung so billig wie möglich zu lösen“, teilt Geschäftsführerin Astrid Riechmann auf Anfrage mit.

„Im Heim, bei uns häufig noch weit ab vom Schuss und ohne Busverbindung, bleiben die Menschen inaktiv und warten mehr oder weniger nur auf den nächsten Bescheid.“ In Wohnungen gelinge Integration viel besser, und der Landkreis habe aktuell ein „ausreichendes Wohnungsangebot“, sagt Riechmann.

Zusammen mit anderen Vereinen und Bündnissen hat der Verein „Willkommen in Bautzen“ den Landrat Anfang Dezember in einem offenen Brief dazu aufgefordert, mehr Geflüchtete dezentral unterzubringen. In Bezug auf die knapp 3.000 Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine, die im Landkreis Bautzen fast alle in Wohnungen untergebracht sind, heißt es in dem Brief: „Ukrainerinnen und Ukrainer, welche Anfang dieses Jahres Schutz bei uns suchten, leben nun unter uns, als Nachbarn, als Freunde, als Mitmenschen. Warum sollte dies nicht auch mit Asylsuchenden aus anderen Nationen gelingen?“

Silvio Lang, Kreisvorsitzender der Linken in Bautzen, kritisiert Witschas Strategie der zentralen Unterbringung scharf. „Für alle Massenunterkünfte gilt, dass durch die Belegung von vielen Menschen auf geringem Raum Zustände entstehen, die maximal für kurze Zeit akzeptabel sind.“ Im Gespräch mit der taz berichtet Lang von einer Unterkunft in Hoyerswerda, in der die Zustände über einen längeren Zeitraum „miserabel“ gewesen seien. „Das Dach war undicht, Wasser lief von den Wänden, es schimmelte, 50 Menschen teilten sich eine Toilette“, sagt der Linken-Politiker. Inzwischen wurde das Gebäude saniert und wird als Notunterkunft genutzt.

Dezentrale Unterbringung als Lösung

Zusammen mit dem Kamenzer Linken-Stadtrat Alex Theile, der 2022 zur Landratswahl in Bautzen gegen Witschas angetreten ist, plant er ein Treffen mit allen Bürger- und Ober­bür­ger­meis­te­r:in­nen des Kreises, um Lösungen für eine menschenwürdige Unterbringung zu finden. „Wir möchten sie fragen, wie viele Wohnungen sie für Geflüchtete zur Verfügung hätten. In Bischofswerda zum Beispiel gibt es viel Leerstand“, sagt Lang. Er ist fest davon überzeugt, dass eine dezentrale Unterbringung das Kapazitäten-Problem im Landkreis lösen würde.

Die Idee für das Treffen hatten die beiden Linken-Politiker im Dezember, nachdem Witschas mit anderen CDUlern einem Antrag der AfD zur Kürzung von Integrationsleistungen für Geflüchtete zustimmte und wenige Tage später in seinem Video gegen Schutzsuchende hetzte. „Wir haben überlegt, was wir tun können, um die Situation für Geflüchtete zu verbessern“, sagt Lang.

Zu dem Treffen, das vermutlich Anfang April stattfinden soll, wollen Lang und Theile auch die Kreistagsfraktionen bis auf die AfD einladen, Ver­tre­te­r:in­nen des Ausländeramtes sowie Vereine und Initiativen, die Geflüchtete im Landkreis unterstützen. Landrat Witschas soll Lange zufolge keine Einladung erhalten, „weil er im Dezember selbst gesagt hat, keine Ideen für die Unterbringung zu haben“.

Vorher noch, am 7. März, trifft sich das Landratsamt mit den Initiativen der Geflüchtetenhilfe, um mit ihnen über die dezentrale Unterbringung und ihren offenen Brief zu sprechen. Neben der Ausländerbeauftragten Anna Pietak-Malinowska, die zu dem Gespräch eingeladen hat, nimmt auch Jörg Szewczyk daran teil. Er ist der erste Beigeordnete des Landkreises und damit zuständig für das Ausländeramt Bautzens. Es gibt also noch Hoffnung, dass sich die Situation für Geflüchteten im Landkreis künftig bessert.

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9 Kommentare

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  • Die Idee, Flüchtlinge in Heimen zusammenzupferchen und am Ende der Welt zu kasernieren ist grundsätzlich schlecht und menschenunwürdig. Menschen brauchen Wohnraum, um zur Ruhe zukommen, gesund zu werden und sich in das Leben in Deutschland zu integrieren. Es ist wissenschaftlich hinreichend bewiesen, dass das am besten in den eigenen vier Wänden möglich ist. Ausserdem muss die Versorgung in den grossen Städten passieren, weil auf dem LAnd die Infrastruktur dazu fehlt: (Fachärzte, Sprachkurse, Kulturelle Angebote, Einkaufsmöglichkeiten etc.



    Darum müssen wir die LAger endlich dicht machen und gezielt Wohnungen in den Ballungsgebieten (auch Untervermietung) bereitstellen. Leere oder zu grosse Wohnungen gibt es genug, was fehlt ist der politische Wille.



    MAchen wir doch alle aus unseren Strassen und Häusern sichere Häfen.

    • @V M:

      Ich sage mal, sie haben im Grundsatz recht.



      Nun sagen sie mir, woher diese Wohnungen überhaupt herkommen sollen, bei der ohnehin schon prekären Wohnraumnot.



      Und juristisch ist den Leerwohnungsbesitzern leider nicht beizukommen, wie viele Urteile zeigen.



      Eine m²-Vorgabe pro Kopf verstößt gegen das GG.

      Fazit: Im Grundsatz guter Vorschlag, praktisch nicht machbar.

    • @V M:

      Heime sind unwürdig und kontraproduktiv, das ist wahr. Ob Städte und Ballungsgebiete einer Inklusion zuträglich sind, ist eher zweifelhaft.



      Anekdotische Evidenz: Einer meiner zwei Lebensmittelpunkte befindet sich auf dem sehr platten Land. Ein, zwei Familien auf dem Dorf haben sicher eher Chancen inkludiert zu werden als solche die in Wohnblöcken in Randlagen lebend, in Geschäften "ihrer" Community einkaufend auf den selben isolierten Weg geschickt werden wie Teile der vorherigen Generationen von Migrant:innen.

      • @Ijon Tichy:

        Ich kenne jüngere Flüchtlinge aus Eritrea zwei Brüder und eine Schwester die zusammen in einem Dorf leben. Sie würden nie was schlechtes über die Menschen sagen, aber sie sind komplett abgeschnitten von allem und leiden darunter. Mobilität kostet Geld das sie nicht haben. Ich habe sie auf einer Veranstaltung im Rahmen eines Demokratisierungsprojektes für afrikanische Migranten unseres Vereins kennengelernt. Die drei Tage mit Unterbringung mit vielen anderen in ihrem Alter, haben sie total genossen und waren sehr traurig als sie danach wieder zurück ins Dorf mussten. Die drei sind einfach isoliert und frustriert.

  • "Strategie Witschas funktioniert nicht"

    Hm. Es ist zu befürchten, dass sie aus seiner Sicht schon funktioniert.

    Was ist das anderes als Absicht?

  • Menschenwürdige Unterkunft, dass ist schon für viele Deutsche nicht mehr möglich.

    Ich spreche aus Erfahrung ,keine Dusche ,Heizung und die Toiletten waren draußen.

    Ein Wunschdenken mehr nicht,leider.

  • Bisher hat mich nur die Familie Patzelt überzeugt, das zu meinen was sie sagen oder schreiben. www.welt.de/politi...Fluechtlingen.html

    • @Günter:

      Danke für den Querverweis. Auch ich habe in der Krise 2015 schwule Iraker, Syrer, Marokkaner aufgenommen, die immer bei mir mitgelebt haben, um sich von den Strapazen des orientalischen Umfelds erholen zu können. Sozusagen Starthilfe. Und ich bin immer noch mit denen befreundet. Ich war ganz erstaunt, dass ich der einzige bin, der in meiner Umgebung direkt was gemacht hat. Andere gehen da lieber auf Demos, aber halten sich ansonsten englisch-vornehm zurück.

      • @Leningrad:

        Alle Ehre!!!