Gedenkkundgebung für Walter Lübcke: Empathie kommt von links

Auf einer Kundgebung in Berlin kritisieren Linke die Hetze von Erika Steinbach gegen Walter Lübcke. Der CDU werfen sie vor, ihren Feind links zu suchen.

"Stoppt die rechte Gewalt"- Transparent auf der Kundgebung

Gedenkkundgebung für Walter Lübcke vor dem Sitz der Desiderius-Erasmus-Stiftung Foto: Erik Peter

BERLIN taz | Es sind keine CDU-, sondern Antifa-Fahnen, die am Dienstagabend Unter den Linden wehen. Zur Gedenkkundgebung für den getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hatte das Bündnis Interventionistische Linke (IL) aufgerufen. Wie auch in Hamburg oder Frankfurt am Main sind es hier Linke, die auf die Straße gehen und auf die tödliche Gefahr hinweisen, die von Rechts ausgeht. Im bürgerlichen und konservativen Spektrum dagegen ist es beängstigend ruhig, selbst aus der CDU hört man zum Tod des Parteikollegen kaum etwas.

In Berlin gedachte der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner am Dienstag den DDR-Bürgern, die am 17. Juni 1953 gegen die Verschärfung der Arbeitsnormen demonstriert hatten, Innenpolitiker Burkhard Dregger trauerte um den auf natürlichem Wege verstorbenen ehemaligen Berliner Innensenator Heinrich Lummer. Zu Lübcke kein Wort.

So blieben die etwa 100 Linken, die zu der kurzfristig anberaumten Kundgebung erschienen waren quasi unter sich. Als Ort hatten sie den Sitz der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung gewählt, gleich an der Ecke Unter den Linden/Friedrichstraße. Deren Vorsitzende und ehemalige CDU-Rechtsauslegerin Erika Steinbach hatte sich im Internet an der rechtsextremen Hasskampagne gegen Lübcke beteiligt, in dem sie einen diskreditierenden Blogbeitrag verbreitet und die darunter kommentierten Morddrohungen über Monate lang stehen gelassen hatte.

„Shame on you, Erika!“, stand auf Schildern der DemonstrantInnen, andere zeigten Portraits von Opfern des NSU-Komplexes. „Die Hetze der AfD und ihrer Think Tanks werden von zu allem bereiten Nazis übersetzt“, so ein Redner von NSU-Watch. Auf den mutmaßlichen Täter Stephan E. war bereits 2015 der NSU-Untersuchungsausschuss gestoßen. Seine möglichen Verbindungen in diese rechten Netzwerke könnten derweil im Dunklen verbleiben. Der hessische Verfassungsschutz hat seinen Bericht zum NSU für die nächsten 120 Jahre gesperrt.

Auch in Berlin ist rechter Terror eine ständige Gefahr, wie die seit Jahren andauernde Anschlagsserie in Neukölln zeige. Ein Redner von der IL sprach zudem von der Dimension rechter Gewalt in Deutschland: Mindestens 12 Entführungen, 174 bewaffnete Überfälle, 123 Sprengstoffanschläge, 2.173 Brandanschläge, 229 Morde mit rechtsextremen Motiven seit 1971, so eine zitierte Studie des Terrorismusexperten Daniel Köhler. Viele konservative Politiker seien „sich dennoch nicht zu schade, uns als ihren Hauptfeind zu erkennen“, so der IL-Sprecher.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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