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Gaza-Proteste an UniversitätenPolizei beendet HU-Besetzung

Auf Anweisung des Berliner Senats hat die Polizei die Humboldt-Uni geräumt. Die Uni-Präsidentin verteidigt den Dialog mit pro-palästinensischen Gruppen.

Eine Besetzerin wird am Donnerstag von einem Polizisten aus der Berliner Humboldt-Universität (HU) geführt

BERLIN dpa | Nach der Räumung der von rund 150 propalästinensischen Aktivisten besetzten Teile der Humboldt-Universität (HU) in Berlin will die Polizei den Einsatz an diesem Freitag aufarbeiten. Auch die politische Debatte über die Duldung der Besetzung durch die Universitätsleitung dürfte weitergehen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nahm allgemein die Dozenten in die Pflicht und forderte sie auf, Studenten zu ermutigen, Argumente vorzutragen. Wie groß der Sachschaden in der Humboldt-Universität ist, muss noch ermittelt werden.

Propalästinensische Aktivisten hatten am Mittwoch Räume der Humboldt-Universität aus Protest gegen Israel und zur Unterstützung der Palästinenser besetzt. Die Gruppe namens Student Coalition Berlin forderte von Berliner Hochschulen unter anderem, dass diese sich für einen sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand im Gaza-Krieg einsetzen und Druck auf die deutsche Regierung ausüben. Diese solle ein Waffenembargo gegen Israel verhängen und alle militärischen, finanziellen und diplomatischen Hilfen an Israel beenden.

Die Universitätsleitung duldete die Besetzung zunächst und setzte auf einen Dialog von Besetzern und Wissenschaftlern. Am Donnerstagabend dann räumte die Polizei auf Anweisung des Senats das besetzte Gebäude. Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) habe die Anweisung in Übereinstimmung mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) gegeben, sagte die Universitäts-Präsidentin Julia von Blumenthal. Berlins CDU-Bürgermeister dankte der Polizei am Abend auf der Plattform X für ihren Einsatz.

Uni-Präsidentin bedauert Entscheidung

Ein Teil der Aktivisten verließ die Räume freiwillig, ein weiterer Teil wurde von der Polizei hinausgeführt. 150 propalästinensische Aktivisten seien aus dem Gebäude geführt worden, hieß es am Abend von der Polizei, über Verletzte sei nichts bekannt.

Universitäts-Präsidentin Julia von Blumenthal äußerte angesichts der Räumung ihr Bedauern darüber, dass keine Verständigung erreicht worden sei. Den Versuch des Dialogs sah sie am Abend zumindest nicht als gescheitert an: „Ich bin nicht sicher, ob es gelungen wäre, aber ich hatte den Eindruck, dass wir einen guten Schritt gemacht haben mit diesem Dialog“, sagte sie. Ihr gehe es darum, das Leid aller Betroffenen zu sehen.

Zu Beginn der Räumung sagte sie, ihr sei es wichtig, in diesem Moment dabeizusein. Sie wolle den Studierenden zeigen, dass sie auch ihre Präsidentin sei, auch wenn sie viele der politischen Forderungen nicht teile und die Sachbeschädigung im Gebäude verurteile „und alles verurteile, was insbesondere bei unseren jüdischen Studierenden, aber auch bei anderen Mitarbeitenden und Studierenden des Instituts für Sozialwissenschaften als Bedrohung empfunden wurde“.

Justizminister kritisiert „Geschrei“

Bundesjustizminister Buschmann sagte zu den Protesten: „Es darf keine Bedrohung, keine Beleidigung, keine Billigung von Straftaten stattfinden.“ Gerade an Universitäten sollte das stärkere Argument zählen – und nicht das lautere Geschrei, sagte er der Funke Mediengruppe. Für das Leid in Gaza trage die islamistische Hamas die Verantwortung. Deutschland habe eine besondere Verantwortung gegenüber Israel.

Selbstverständlich könne sich auf die Meinungsfreiheit auch berufen, wer mit dieser Haltung nicht einverstanden sei. „Die Grenze ist dort erreicht, wo Gewalt ausgeübt oder zu ihr aufgestachelt wird, wo Persönlichkeitsrechte verletzt oder Kennzeichen terroristischer Organisationen verwendet werden“, sagte der Minister.

Der Justizminister verteidigte Polizeieinsätze in diesem Zusammenhang. „Universitäten sind besondere Orte – aber sie stehen nicht außerhalb des Rechts. Demonstrationen auf dem Uni-Campus unterliegen den gleichen Regeln wie andere Demonstrationen auch“, sagte er. „Deshalb ist es natürlich richtig, wenn die Polizei einschreitet, wenn es zu Rechtsverstößen kommt.“

Berliner CDU kritisiert Duldung

Die Berliner CDU hatte die Duldung der Besetzung durch die Uni-Leitung kritisiert. Diese könne zu weiteren Straftaten ermuntern. Die Berliner SPD-Fraktion hatte gefordert, „den strafbaren Handlungen und Sachbeschädigungen ein Ende“ zu bereiten. Auch die Gewerkschaft der Polizei hatte mitgeteilt, Universitäten als Orte des Austauschs und der Diskussion gäben niemandem das Recht, menschenverachtende und antisemitische Parolen zu grölen.

Die Stimmung bei der Räumung war aufgeheizt: Eine Aktivistin schrie auf dem Hof ihre Frustration heraus: „Meine Familie stirbt jeden Tag!“ Aus einer Demonstration in unmittelbarer Nähe waren über Stunden laute Rufe zu hören, etwa der Aufruf zur Gewalt oder die umstrittene Parole „from the river to the sea, palestine shall be free“. Manche meinen, dass sie Israel das Existenzrecht abspreche.

Nach dem Massaker der Hamas mit mehr als 1.200 Toten am 7. Oktober in Israel sind seither im Gaza-Krieg mehr als 35.000 Palästinenser ums Leben gekommen. Die Zahlen stammen von der palästinensischen Gesundheitsbehörde und können nicht unabhängig überprüft werden, gelten unter Experten aber als glaubhaft.

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20 Kommentare

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  • Ich glaube 95 Prozent unserer Regierung waren mal Studenten/innen. Das ist seit Jahrzehnten so. Und die Welt ist kein Stück davon besser geworden .

  • Demonstrieren ja, aber bitte auf der Straße und nicht in der Universität. Oder sollten Studierende mit Hang zur AfDummheit dort auch demonstrieren dürfen.

  • Ich stimme inhaltlich absolut nicht mit den Demonstranten überein und empfinde deren Meinung als verstörend, aber die CDU sollte endlich mal im Grundsatz verstehen, dass Demonstrationen erlaubt sind, auch wenn man bei der Union traditionell ein Problem mit selbständig denkenden Bürgern hat.

  • Warum protestieren diese Menschen nicht auf der Straße? Weil sie mit Unibesetzungen mehr Presse bekommen. Dabei sind sie ein sehr kleiner Teil der Studentenschaft. Und was erwarten sie? Dass die Universitäten die Außenpolitik der Regierung verändern? Nicht wirklich, oder?

  • Ach, die taz mal wieder...



    "oder die umstrittene Parole „from the river to the sea, palestine shall be free“. Manche meinen, dass sie Israel das Existenzrecht abspreche."



    Diese Parole ist seit dem Verbot der Hamas strafbar. Das ist schon längst keine Frage der Meinung mehr.

    Was den Protest angeht: Das Schmieren von durchgestrichenen Schweineköpfen und roten Dreiecken (gezielt an einzelnen Büros; ein Tötungsaufruf in Kreisen der Hamas) sind unerträglich. Genauso wie eine Uni-Präsidentin, die so etwas erlaubt bzw. zulässt.



    Das mit den farbigen Dreiecken (bzw. "Winkeln") hatten wir in Deutschlands schon einmal...

  • „from the river to the sea, palestine shall be free“. Manche meinen, dass sie Israel das Existenzrecht abspreche.

    das ist mWn unstrittig. From the river to the sea, heißt ein palästinensischer staat zwischen jordan und mittelmeer, in logischer konseqenz gibt es in diesem scenario keinen israelischen staat, da das gesamte land zwischen jordan und mittelmeer liegt..

    Die Parole ist somit nichts anderes als der kleine Bruder, von „die juden ins meer treiben.“ ergo genozid an den israelis.

    witzig ist das eben jene die das fordern, israel selbst für genozidal halten wollen, da wird wohl von sich auf andere geschloßen.

  • Schade, wieder einmal die Chance zum Dialog verpasst. Wer diesen Dialog unterdrückt und so reagiert, darf sich über weitere Proteste nicht wundern.

    • @Ernie:

      Kleiner Vorschlag für die nächste Besetzung: Sie gehen zu den den Demonstranten und erzählen ihnen , dass Sie sich für ein grundsätzliches Existenzrecht für Israel einsetzen. Danach präsentieren Sie noch einmal ein „Free Gaza from Hammas“ Plakat.

      Ich bin gespannt, wie dann die Dialogbereitschaft wirklich aussieht.

  • "Gerade an Universitäten sollte das stärkere Argument zählen – und nicht das lautere Geschrei, ... Für das Leid in Gaza trage die islamistische Hamas die Verantwortung. Deutschland habe eine besondere Verantwortung gegenüber Israel. Selbstverständlich könne sich auf die Meinungsfreiheit auch berufen, wer mit dieser Haltung nicht einverstanden sei."

    Ähm, wenn man sich perfekt in seiner "Argumentation" einmauert, ich übersetze mal: das stärkere Argument zählt aber w i r sind am Ende trotzdem immer nur mit einer Seite. der immer gleichen. die Partei die Partei die hat immer recht. Da kann man sich auch gleich alle Argumentation sparen. Diese intellektuelle Bequemlichkeit ja Taubheit ist fatal und sie ist nicht nur bei Herrn Buschmann sondern bei so vielen Amtsträgern, Talkshowhosts zu besichtigen. Den würde allen noch mal ein Seminar in Logik, Schlusstechniken guttun. Wirklich denken haben so viele nicht gelernt, deshalb lassen sich auch so viele mit als wahr angenommenen "Fakten" ohne sie näher zu prüfen abfüttern auf denen Sie dann wieder ihre "Argumente" aufbauen.

    deshalb sind viele auch hilflos und fragen nicht nach wenn Herr Minister verfügt Slogan X sei nur so zu verstehen

  • Warum soll eigentlich mit Supportern von Klerikal-Faschisten diskutiert werden???

  • Traurig, und unverständlich dieses Vorgehen der Polizei gegen Propalästinensische Studenten, die gegen das brutale, unmenschliche israelische Vorgehen in Gaza demonstrieren. Die aktuelle Katastrophe wurde auch verursacht durch die blinde westliche und da vor allem amerikanische und deutsche Unterstützung Israels, der Duldung der illegalen Besatzung und Besiedelung der 1967 eroberten Gebiete, der Gewalt und Unterdrückung gegen deren palästinensische Einwohner. Ich wünsche mir in allen deutschen Städten viel mehr friedlichen Protest gegen israelische Politik und Kriegsverbrechen. Man sollte sich ein Beispiel an der Bewohnern, der von der faschistischen Luftwaffe zerstörten Stadt Guernica nehmen, die auf Ihrem Stadtplatz eine riesige Flagge Palästinas nachbildeten.

    • @Fritz Hampel:

      Sie haben aber schon auf dem Schirm, dass sich Israel 2005 aus dem 1967 besetzten Gazastreifen zurückgezogen hatte?

      Der Angriff der Hamasterroristen fand auf israelischen Territorium statt. Dabei mordeten und vergewaltigten die Hamasterroristen.

      Der Krieg in Gaza könnte sofort enden. Die Hamasterroristen müßten die Geiseln freilassen aber auf die Idee kommen weder sie noch die Studenten.

      • @Gesunder Menschenverstand:

        "Der Krieg in Gaza könnte sofort enden. Die Hamasterroristen müßten die Geiseln freilassen"

        Netanyahu hat diese Option selbst ausgeschlossen. Die in den Tunneln gefangenen Geiseln freizubomben ist ohnehin die Taktik eines verrückten Hasardeurs. Das sehen die Angehörigen der Geiseln inzwischen genauso. Nicht wenige Geiseln sind auf diese Weise schon umgekommen.

        Die Belagerung Gazas ist die Fortsetzung der Besatzung mit anderen Mitteln, das sollte sich inzwischen herumgesprochen haben.

  • Frau Präsidentin sagte im Inforadio, man habe es mit zwei Gruppen zu tun gehabt. Die eine sei nicht gesprächsbereit gewesen und habe die Uni mit roten Hamas-Zielmarkierungen geschmückt.

    Man habe mit der anderen Gruppe der "Studierenden", also der, die nur "From the River, to the Sea" ruft, gesprochen.

    Das ist wie mit der AfD, da sind auch nicht alle Nazis.

    Dann sagte sie mit brüchiger Stimme, der Räumungsbefehl sei ganz von oben gekommen.

    Und was machen die "Studierenden" eigentlich am Abend, wenn sie in der Kneipe sitzen? Sind sie dann "Trinkende"?

    Alma Mater, 2024.

    • @Jim Hawkins:

      Oh, das war beileibe nicht alles (wie man in dem ausführlichen Interview hören konnte)! Man habe auch ein verständnisvolles Pläuschchen zu Sachthemen gehabt, die einen so umtreiben angesichts dessen, wa hier abgeht. Das Thema, was man ausführlich ausgekaspert habe und bei dem man sich einig war, sei — und ich glaubte meinen Ohren nicht — die Untauglichkeit der Antisemitismus --Definition! Ich muss zugeben, ich bin seitdem ich das gehört habe fassungslos.

  • Dass man die Waffen dringender der Ukraine senden sollte als einer israelischen Regierung, die sich selbst verteidigt, aber sicher nicht ihr eigenes Land durch Vertreibungen, Zerstörungen und Aushungern, ist offensichtlich - und das hat die Bundesregierung inzwischen wohl auch verstanden, wenn man auf die Entwicklung der Genehmigungen blickt.



    Warum soll ein Protest das nicht fordern, oder gleiche Rechte oder die seit 1947 überfällige Schaffung eines Staates Palästina?



    Warum soll sich ein herumschlingernder Wegner da einmischen, nur um mal wieder die lokalen Boulevardmedien mit Schlagseite zu bedienen?

    Natürlich müssen gleichzeitig auch die Protestierenden nicht zwangsläufig eine Uni besetzen. Eine Mahnwache vor der israelischen Botschaft, der Springerpresse und dem Kanzleramt gäbe es auch.

    • @Janix:

      Der UNO-Plan von 1947 zur Schaffung von zwei Staaten wurde von den Arabern abgelehnt.

      Die Araber begannen 1948, als der israelische Staat gegründet wurde, einen Krieg gegen Israel.

      Die Araber hätten 1948 einen palästinensischen Staat gründen können aber sie wollten die Vernichtung Israels.

    • @Janix:

      Warum müssen Besetzende Sachbeschädigungen begehen? Hat nix mit ihrer Forderung zu tun!

  • Es ist unerträglich anzusehen, wie sog. Intellektuelle derart undemokratische und hetzerische Kampagnen unterstützen. Antisemitismus und Antizionismus in Reinform, unterstützt durch links. How Nazi ist das denn?

    • @NorbertKa:

      Volle Zustimmung