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Gastkommentar Fall KhashoggiSaudische Diplomaten ausweisen

Kommentar von Guido Steinberg

Der Westen muss auf das Verschwinden des saudischen Regimekritikers Khashoggi entschlossen reagieren. Die Sicherheit in Nato-Staaten hat Vorrang.

Was geschah hinter den Türen? Das Konsulat von Saudi-Arabien in Istanbul Foto: ap

E s bestehen kaum noch Zweifel daran, dass die saudi-arabische Regierung für die Entführung oder Ermordung des Journalisten und Regimekritikers Jamal Khashoggi in Istanbul verantwortlich ist. Trotzdem beschränken sich die Reaktionen westlicher Regierungen auf mehr oder weniger entschlossen formulierte Forderungen nach Aufklärung.

Dies drängt den Vergleich mit dem Fall des russischen Ex-Geheimdienstlers Sergej Skripal auf, der im März 2018 im britischen Salisbury zum Opfer eines gescheiterten Mordversuchs wurde. Großbritannien und seine Verbündeten machten die Führung in Moskau verantwortlich und wiesen zahlreiche russische Diplomaten aus.

Dass eine ähnlich entschlossene Reaktion auf das Verbrechen im Nato-Land Türkei bisher ausblieb, geht auf den fehlenden politischen Willen der Türkei, der USA und anderer Staaten zurück, die weiter auf enge Beziehungen zu Saudi-Arabien setzen. Für die US-Regierung ist Riad ein zentraler Verbündeter im Konflikt mit Iran, für die Türkei ein finanzstarker Investor, für die Europäer ein reicher Absatzmarkt.

Saudi-Arabien ist auch für die deutsche Politik im Nahen Osten zentral. Nur wenige Tage vor Khashoggis Verschwinden hatte es das Auswärtige Amt mühevoll geschafft, eine kleine diplomatische Eiszeit zu beenden. Die Aussöhnung könnte nun in Gefahr geraten, denn das deutsche Interesse an engen Beziehungen zu Riad kollidiert mit der Notwendigkeit, auf den Fall Khashoggi zu reagieren.

Guido Steinberg

Guido Steinberg forscht zum Nahen/Mittleren Osten und Afrika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen

Der Westen muss reagieren – er kann nicht dulden, dass Diktatoren in EU- und Nato-Staaten ungestraft Oppositionelle und Kritiker verfolgen, entführen und ermorden. Angemessen wäre es, wenn alle Nato-Staaten wie im Fall Skripal saudi-arabische Diplomaten ausweisen. Glaubt man den Ankündigungen aus Riad, würde dies zu einer schweren Krise in den Beziehungen führen.

Das muss in Kauf genommen werden, denn das deutsche Interesse an der inneren Sicherheit in den Nato-Staaten ist größer als das an engen Beziehungen zu Saudi-Arabien.

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10 Kommentare

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  • Also ich habe die Beweise nicht, haben Sie die?

  • Hallo? TAZ? Geht's noch?!

    Die "innere Sicherheit" ist also der Grund, dass die Bundesregierung aktiv werden soll, nicht etwa solches Gedöns wie Menschenrechte, Pressefreiheit etc?

  • "Dies drängt den Vergleich mit dem Fall des russischen Ex-Geheimdienstlers Sergej Skripal auf"

    Tut es nicht. Aber durch Wiederholung von Behauptungen wird Geschichte konstruiert.

    In der Skripal-Affäre ging es darum, Russland zu schaden, Beweise wurden bis heute keine vorgelegt.

    Hier geht es wohl nicht darum, Saudi-Arabien zu schaden. Es gibt kein Motiv und keine feindliche Allianz.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @uvw:

      Ach Gottchen. Immer noch die alte Russia-Today-Leier von der verfolgten Unschuld ?



      Naja, immerhin einer, der den bizarren Unsinn noch glaubt.



      Jaja, die beiden GRU-Agenten, äh sorry, ich meine natürlich Verkäufer von Sportlernahrung Alexander Mischkin und Anatoli Tschepiga, äh sorry, ich meinte natürlich die Herren Alexander Petrow und Ruslan Boschirow sind für ein paar Tage nach Großbritannien eingereist, um als Touristen "das wunderschöne Salisbury und seine weltberühmte Kathedrale" zu besuchen.



      Was soll man auch sonst machen in GB, wenn man zwei Tage Zeit hat ?

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @60440 (Profil gelöscht):

        ...und? Haben Sie Beweise?

  • Es wäre tatsächlich an der Zeit, dass die westlichen Staaten und die NATO endlich ein echtes Zeichen setzten.



    Kronprinz Mohammed (ein guter Name, für grosse Unternehmungen) ist ein typischer Potentatensohn, von denen es in der arabischen Welt immer wieder welche gibt. Man erinnere sich an die Söhne von Saddam Hussein oder Muammar al-Gaddafi. Diese Söhne fühlen sich unantastbar und sie sind - zumindest in ihrem Land- unantastbar. Sie können jemanden vor Zeugen erschiessen und es geschieht ihnen nichts. Das Mordkommando in Istanbul spiegelt exakt diese Unantastbarkeit wider.



    Trotz aller vermuteten Grausamkeiten bei diesem Mord, ist das was der Mann sonst noch so treibt viel schlimmer. Er baut gnadenlos seine Alleinherrschaft aus, führt Krieg in Jemen gegen den Iran, versucht die Saudische Vormachtstellung im Nahen und Mittleren Osten zu erreichen und was er bei 16! geplanten Atomkraftwerken will, ist m. E. auch klar (hört man jemanden "Gefahr, unantastbarer Diktator" schreien?). Zudem ist er ein fleissiger Waffenkäufer.



    Spätestens nach diesem Mord ahnt man, dass er vor nichts zurückschreckt und alles und jeder ihm weichen muss.

    Kommt es zu einem direkten Konflikt zwischen Iran und Saudi Arabien, explodiert die ganze Region. Es wird ein Kampf zwischen Sunniten und Schiiten sein. Neben dem Iran und Irak, die Schiitische Mehrheiten haben, gibt es vermutlich kaum ein Land dort, dass nicht eine grössere oder kleinere schiitische Minderheit hat und sei es auch nur die regierende Elite wie in Syrien.



    Die Russen helfen dem Iran, die Amerikaner den Saudis ...



    So ein Szenario will sich ja kein Mensch vorstellen.

  • Je mehr man sich mit der Story beschäftigt, umso merkwürdiger wird sie. Was fast nirgens erähnt wird: Der angeblich vermisste Khashoggi ist kein amerikanischer Staatsbürger sondern Türke mit Wohnsitz in den USA. Er war auch primär kein echter Journalist, sondern vielmehr ein hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter, der für die saudische Regierung arbeitete. Er war außerdem ein enger Freund von Osama bin Laden und ist der Neffe von Adnan Khashoggi1). Sein Onkel war ein berüchtigter Waffenhändler mit Verbindungen zur Iran–Contra Skandal2). Er war der Mittelsmann zwischen den USA und Iran. Also was wird hier wirklich gespielt? Wo sind die Beweise und wer glaubt mit diesen Zusatzinfos noch an Zufälle? Hier wird vor unseren Augen Geopolitik gemacht, wahrscheinlich mit einer (weiteren) Täuschung!

    1) en.wikipedia.org/wiki/Adnan_Khashoggi



    2) de.wikipedia.org/w...Contra-Aff%C3%A4re

  • Die „westlichen Werte“ - also nicht zuletzt saudisches Öl und saudisches Geld - werden doch durch das Verschwinden des saudischen Regimekritikers Khashoggi nicht verletzt.



    Diese Bundesregierung wird sich ihre langjährigen Rüstungsgeschäfte mit den Saudis doch wegen so eines Einzelfalls, der bedauerlicherweise bekannt wurde, nicht verhageln lassen. Wovon träumt ihr eigentlich nachts?

  • Ob unsere Groko Regierung hier tätig wird darf bezweifelt werden, da unser Land leider in zu großen wirtschaftlichen und energiepolitischen Abhängigkeiten steckt; ÖL, Panzer, und vieles mehr.



    Das ein Hr. Trump und ein Hr. Erdogan untätig sind, liegt nicht nur an den wirtschaftlichen Verstickungen, sondern auch an deren gelebten moralischen Wertvorstellungen.

  • "Nur wenige Tage vor Khashoggis Verschwinden hatte es das Auswärtige Amt mühevoll geschafft, eine kleine diplomatische Eiszeit zu beenden."



    Ja, wir erinnern uns. Maas hat immer noch eine braune Brille. Er entschuldigte sich bei seinem saudischen Amtskollegen für die ehrlichen Worte, die sein Amtsvorgänger Gabriel über das "außenpolitische Abenteurertum" der Saudis geäußert hatte. Zu Unrecht wie wir jetzt wissen.



    Es ist nicht die innere Sicherheit von NATO-Staaten sondern die von bin Salman schon über Jahre betriebene Destabilisierung des Nahen und Mittleren Ostens, die uns Sorgen bereiten sollte.