G20-Gegner Fabio V. ist frei: Winter in Hamburg

Nach fast fünf Monaten wurde der 18-jährige Italiener Fabio V. heute aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Prozess wird noch Monate dauern.

Porträt Fabio V.

Der Angeklagte Fabio V. Foto: Miguel Ferraz

Hamburg taz | Es war ein herzlicher Empfang: Nach fast fünf Monaten ist der 18-jährige italienische G20-Gegner Fabio V. am Montag aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Vor dem Gericht erwarteten ihn etwa 50 Freund*innen und Unterstützer*innen mit Sekt, italienischem Pan d'oro, Umarmungen und Solidaritätsbekundungen. V. bedankte sich für die Solidarität, ließ sich fotografieren und sagte „Es geht mir gut.“

Über seine Haftverschonung hatte das Oberlandesgericht schon am Freitag entschieden – allerdings so spät am Nachmittag, dass seine Verteidiger*innen die Entlassung nicht mehr vor dem Wochenende und dem heutigen Gerichtstermin organisieren konnten. Die Richter*innen haben hohe Auflagen verhängt: V. muss sich drei Mal pro Woche bei der Polizei melden.

Außerdem mussten seine Anwält*innen die 10.000 Euro Kaution, die V.'s Mutter bereits eingezahlt hatte, auf seinen Namen umschreiben. Das hängt mit den Prozesskosten zusammen: Sollte V. verurteilt werden und damit die Kosten des Verfahrens tragen, könnte das Gericht die Kaution, wenn sie auf seinen Namen vorliegt, gleich einbehalten. Ansonsten dürfte es schwierig werden, von einem Heranwachsenden mehr als 10.000 Euro zu bekommen.

Den Winter werden V. und seine Mutter, die aus dem norditalienischen Bergstädtchen Belluno kommen, in Hamburg verbringen müssen – der Prozess wird sich noch bis Mitte Februar hinziehen. Auf die Frage der Richterin, wie viele Termine die Verteidiger*innen noch für nötig hielten, sagte V.‘s Anwältin Gabriele Heinecke heute, beim fünften Prozesstermin: „Die Verteidigung hat ja noch gar nicht richtig angefangen zu verteidigen.“ Heinecke und ihr Kollege Arne Timmerman gehen nicht davon aus, dass ihr Mandant sich überhaupt strafbar gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft hingegen wirft ihm schweren Landfriedensbruch, versuchte gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vor.

Nicht am Tatort gesehen

V. war am 7. Juli zusammen mit 74 anderen G20-Gegner*innen in der Straße Rondenbarg festgenommen worden. In einer Gruppe von 200 Menschen waren sie zuvor vom Camp im Volkspark Richtung Innenstadt gezogen und nach kurzer Zeit auf mehrere Polizeieinheiten gestoßen.

Aus der Menge der G20-Gegner*innen flogen Steine und Pyrotechnik in Richtung der Polizist*innen. Die stürmten daraufhin los und zerschlugen binnen Sekunden die Demo. In Panik versuchten einige Demonstrant*innen, über ein Gitter auf einen Parkplatz zu fliehen. Das Gitter brach ab, 15 Menschen stürzten in die Tiefe und verletzten sich zum Teil schwer.

Bisher konnte aber noch kein Zeuge V. direkt belasten, weil ihn niemand am Tatort gesehen hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm auch gar nicht vor, selbst Gewalt verübt zu haben. Der Vorwurf an ihn lautet lediglich, dabei gewesen zu sein. Als Indizien dafür führt sie, neben dem Ort seiner Festnahme, seine szenetypische Kleidung und eine „Vernetzung mit der linksradikalen Szene“ an.

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie und Amnesty International kritisieren den Fall. „Letztlich läuft das auf eine Aushöhlung des Demonstrationsrechts hinaus“, sagte Michèle Winkler, die den Prozess für das Grundrechtekomitee beobachtet. Amnesty International hat vergangene Woche V.'s sofortige Freilassung gefordert und schrieb in einer Stellungnahme: „Niemand darf in Kollektivverantwortung für die Gewalt beim G20-Gipfel genommen werden, wenn es keine individuellen Beweise gibt.“

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