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Fußball in Corona-ZeitenDie wollen nur Spiele

Martin Krauss
Kommentar von Martin Krauss

Spiele absagen will die Deutsche Fussball-Liga inmitten der Coronavirus-Ausbreitung nicht. Was fernab der Stadien passiert, ignoriert sie gern.

Blick auf die Zuschauerränge beim Spiel AC Mailand gegen FC Genua in Mailand am 8. März Foto: Daniele Mascolo/reuters

G erade wurde noch über Spielabbrüche diskutiert, schon weiß Fußballdeutschland, dass trotz Corona weiter gekickt werden muss: Die Meisterschaft findet statt, der enge Terminplan wird gehalten! Auf Fans können die Klubs vielleicht verzichten, aber ansonsten gilt: „The games must go on!“ Dieser Satz wurde hierzulande schon immer als eine Art moralischer Imperativ verstanden.

Mit dem, was außerhalb des Stadions, der Turnhalle oder des Schwimmbeckens passiert, will und wollte der deutsche Sport noch nie viel zu tun haben: Wir sind unpolitisch, wir geben uns selbst die Regeln. So sieht man sich selbst, so hat man jahrzehntelang jede Beschäftigung mit gesellschaftlichen Phänomenen wie Rassismus und Rechtsextremismus verweigert, und als das Coronavirus schon so verbreitet war, dass bereits die großen Handelsmessen abgesagt wurden, kickte die Bundesliga weiterhin ihren Spielplan runter, als habe es außer Plakaten gegen Hoffenheims Finanzier nichts gegeben.

Noch am Wochenende waren viele Fußballklubs der Meinung, dass auf den Klos ausgehängte Zettel, wie man sich die Hände wäscht, genügen, wenn Zehntausende Menschen auf engstem Raum zusammenkommen. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) diskutiert gerade über mögliche Geisterspiele, also Partien ohne Zuschauer. Damit könnte sich die DFL sogar anfreunden, denn das Problem der Fanproteste wäre verschoben: Wo keine Zuschauer rein gelassen werden, können auch keine frechen oder rassistischen Transparente entrollt werden. So ärgerlich vielleicht der Verzicht auf – relativ betrachtet, gar nicht mehr so wichtige – Zuschauereinnahmen wäre: Zwei Vorteile hätte eine solche Anordnung für DFL und Klubs schon: Zum einen wären sie selbst nicht schuld, es wären ja behördliche Anweisungen; zum anderen flössen die übrigen Gelder weiter.

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In Italien, wo aufgrund der hohen Zahl der Erkrankten sich der Staat gar nicht mehr leisten kann, nur noch Empfehlungen à la Jens Spahn abzugeben, hat sich die Profiliga auf Geisterspiele geeinigt. Der Spielbetrieb findet also statt, die Gelder fließen. Weder in Italien noch in Deutschland denkt man daran, Spiele abzusagen – wie es in der Schweiz geschehen ist. Dass weiter gekickt wird, wenn auch vor leeren Tribünen, empört Italiens Sportminister: Die Funktionäre hätten wohl den Ernst der Lage nicht begriffen, auch Profifußballer könnten sich infizieren: „Worauf warten wir denn noch? Auf den ersten Infektionsfall in der Serie A?“

Hierzulande ist es ähnlich: Auf Fans kann der Fußballbetrieb verzichten, aber doch nicht auf Fernseh- und Sponsorengelder.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte
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9 Kommentare

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  • Die behördlichen Verbote auf den einzelnen Ebenen (Bund, Land, Kreis, Kommune) können nur durch die jeweiligen Verantwortlichen ausgesprochen werden. Föderalismus.



    Die Folge ist dann, dass den Veranstaltern (Verbände und Vereine) der Zugang zu den öffentlichen Ressourcen und organisatorischen Maßnahmen, die vorgeschrieben sind, wie Stadien, Bundes- und Landespolizisten zur Sicherung der Zugangswege, Rettungsdienste, Sanitäter, Rotes Kreuz u.v.m nicht mehr zur Verfügung stehen.

    Es ist dann schlicht nicht mehr möglich.

    Die Verbote kamen aber viel zu spät und nicht durchgängig präventiv sondern immer nur reaktiv - also im Nachhinein, wenn die Dynamik bereits fortgeschritten war.

  • Das schöne an Dortmund ist ja, die sind neh KGaA, Auswirkungen solcher Art muss man den Aktionären kommunizieren, hat man auch schon gemacht.

    Dortmund rechnet pro Geisterspiel mit einem finanziellen Schaden vor Steuern zwischen 2,5 und 3,0 Mio EUR pro Spieltag.

    m.onvista.de/news/...-deutsch-336334377

    Die KGaA hat letztes Jahr lt. veröffentlicht Bilanz einen Jahresüberschuss von 25,84 Millionen Euro erwirtschaftet, das stürzt die nicht in Liquiditätsnöte, aber es versaut das Jahresergnis.

    Und der Sport ist nicht immer unpolitisch, es darf halt nur nicht mehr als symbolische Beträge kosten oder geschäftsschädigend sein.

  • Spahn Regierungsverantwortung ist jetzt ein MUSS







    Der SC Freiburg hat den Verkauf von Karten eingestellt, nimmt gekaufte zurück und erstattet Dauerkarteninhabern den anteiligen Betrag.

    Hallo Bundesliga, GEHT DOCH !

    Das benachbarte Elsaß jenseits des Rheins ist wegen einer religiösen Großveranstaltung zum Sperrgebiet erklärt worden.



    Das waren sicher keine 24.000 wie im Schwarzwaldstadion - oder 58.000 in Mönchengladbach beim Kreis Heinsberg.

    Warum überlässt es der deutsche Gesundheitsminister



    den bilanzorientierten Vereinsvorständen,



    ob sie ein Spiel absagen oder nicht ?

    Eindeutige Verbote durch den Regierungsverantwortlichen



    wie in der Schweiz und Italien



    sind jetzt das Gebot der Stunde.

    SOFORT, Herr Spahn.

    • @unSinn:

      Weil das die Gesetzeslage ist, für Absagen ist die jeweilige Kommune zuständig, nicht das Bundesgesundheitsministerium.

      Etwas anderes wäre es, wenn die DFL absagen würde oder ohne Zuschauer spielt. Wenn die DFL aber freiwillig absagt, begibt sie sich in mögliche Haftungsrisiken, das will Sie nicht.

      Die Stadt Magdeburg hat übrigens Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Leuten untersagt, das gilt also auch für das Spiel des FCM am Wochenende.

      www.liga3-online.d...h-absage-moeglich/

  • Das Risiko für Fußballer ist jetzt auch nicht größer als für die anderen 99% der Menschen in Deutschland.

    Sollen etwa auch alle anderen Menschen in Deutschland ihre Arbeit einstellen? Bauarbeiter,Verkäufer, Büroangestellte? Wohl kaum.

    Unnötige Menschenansammlungen reduzieren ist vernünftig. Geisterspiele sind ein guter Kompromiss. Ein paar Leute, die im Freien Fussball kicken, sind nicht in unmittelbarer Gefahr.

    Eher schon alle, die dicht gedrängt den ÖPNV nutzen (müssen).

  • „Spiele absagen will die Deutsche Fußball-Liga inmitten der Coronavirus-Ausbreitung nicht“



    Na und? Hat damit jemand ein Problem? In jedem Fall müssen doch die Zuschauer eigenverantwortlich entscheiden, ob sie hingehen und das Risiko eingehen wollen. Schadenersatz gibt es im Fall des Falles bestimmt nicht.



    Eine andere Sache ist das mit den teuer eingekauften, hochgezüchteten Fußballprofis. Dieses Risiko müssen die Spieler und die Vereine selbst tragen.

    • @Pfanni:

      Die DFL ist nur begrenzt zuständig - also nur so lange, wie kein behördliches Verbot ausgesprochen wurde.

      Danach hat sie nix mehr zu melden.

      In 7 Bundesländern sind aktuell alle Großveranstaltungen über 1000 Besucher verboten.

      Gilt dort auch für die DFL!

      Wenn nun ein Bürgermeister einer Kommune ein Spiel verbietet, hat die DFL auch keine Möglichkeit mehr.

  • Na ja. Dann müssen wir auch Supermärkte, Friseure, etc. schließen und für (mindestens) zwei Wochen Deutschland in Quarantäne schicken. Danach lassen wir die nächsten zwei Jahre niemanden einreisen.

    Natürlich geht es um Geld. Und jetzt? Beim Supermarkt geht es auch ums Geld und beim Friseur,... Wieso sollten die Profifußballer nicht weiterspielen, wenn man noch zum Friseur gehen kann? Eine höhere Ansteckungsgefahr besteht beim Fußballspielen wohl nicht.

    • @Strolch:

      Das kumulierte Risiko ist besonders hoch:

      Vor allem wenn die Akteure vor dem Spiel noch die Locken legen lassen und neues Gel auftragen.