Fußball in Corona-Zeiten: Die wollen nur Spiele
Spiele absagen will die Deutsche Fussball-Liga inmitten der Coronavirus-Ausbreitung nicht. Was fernab der Stadien passiert, ignoriert sie gern.
G erade wurde noch über Spielabbrüche diskutiert, schon weiß Fußballdeutschland, dass trotz Corona weiter gekickt werden muss: Die Meisterschaft findet statt, der enge Terminplan wird gehalten! Auf Fans können die Klubs vielleicht verzichten, aber ansonsten gilt: „The games must go on!“ Dieser Satz wurde hierzulande schon immer als eine Art moralischer Imperativ verstanden.
Mit dem, was außerhalb des Stadions, der Turnhalle oder des Schwimmbeckens passiert, will und wollte der deutsche Sport noch nie viel zu tun haben: Wir sind unpolitisch, wir geben uns selbst die Regeln. So sieht man sich selbst, so hat man jahrzehntelang jede Beschäftigung mit gesellschaftlichen Phänomenen wie Rassismus und Rechtsextremismus verweigert, und als das Coronavirus schon so verbreitet war, dass bereits die großen Handelsmessen abgesagt wurden, kickte die Bundesliga weiterhin ihren Spielplan runter, als habe es außer Plakaten gegen Hoffenheims Finanzier nichts gegeben.
Noch am Wochenende waren viele Fußballklubs der Meinung, dass auf den Klos ausgehängte Zettel, wie man sich die Hände wäscht, genügen, wenn Zehntausende Menschen auf engstem Raum zusammenkommen. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) diskutiert gerade über mögliche Geisterspiele, also Partien ohne Zuschauer. Damit könnte sich die DFL sogar anfreunden, denn das Problem der Fanproteste wäre verschoben: Wo keine Zuschauer rein gelassen werden, können auch keine frechen oder rassistischen Transparente entrollt werden. So ärgerlich vielleicht der Verzicht auf – relativ betrachtet, gar nicht mehr so wichtige – Zuschauereinnahmen wäre: Zwei Vorteile hätte eine solche Anordnung für DFL und Klubs schon: Zum einen wären sie selbst nicht schuld, es wären ja behördliche Anweisungen; zum anderen flössen die übrigen Gelder weiter.
Empfohlener externer Inhalt
In Italien, wo aufgrund der hohen Zahl der Erkrankten sich der Staat gar nicht mehr leisten kann, nur noch Empfehlungen à la Jens Spahn abzugeben, hat sich die Profiliga auf Geisterspiele geeinigt. Der Spielbetrieb findet also statt, die Gelder fließen. Weder in Italien noch in Deutschland denkt man daran, Spiele abzusagen – wie es in der Schweiz geschehen ist. Dass weiter gekickt wird, wenn auch vor leeren Tribünen, empört Italiens Sportminister: Die Funktionäre hätten wohl den Ernst der Lage nicht begriffen, auch Profifußballer könnten sich infizieren: „Worauf warten wir denn noch? Auf den ersten Infektionsfall in der Serie A?“
Hierzulande ist es ähnlich: Auf Fans kann der Fußballbetrieb verzichten, aber doch nicht auf Fernseh- und Sponsorengelder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja