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Fusion Festival will keine Polizei„Wir werden nicht kapitulieren“

Die Polizei will auf dem Gelände des linken Fusion Festivals eine mobile Wache errichten. Die Veranstalter*innen verweigern das.

„Ferienkommunismus“ ohne Polizei: Fusion Festival in Lärz Foto: dpa

Berlin taz | Seit über zwanzig Jahren treffen sich am letzten Wochenende im Juni zehntausende Menschen auf einem ehemaligen russischen Militärflugplatz in Mecklenburg-Vorpommern, um zu feiern. „Vier Tage Ferienkommunismus“, so nennen es die Veranstalter*innen des Vereins Kulturkosmos Müritz. Neben dutzenden Bühnen, auf denen vor allem elektronische Musik gespielt wird, gibt es Theater, Kinos und Diskussionsrunden. Seit über zwanzig Jahren stimmt die Polizeibehörde in Neubrandenburg dem Sicherheitskonzept des Fusion Festivals zu. Dieses Jahr nicht.

Die Behörde will auf dem Festivalgelände eine mobile Polizeiwache errichten. Da es sich um ein laufendes Verwaltungsverfahren handelt, will die Polizei diese Pläne nicht bestätigen. Doch Dokumente, die der taz vorliegen, belegen die Pläne der Wache. Zusätzlich teilte eine Polizeisprecherin mit: „Wir haben das vorgelegte Sicherheitskonzept des Veranstalter detailliert betrachtet und festgestellt, dass bundesweite Sicherheitsstandards nicht eingehalten werden.“

Für die Veranstalter der Fusion, ist es keine Option, dass die Polizei ununterbrochen auf dem Gelände unterwegs ist. „Uns ist es wichtig, dass die Gäste frei sein können auf unserem Festival. Die dauerhafte Anwesenheit der Polizei empfinden wir dabei als Repression“, sagt Jonas Hänschel vom Kulturkosmos Müritz zur taz. Sie seien bereit, ihr Sicherheitskonzept in allen anderen kritisierten Punkten zu verändern und die Polizei im Notfall auf ihr Gelände zu lassen. Ihr Kompromissvorschlag: Statt direkt auf dem Gelände sollten die Beamten eine Wache vor dem Gelände erhalten, für alle gut zu erreichen und genügend ausgeschildert.

Ein Kompromiss, den die Polizei nicht eingehen möchte. Neubrandenburgs Polizeipräsident Nils Hoffmann-Ritterbusch stimmt diesem Vorschlag nicht zu, da er unter anderem die Beteiligung „politischer, in Teilen hoch gewaltbereiter Personen“ erwarte. Das geht aus einem Schreiben des Polizeipräsidenten an das Ordnungsamt hervor.

Als friedlich eingestuft

Die Veranstalter halten die Mängel am Sicherheitskonzept für vorgeschoben. „Im letzten Jahr hat der gleiche Polizeipräsident das gleiche Sicherheitskonzept noch genehmigt. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Gäste, nicht mehr als 70.000, gleich geblieben und auch die Kriminalstatistik ist nicht gestiegen“, sagt Hänschel. Bei den Feststellungen der Polizei geht es im größten Teil um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und Verkehrsdelikte.

Obwohl also Veranstalter*innen und die Polizei die Großveranstaltung als friedlich einstuften, teilt die Polizei in einem Schreiben an die Veranstalter mit, dass sie das Einvernehmen zur Durchführung der Veranstaltung verweigert. Aufgeben wollen die Veranstalter aber nicht.

„Wir werden nicht kapitulieren. Jetzt geht es darum, für unser Festival zu kämpfen“, sagt Hänschel. Auf ihrer Seite rufen sie seit Sonntagmittag dazu auf, eine Petition mitzuzeichnen. Titel: „Für die Freiheit von Kunst und Kultur! Gegen anlasslose Polizeipräsenz auf friedlichen Kulturveranstaltungen!“. Falls die Polizeibehörde dem Sicherheitskonzept nicht zustimmt, wollen die Veranstalter vor Gericht ziehen. „Wenn sich diese Rechtsauffassung in Mecklenburg-Vorpommern als neuer Standard durchsetzt, steht die Zukunft des Festivals auf dem Spiel“, sagt Hänschel. Mit einer Polizeiwache auf dem Gelände wollen die Veranstalter*innen das Festival ab 2020 nicht mehr stattfinden lassen.

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19 Kommentare

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  • Ob dort nun eine Wache auf das Gelände soll oder nicht ist mir ehrlich gesagt egal. Ich kann des Polizeipräsi verstehen wenn er mehr Bzw überhaupt eine Präsens auf dem Gelände will. Es ist sein "Ar..." der abgeschossen wird wenn ja wenn was passiert. Und wenn dann der Veranstalter nur aus Angst davor seine kiffende und Pilze einwerfende Klientel zu vergraulen reflexartig die Polizei als inakzeptable Individuen abstempelt und verteufelt sollte man vielleicht einfach mal auf BEIDEN seiten die Scheuklappen ablegen und sich auf Augenhöhe begegnen und Argumente austauschen. Dieses stellt aber aus meinem Erleben die größere Schwierigkeit für den Veranstalter dar denn DIE KUNST STEHT ÜBER ALLEM

  • Wieso haben die Veranstalter was gegen Polizei? Sie ist schließlich Freund und Helfer, kein Feind.

    • @Lara Crofti:

      In deiner Welt vielleicht...



      Für viele Menschen (Papierlose, Drogenuser*innen, (links-)politisch Aktive, Arme etc.) ist die Polizei Feind und Henker und eben kein Freund und Helfer.



      Du befindest dich mit deiner platten Aussage in einer ziemlich privilegierten Position und weißt es wahrscheinlich nicht mal. In dieser Eigentumsordnung wird jede*r von der Polizei bekämpft der im großen wie im kleinen an dieser Ordnung rüttelt. Für viele ist das rütteln allerdings überlebens notwendig, damit sie nicht verhungern oder erfrieren. Die Polizei schützt die Interessen der Besitzenden im Kapitalismus und nutzt dabei sowohl sexistische als auch rassistische Strukturen in der Gesellschaft aus und verstärkt diese dadurch noch.



      Also in diesem Sinne: Für eine Fusion ohne die Feind*innen der Freiheit!

  • upps ..es muss BDS heissen. Entschuldigung.

  • @Jim Hawkins... schade häufig schätze ich ihre Kommentare.Eine Diskussion um die Beteiligung des BSD an dem Fusionfestival an einer anderen Stelle würde ich durchaus begrüssen. Jetzt gilt ist aber den Kulturkosmos e.V mit all den emanzipatorischen Gruppen , die diese Festival erst möglich machen, zu unterstützen.Herr Hoffmann-Ritterbusch stellt die Machtfrage - antworten wir ihnen mit beats gegen Repressionen.

  • die ländlichen regionen von mecklenburg-vorpommern haben ein naziproblem, aber der polizeipräsident stürzt macht es zur priorität, dass festivalbesucher sich beim kiffen verstecken? oder wollen die zehntausend leute, in ausnüchterungszellen verbringen?

  • Mit der Polizei kommt die Gefahr.



    Beispiel Duisburg:



    Die Polizei hatte einen wesentlichen Anteil am Zustandekommen der Massengedränge-Katastrophe von Duisburg.



    Es waren Polizeibeamte, die die dort den -sowiso schon viel zu schmalen- Zugang zum Gelände durch einen Mannschaftsbus und Gitter auf noch einmal ein Drittel reduzierten.



    Es war die Polizei, die /alle/ Seitenstraßen, Wege, Plätze vom Bahnhof zum Festival-Gelände absperrten und die Menschen regelrecht zu dem Gelände trieben.



    Es war schließlich ein Polizeiwagen, der sich mit Blaulicht durch die dichte Menschenmenge im Tunnel drängte, und den letzten Auslöser für die Katastrophe bildete.



    Und was niemals öffentlich wurde: Die Polizei hatte auf dem Festival-Gelände ein extra-einezäuntes Polizeilager mit mehreren Fahrzeugen einegerichtet, und dafür mehr als 10% des gesamten Geländes besetzt, welcher für die Menschen natürlich fehlte.



    Die Haltung der Fusion-organisatoren ist daher die einzige Richtige.

    • @Wagenbär:

      Es waren die Veranstalter die sich nicht im Vorfeld Gedanken über eine Notfallsituation gemacht haben es ist ja vorher auch nichts passiert.



      Aber es ist schon so wie es Bakuninsbart geschrieben hat. Mit einer uneingeschränkten Unvoreingenommenheit ALLEN Menschen gegenüber ist man hier bei euch sehr privilegiert unterwegs. #polizistensindmenschen

  • Gibt es derlei Wachen auch auf den Faschistenfesten?

  • Dass es nicht um angeblich mangelhafte Sicherheitsstandards geht, ist spätestens nach der Behauptung über politische, hoch gewaltbereite Personen klar. Es ist offensichtlich, dass dem Polizeipräsidenten eine Menge friedlich feiernder linker (sprich: unkommerziell antikapitalistisch, herrschaftsfrei und solidarisch) Menschen ein Dorn im Auge sind.

    70000 Menschen werden sich auch durch Verbote nicht davon abhalten lassen, selbstbestimmt und glücklich das zu zelebrieren, was ihre gelebte "Leitkultur" ist. Aber dann werden sie eben als kriminell behandelt.

    Sicherlich werden die Fusionauten auch mit Polizeipräsenz kreativ und mit friedlichem Protest umgehen können. Dennoch fürchte ich, dass auch eine bunte und phantasievolle "Begleitung" und Blockade der PolizistInnen vor Ort zu einer Überreaktion derselben führen kann, die dann aus einem seit Jahrzehnten friedlichen Ereignis eine gewalttätige Eskalation provozieren könnte.

    • @Brainbitch:

      "...die dann aus einem seit Jahrzehnten friedlichen Ereignis eine gewalttätige Eskalation provozieren könnte..."

      Vielleicht ist das ja die Idee?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Wer die Antisemiten von BDS willkommen heißt, könnte doch auch die Polizei zulassen.

    jungle.world/artik...-ferienkommunismus

    • @88181 (Profil gelöscht):

      95% dr Festivalbesucher halten BDS eh für ne Abkürzung für BDSM, deswegen, hm, evtl gibts auf dem Festival paar korrekte Isrealis die das ausdiskutieren ;) .



      Ansonsten ist bei elektronischer Musik spätestens da bei mir Schluß:



      www.youtube.com/wa...l9YTb93u8Q&index=6

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Hugo:

        Ja genau oder sie denken das sind neue Pillen.

        Was Deichkind angeht, fand ich jahrelang den Track mit Nina am besten.

        Dann kam das:

        www.youtube.com/watch?v=dapqMeQCdcs

        Und was Festivals angeht, da habe ich gute Erinnerungen an das Umsonst & Draußen in Fischbach am Bodensee 1979.

        Die Obrigkeit war völlig unvorbereitet und so konnte ein aus im Publikum gesammelten Dope ein ein Meter großer Joint gedreht werden, der dann stundenlang die Runde machte.

        Damals was das eine heiße Sache. Morgens um sechs haben dann die Hare Krishna die Bühne geentert und ihr Hare Rama gechantet oder wie man das nennt. Aber sie haben auch gutes Gratisessen verteilt.

        Anwesende Zivilpolizisten wurden robust vom Gelände befördert.

        Die Rache kam postwendend. Im Jahr darauf waren zwei Hundertschaften am Start und zeigten den Hippies wo der Hammer hängt.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Seit wann sind die Anhängder von BDS für ihre Gewaltvereitschaft bekannt? Bisher habe ich nur Proteste und Aufrufe gesehen, aber keinen Mob der "israelisch aussehende Deutsche" zu tode hetzt oder auch nur verprügelt oder in Sippenhaft nehmen will.

          Wie andere Gruppierungen in Deutschland. Woher kommt ihre Meinung einer gewaltbereiten BDS Bewegung?

          • 8G
            88181 (Profil gelöscht)
            @Sascha:

            Ich meinte nicht, dass BDS gewaltbereit ist, höchstens in Kombination mit dem extrem gewaltbereiten Jugendwiderstand. Die haben ja schön öfter den Saalschutz für gespielt.

            Sondern dass die Anwesenheit von BDS von aufgeklärten Linken genauso abzulehnen wäre wie die der Polizei.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Die Hare Krishna hatten in den 90ern u.a. mit denen noch mal sowas wie ein Aufmerksamkeitsrevival:



          www.youtube.com/watch?v=84Tr9Qy8aZU



          Ichsachmaso; so ein*e aufgeklärte*r Christ*in ist mir der angenehmere Zeitgenosse wie ein*e Person, wo mich die ganze Zeit mit der (schlechten) Karikatur einer indischen Sekte zuschwallert.



          Damit: "Verzicht auf Geschlechtsverkehr außer zur ehelichen Zeugung von Kindern, die krishna-bewusst erzogen werden" hamse was gegen Homosexuelle und allgemein ne Lustfeindlichkeit die sich noch nicht mal meine Kirche (die mit Hauptsitz Rom, bin halt gefirmt...) erlaubt...

          • 8G
            88181 (Profil gelöscht)
            @Hugo:

            Ok musikalisch haben sie wohl einen Erneuerungsprozess durchlaufen.

            Aber Leute, die mir an einem öden Ort wie einer Fußgängerzone fröhlich lachend entgegenkommen, können ja nicht ganz rund laufen.

            Ob das die sind, oder die ominösen Tierschützer mit ihren Gartenzelten, Jacke wie Hose, Hare wie Krishna.

            • @88181 (Profil gelöscht):

              Glücklicherweise sehen das fast alles aufgeklärten linken Juden anders. Ich persönlich bin der Meinung, dass Antisemiten, die Israel und Judentum nicht auseinander halten können, indem sie BDS zum Beispiel pauschal Antisemitismus vorwerfen, haben in der aufgeklärten Linken nichts zu suchen. Aber genau sowas wurde auf der Fusion ausdiskutiert. Toll.