piwik no script img

Frauenrechte in AfghanistanBildungsverbot für Frauen wird strenger

Afghanistans Taliban schließen auch medizinische Lehreinrichtungen für Frauen. Damit erlischt eine der letzten Möglichkeiten zur Hochschulbildung.

Frauen werden in einem Klassenraum einer Polizei-Kaserne zu Polizistinnen ausgebildet Foto: Oliver Weiken/dpa

Berlin taz | Die Taliban schließen eine der letzten Möglichkeiten für Afghaninnen, sich Hochschulbildung anzueignen – an medizinischen Lehreinrichtungen. Vizegesundheitsminister Bacht-ur-Rahman Scharafat gab diesen Beschluss des obersten Taliban-Führers Mullah Hebatullah Achundsada am Montag den Leitern der Institute bekannt, die dazu nach Kabul bestellt worden waren.

Das berichteten afghanische Medien am Dienstag unter Berufung auf mehrere Teilnehmer des Treffens, die anonym bleiben wollten. Fragen nach den Gründen habe der Vizeminister nicht zugelassen. Die Taliban bestätigten die Berichte bisher offiziell nicht.

Die Entscheidung soll mit sofortiger Wirkung in Kraft treten. Sie gelte für alle staatlichen und privaten Einrichtungen. Für Mittwoch und Donnerstag waren Semesterprüfungen für die Studentinnen angesetzt. Ob sie jetzt noch stattfinden, ist fraglich. In Afghanistan gibt es zehn staatliche sowie 164 private medizinische Lehreinrichtungen für Hebammen, Zahnärztinnen, Schwesternschülerinnen und Laborantinnen.

Eine der letzten Chancen auf Hochschulbildung

Dort konnten Frauen noch studieren und Professorinnen lehren. 60 Prozent der Stu­den­t*in­nen an den privaten Einrichtungen seien Frauen gewesen; ihre Zahl an den staatlichen Instituten ist nicht bekannt. Ärztin durften Frauen unter den Taliban schon vorher nicht mehr werden.

Vor fast zwei Jahren verwehrten die Taliban Frauen den Zugang zu Universitäten

Frauenrechtlerinnen verbreiten in sozialen Medien Berichte Betroffener. In einem heißt es: „Meine Klassenkameradinnen im Hebammeninstitut sind in einem schrecklichen Zustand. In unserer Chatgruppe beklagen sie die Tatsache, dass sie als Mädchen geboren wurden. Einige erinnern sich an die Opfer und Entbehrungen, die sie um der Bildung willen auf sich genommen haben.“ In einem Video hört man junge Frauen aus Protest singen.

Erst im Februar hatten die Taliban Frauen wieder zur medizinischen Ausbildung zugelassen. Damals wies das Gesundheitsministerium seine Außenstellen in den Provinzen an, Abiturientinnen dafür anzuwerben. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Taliban-Führung in Kandahar nun wieder einmal ein etwas pragmatischeres Ministerium in Kabul überstimmte.

Ähnlich vor dem endgültigen Verbot der Schulbildung für Mädchen ab Klasse 7 im März 2022: Das Bildungsministerium hatte damals nach der Winterpause das neue Schuljahr vorbereitet, und die Mädchen saßen in ihren Klassen, als der Erlass der Taliban-Führung eintraf. Vor fast zwei Jahren verwehrten die Taliban Frauen auch den Zugang zu den Universitäten.

Situation für Mädchen verschlechtert sich

Vor einer Woche schlossen örtliche Taliban-Behörden in der Zentralprovinz Bamian auch alle UN-geförderten Kurse für Mädchen unter Klasse 7, die in Folge von Kriegsschäden keinen Zugang zu regulären Schulen haben. Ähnliche Kurse, gefördert auch von ausländischen Hilfswerken, waren bereits in mehreren anderen Provinzen unterbunden worden, darunter in südafghanischen Taliban-Hochburgen.

Nach dem Erlass des sogenannten Tugendgesetzes im August habe sich die Situation für Mädchen im afghanischen Bildungssystem noch einmal verschlechtert, berichtete im November die exilafghanische Menschenrechtsorganisation Rawadari. So müssen sich in vielen Provinzen jetzt auch Dritt- bis Sechstklässlerinnen verschleiern.

Inzwischen gab Karim Khan, Ankläger am Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag, am Montag bekannt, dass der ICC „sehr bald“ Haftbefehle wegen möglicher Kriegsverbrechen in Afghanistan beantragen werde. Ermittlungen des ICC richteten sich auch gegen Taliban-Vertreter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Was versprechen sich die Herrschenden davon? Warum wird die Hälfte der Bevölkerung so schlecht behandelt? Irgendeinen Grund werden die Unterdrücker doch nennen.

  • Das dürfte doch auch bedeuten, dass Frauen irgendwann keine adäquate medizinische Behandlung mehr bekommen können. Es ist wohl kaum vorstellbar, dass ein männlicher Arzt in Afghanistan eine Frau untersuchen darf - und Ärztinnen wird es früher oder später nicht mehr geben.

  • Was für ein finsteres Mittelalter und alles im Namen Allahs. Aber gut, anscheinend gibt will man es dort nicht anders. Eigentlich ein ideales Land für all jene, die hier auf die Straße gehen um ein Kalifat zu fordern. Auf nach Afghanistan; dort wird man von Bildung ganz sicher nicht behelligt.

  • Wenn dieses Land die besten Fähigkeiten seiner besten Bürgerinnen so zurückstößt, wird es nie auf einen grünen Zweig kommen. Man könnte sagen, sie haben's verdient, aber das gilt nur für die Idioten, die das ins Werk setzen -- nicht für die Frauen, auf denen sie grundlos herumhacken.