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Frauenquote in der CDUMerz' Traum vom Kanzleramt

Lukas Wallraff
Kommentar von Lukas Wallraff

Lange war Basisversteher Friedrich Merz gegen eine Frauenquote in der CDU. Nun wird der Parteichef sie kaum noch verhindern – vor allem aus Machtkalkül.

Langsam, aber sicher wird Merz zum Quotenversteher Foto: Eventpress Golejewski/picture alliance

N a, wer hätte das gedacht? Die erste wichtige Entscheidung in der Ära des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz könnte die Einführung einer verbindlichen Frauenquote werden. Mindestens 50 Prozent aller Vorstandsposten in der Partei müssten dann von weiblichen Führungskräften besetzt werden. Was bis vor Kurzem ungefähr so realistisch klang wie die Abschaffung des Zölibats in der katholischen Kirche durch Papst Benedikt, ist seit diesem Dienstag sehr wahrscheinlich.

Ausgerechnet der langjährige Quotenskeptiker und große Basisversteher Merz hat den Wunsch der Quotengegner nach einer Mitgliederbefragung über die Quote abgelehnt. Damit bleibt bis auf Weiteres die Empfehlung des früheren CDU-Vorstands in Kraft, stufenweise eine 50-Prozent-Quote einzuführen. Ausgerechnet der Mann, der bei seiner eigenen Wahl noch so viel Wert auf die Meinung der einfachen Mitglieder legte, will jetzt lieber den Parteitag im September entscheiden lassen.

Wie das ausgeht, bleibt offen, aber von Merz gibt es bisher kein Nein und keinen Gegenvorschlag zur Quote, die er einst als „zweitbeste Lösung“ bezeichnet hatte. Es scheint ihm einfach keine bessere einzufallen. Langsam, aber sicher wird Merz zum Quotenversteher.

Aber verärgert er damit nicht seine treuesten Fans vom Wirtschaftsflügel und überhaupt alle konservativen Christdemokraten (hier absichtlich ohne *innen), die ihn gerade deshalb ins Amt gewählt hatten, weil er für eine Union ohne all das neumodische Zeugs mit Gendersternchen und Quoten stand?

Doch, viele in den männlich dominierten Kreisverbänden werden ziemlich sauer sein, wenn ihnen jetzt ausgerechnet unter Merz vorgeschrieben wird, was ihnen in all den Jahren unter Angela Merkel niemals zugemutet wurde: Frauen mit an die Macht lassen zu müssen! Wieder einmal wird die Sehnsucht nach der guten alten Zeit durch Pragmatismus im Hier und Jetzt enttäuscht. Merz setzt sich nicht an die Spitze der Quotenbewegung, das wäre dann doch eine zu krasse Wende.

Aber er scheint begriffen zu haben: Gerade weil Merkel nicht mehr da ist, kommt die CDU um eine Quote nicht mehr herum. Merkel und einige Ministerinnen haben den katastrophal niedrigen Frauenanteil von 26 Prozent in der CDU lange vergessen lassen. Mit dem alten weißen Mann Merz an der Spitze wird er wieder überdeutlich. Damit lässt sich vielleicht noch ein Ortsverein, aber beim besten Willen kein Staat mehr machen. Und da Merz insgeheim wohl immer noch vom Kanzleramt träumt, ist ihm ein mehrheitsfähiges Erscheinungsbild seiner Partei am Ende wichtiger als ein grantiges Aufstoßen an CDU-Stammtischen.

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Lukas Wallraff
taz.eins- und Seite-1-Redakteur
seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens
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9 Kommentare

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  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    "Was darf Satire?"



    Fragte vor über 100 Jahren schon Ignaz W., ein früher, gewissermaßen prähumer Verteidiger des Jan B., jenes in der Satiriker-Hierarchie (hier wörtlich gemeint und nicht inflationär vulgarisiert) einige Sprossen tiefer angesiedelten und Spießbürger-Gemüter ansiedenten Nachfahrn im Geiste.



    Wir kennen die ebenso kurze wie apodizierende Antwort des I.W. an den I.W. und alle Lebenden/Nachfahrenden.



    Und so darf auch die taz über die feuchten Träume des F.M. rumsatiren, was Papier und Internet aushalten.

  • Herr Merz ist für mich eine Frau von der Leyen in männlich, überaus karrierebeflissen, manipulativ, konfrontativ mit variierenden Inhalten, wenn nur die nächste Karriereleiter weiter nach oben führt. Es geht ihm nicht ums Land, es geht ihm um seine Macht mit wechselnden Heerscharen williger Mehrheitsbeschaffer und dabei werden die Interessen der amerikanischen Hochfinanz aber ganz genau durchbuchstabiert - ein Trump mit seriösen Ehrpusseligkeitsanstrich der Bruderschaften, der ein besonders streitbarer Oberstudienrat oder Professor sein will, aber nicht ist.

    Herrn Merz Beiträge (ob unter Merkel oder zu Zeiten der Corona-Krise) waren immer



    besonders verzichtbar.

  • Ja, um "Erscheinungsbild" der Partei wird es wohl gehen.



    CSU / CDU muss ja mit Etikettenschwindel arbeiten, um ihre neoliberale Klientelpolitik für eine sehr kleine (von weißen Männern dominierte ) sehr reiche Elite und trotz fehlenden Inhalten für die Mehrheit der Menschen doch als mehrheitsfähige Alternative zu inszenieren.

    • @Nilsson Samuelsson:

      "...mehrheitsfähige Alternative..."



      Ich mag mich irren, aber die Schwatten haben sich nach den letzten Wahlen durchaus als mehrheitsfähig gezeigt, und auch im Bund sind die Umfragewerte eher in dieser Richtung.



      Da braucht's gar keinen Quoten-Etikettenschwindel.

      • @Encantado:

        Das ist sicherlich so. Genau darum geht es ja beim Ettikettenschwindel - Mehrheitsfähig durch Etiketten statt durch Inhalte.



        Ist weiss, das CDU 16 Jahre in der Regierung saßen und dass ganz viele Menschen sie auch gewählt haben.



        Ihre Politik ist Klientelpolitik für eine sehr kline Elite - damit werben sie aber nicht, weil sie damit zu wenige Stimmen bekommen würden.

  • Populismus ist das halbe Überleben, in der 'neuen' CDU mit Politclown Günther sogar mindestens 60 % ! Aber auch Meister Habeck ist mit seinem Spiel mit den Medien, denen er auch einmal seinen mangelnden Realitätssinn im Sinne 'ich lerne gern dazu, jeden Tag' so offenherzig preisgibt. Finden sich Frauen da zurecht ? Am Beispiel Lambrecht zeigt sich deutlicher Widerwille, an ihrem Image als Problemlöserin arbeiten zu müssen, während es der Aussenministerin schon wichtig ist mit Hilfe der Regierungsflotte ihren Einsatz zu demonstrieren, auch wenn sie dabei zumindest bei Ihren Kolleg*innen in der EU noch auf relative Skepsis trifft. Ein/e Populist*in braucht Mitspieler*innen. Dazu gehört, vor einer Reise in andere Länder zu überprüfen, ob sie der/die Besuchte das herzliche Willkommen gegenüber einer forschen Deutschen überhaupt leisten kann....

  • Ich möchte nur anmerken, dass es auch konservative Christdemokratinnen gibt, die gegen eine Frauenquote sind. Das soll hier kein Ablenkungsmanöver sein, da die Gruppe an Männern mit den gleichen Einstellung wahrscheinlich sehr viel größer ist. Dennoch sollte man das Phänomen von frauenfeindlich eingestellten Frauen nicht pauschal von der Handweisen. Auch wenn es nicht Fokus dieses Artikels ist, wäre es schön dieses Phänomen wenigstens im Nebensatz zu abzureißen.



    Immerhin sind diese Frauen auch oft Strohmänner in Argumenten und aus sozialwissenschaftlicher Perspektive Beweise wie das Patriarchat gestützt wird und wie erfolgreich die Indoktrination funktioniert.

  • Träumen kann er ja. Aber für mich hat er sich für eine Kanzlerschaft als nicht kompetent gezeigt. Und zum Übernehmen der Ampel-Konzepte brauche ich auch keinen neuen Kanzler. Der sollte schon eigene alternative Konzepte haben!