Frankreichs Panzer für die Ukraine: Aus Afrikas Wüsten in den Donbass
Frankreich will als erstes westliches Land der Ukraine „leichte Kampfpanzer“ liefern. Der AMX-10 RC ist aus Mali bekannt.
![](https://taz.de/picture/6015057/14/31882826-1.jpeg)
Es geht um den AMX-10 RC aus den 1970er Jahren, ein bewährtes Gerät aus französischen Miliärinterventionen im Ausland. Der 16 Tonnen schwere Radpanzer mit drei angetriebenen Achsen und vier Mann Besatzung wurde einst konzipiert, um rasch angreifenden sowjetischen Panzerdivisionen in Deutschland entgegentreten zu können, deren Angriffsspitzen aufzuklären und hemmen zu können. Die deutsche Bezeichnung „Spähpanzer“ führt da in die Irre, da sie suggeriert, das Fahrzeug sei nur zu Aufklärungszwecken gedacht. Tatsächlich verfügt der AMX-10 RC über eine Kanone, mit der er beispielsweise russische Schützen- und Transportpanzer sowie T-62 Panzer und Infanterie bekämpfen kann, dazu zwei Maschinengewehre zum Nahkampf.
Die französische Armee hat den Panzer vor allem bei Afrika-Interventionen eingesetzt. Er war ein zentrales Element der französischen Rückeroberung des Nordens von Mali 2013 durch hochmobile französische Einheiten von bewaffneten Islamisten. Er ist immer wieder in der 2022 beendeten französischen Antiterroroperation „Barkhane“ in Mali in Erscheinung getreten.
In Afrika schätzen Regierungen den AMX-10 RC, weil kein anderer Panzer so problemlos große Entfernungen auch in schwierigem Terrain wie Wüste und Dschungel zurücklegt: bis zu 800 Kilometer ohne Auftanken mit bis zu 80 km/h. Frankreich hat ihn an Katar, Kamerun und vor allem nach Marokko exportiert, wo er zur Absicherung der besetzten Westsahara gegen die Polisario-Unabhängigkeitsbewegung eingesetzt wird.
Bleibt es bei den leichten Panzern?
Produzent des AMX-10 RC war der französische Wehrkonzern Nexter. Dieser bildet mit Deutschlands Panzerschmiede Krauss-Maffei Wegmann inzwischen den KNDS-Konzern, um das geplante deutsch-französische Landkampfsystem der Zukunft Main Ground Combat System zu entwickeln.
Der AMX-10 RC wird seit 2021 in Frankreich durch den Spähpanzer Jaguar ersetzt. Die französische Armee gibt an, noch über 248 AMX-10 RC zu verfügen. Sie sollen bis 2030 durch 300 Jaguar ersetzt werden. Bisher gibt es davon 18, so die französische Generaldirektion für Rüstung Ende 2022. Das heißt, die für die Ukraine zur Verfügung stehende Anzahl von AMX-10 RC dürfte zunächst überschaubar sein. Fraglich ist auch, ob es genügend Munition dafür gibt. Der AMX-10 RC nutzt eine 105-mm-Munition, die vom Nato-Standard bei diesem Kaliber abweicht.
Die angekündigte Lieferung belebt die Diskussion nach einer umfassenden Ausrüstung der Ukraine mit Panzern aus westlicher Herstellung. Diese wird von Experten vor allem aus zwei Gründen gefordert: Für mehr Offensivkraft, damit die Ukraine den russischen Aggressor aus dem Land treiben kann, und zum Ersatz der im Krieg schwindenden Bestände der Ukraine an Post-Sowjet-Ausrüstung, was einen Wechsel auf westliche Systeme unumgänglich macht.
In den USA diskutiert die Regierung die Lieferung von Schützenpanzern vom Typ Bradley. In Europa zirkuliert die Debatte um die Leopard-2-Bestände. Mit einem Anteil von fast 50 Prozent ist der Leopard-2 der häufigste Panzer in EU und Nato-Europa, so das Istituto Affari Internazionali in Rom.
Die Idee findet Fürsprecher in der Politik, wie die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP); die Bundesregierung verweigert sich jedoch mit dem Argument der Aufgabenteilung innerhalb von Nato und EU. In Absprache mit den Alliierten bediene Deutschland hier den Schwerpunkt Flugabwehr und Artillerie.
Grüne und FDP sind sich einig
Der grüne Vizekanzler Robert Habeck deutete am Donnerstag in Norwegen an, dass sich die Bundesregierung im Lichte der französischen Entscheidung bewegen könnte. „Das wird sicherlich auch Einfluss auf die deutsche Diskussion haben“, sagte er: „Wir werden unsere Lieferungen stets den Erfordernissen des Schlachtfelds anpassen.“ Der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter forderte: „Der Kanzler muss jetzt eine europäische Initiative starten zur Lieferung von Leopard-2-Panzern.“
Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock reiste am Donnerstag zum deutsch-britischen strategischen Dialog nach London und erklärte, sie werde mit ihrem britischen Amtskollegen James Cleverly besprechen, den Ukrainern „mit Waffen, mit Winterhilfe und mit Sanktionen zur Seite zu stehen, damit sie den Krieg gewinnen“. In einer Woche wird Baerbock gemeinsam mit ihrer französischen Amtskollegin Catherine Colonna nach Äthiopien reisen, wo zuletzt der blutigste Krieg der Welt tobte – der demonstrative Schulterschluss zwischen Deutschland und Frankreich soll nach Vorstellungen des Auswärtigen Amtes nicht auf Afrika beschränkt bleiben.
Ginge es nach Grünen und FDP, hätte die Bundesregierung der Ukraine wohl längst Marder-Schützenpanzer und Leopard-Kampfpanzer geliefert. Die Einwände kommen vom Bundeskanzler, gestützt von großen Teilen seiner SPD. Olaf Scholz betonte in den vergangenen Monaten immer wieder, dass bisher kein anderes Land vergleichbare Panzer westlicher Bauart geliefert habe. Im Umkehrschluss hat er sich damit von Entscheidungen des Auslands abhängig gemacht: Nehmen andere Staaten Lieferungen auf, ist sein Argument hinfällig. Eindeutig wäre das der Fall, wenn die USA Bradley-Schützenpanzer liefern. Beim französischen AMX-10 RC ist die Sache weniger eindeutig. Er gehört einer speziellen Kategorie an.
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