Fraktionsklausur: Die Grünen machen mobil
Im Havelland kommen die Grünen zu ihrer ersten Klausur als Regierungsfraktion zusammen. Sie reden über den Verkehr der Zukunft – und über sich selbst.
Neun Monate nach ihrem Wechsel von der Oppositions- auf die Regierungsbank geben sich die Grünen selbstbewusst. „Wir sind die Neuen, wir tragen die Rolle mit Stolz. Wir sorgen für frischen Wind“, sagte Fraktionschefin Silke Gebel bei der Klausur der Fraktion im brandenburgischen Sommerfeld. Die Grünen, so Gebel, „machen den Unterschied“.
Den Ort Sommerfeld kennen die Grünen schon von anderen Klausuren. Am Donnerstag und Freitag kamen die 27 Abgeordneten jedoch erstmals als Regierungsfraktion ins Havelland. Viel Raum nahm deshalb die Arbeit der drei grünen Senatorinnen und Senatoren ein.
Schwerpunkt bildete das Thema moderne Mobilität. „Die Städte wachsen, das Verkehrsaufkommen steigt, die individuelle Mobilität stößt an ihre Grenzen“, betonte Verkehrssenatorin Regine Günther am Freitag und richtete den Blick zunächst auf andere europäische Metropolen. „Moskau hat die jüngste ÖPNV-Flotte Europas, Paris hat das Seine-Ufer autofrei gemacht, London will, dass 2018 nur noch Elektrobusse und Hybridbusse fahren.“ Günther warnte davor, dass Berlin den Anschluss verliere.
Raum gerecht aufteilen
„Berlin hat einen Investitionsstau von 1,3 Milliarden Euro“, so die Senatorin. 70 Prozent der Brücken seien in einem „bescheidenen Zustand“, sagte Günther – und trat damit auch dem Eindruck entgegen, die Grünen täten nichts für Autofahrer. „Wenn wir da nichts machen, haben wir in einigen Jahren den GAU.“ Moderne Mobilität, das bedeute für die Grünen vor allem, die Straßen sicher zu machen und den Straßenraum gerecht aufzuteilen, betonte Antje Kapek, die gemeinsam mit Gebel die Fraktion leitet.
Einstimmig haben sich die 27 Abgeordneten der Grünen-Fraktion für eine Resolution gegen die Offenhaltung des Flughafens Tegel ausgesprochen. „Noch vor drei Monaten gab es in Umfragen eine deutliche Mehrheit für Tegel“, sagte Fraktionschefin Antje Kapek. „Heute stellen wir fest, dass es knapp wird.“ Kapek forderte alle Grünen auf, dafür zu werben, Tegel „in die Rente zu schicken“. „Wir müssen in Tegel Platz machen für die Zukunft.“ Die Opposition mahnte sie, zu einer sachlichen Debatte zurückzukehren. (wera)
Im Mittelpunkt steht dabei das Mobilitätsgesetz, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll. 200 Millionen Euro stehen allein für die Verbesserung des Radverkehrs bis 2021 zur Verfügung. „Im nächsten Jahr wird das Gesetz dann um den Wirtschaftsverkehr und den Fußverkehr ergänzt“, kündigte Günther an. Eine Resolution für einen effizienten Wirtschaftsverkehr verabschiedete die Fraktion schon am Freitag: Geplant ist unter anderem, den Kauf von Lastenrädern mit öffentlichen Geldern zu fördern.
Aufholen wollen die Grünen auch beim öffentlichen Nahverkehr. So sollen noch in dieser Legislaturperiode drei neue Tramstrecken ans Netz gehen, darunter die vom Hauptbahnhof nach Moabit. Insgesamt werden derzeit 14 neue Trassen geprüft. „Bis 2020 sollen alle U-Bahnhöfe barrierefrei werden“, versprach Günther. Sie kündigte zudem an, 250 Dieselbusse nachzurüsten und erste Elektrobusse anzuschaffen.
Zuvor hatten bereits am Donnerstag Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Justizsenator Dirk Behrendt ihre Bilanz vorgelegt. „Es macht Spaß“, freute sich eine sichtlich vergnügte Pop. Die Wirtschaftslage sei gut. „Es entstehen auch Arbeitsplätze, von denen man leben kann“, so die Senatorin. Justizsenator Behrendt brachte zur Klausur den frisch fertiggestellten Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz auf Landesebene mit. „Wir wollen Diskriminierung verhindern, wir wollen Chancengleichheit und die Förderung von Vielfalt“, sagte Behrendt.
Eine Spitze gegen den Koalitionspartner SPD hatten die Grünen auch im Gepäck: So forderte Fraktionschefin Kapek ein kostenloses Schülerticket, das Familien entlasten soll. Die SPD setzt dagegen auf die Lernmittelfreiheit, also kostenlose Schulbücher. Die kommenden Haushaltsverhandlungen werden zeigen, ob die Grünen tatsächlich den Unterschied machen.
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