piwik no script img

Forschungsgelder für ME/CFS gekürztDie Versprechen gebrochen

Kommentar von

Frederic Valin

Die Gesundheits- und die Forschungs­ministerin lasen Briefe von Betroffenen vor. Jetzt streicht die Regierung Forschungsgelder. Darauf noch ein Brief.

Betroffen vor einem Berg von Zuschriften: Gesundheitsministerin Nina Warken und Forschungs­ministerin Dorothee Bär Foto: youtube/@BMGesundheit

S ehr geehrte Frau Warken, sehr geehrte Frau Bär,

am 18. 7. erschien auf dem Kanal des Bundesministeriums für Gesundheit ein Video von Ihnen beiden, in dem Sie Briefe von ME/CFS-Betroffenen (Anmerkung der Redaktion: Chronisches Fatigue Syndrom) lesen. Sie zeigen sich in diesem Video bewegt von den Schicksalen, die Ihnen geschildert werden. Sie versprechen, sich um das Thema zu kümmern. Auch Ihr Kanzler Friedrich Merz hat noch vor zwei Jahren in einem Video verlauten lassen: „Viele Betroffene fühlen sich zu Recht im Stich gelassen.“ Und als Pointe: „Jedes einzelne ME/CFS-Schicksal ist eines zu viel.“

Ist das so? Nun hat die Bundesregierung beschlossen, im neuen Haushaltsplan die Forschungsgelder zu ME/CFS drastisch zusammenzukürzen. Es gibt vielversprechende Therapieansätze für diese Erkrankung: Eine der führenden Ex­per­t*in­nen auf dem Gebiet, Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, hat mehrfach betont, dass man ihre Ansätze morgen schon weiterverfolgen könne, würden die Studien nur finanziert werden. Seit einem Jahr aber wartet sie darauf, dass Ihren Worten Taten folgen.

“„Liebe Frau Warken,“ Foto: youtube/@BMGesundheit

Ich möchte Sie an dieser Stelle an folgende Worte erinnern: Deutschland, so sagten Sie es noch im Juli 2025, Frau Warken, stehe angesichts von Long Covid und ME/CFS „in einer besonderen Verantwortung“. Sie sagten auch, dass es Sie sehr freue, „dass beide Ministerien im konstruktiven Austausch stehen.“ Sie wollten „neue Impulse setzen und dafür sorgen, dass durch das Zusammenwirken der Häuser das Thema mehr Sichtbarkeit erhält.“

Ihr Kanzler Friedrich Merz forderte in einer Bundestagsrede von 2023 angesichts der von ihm auf 2,3 Millionen Menschen taxierten, die von Long Covid betroffen sind, dass „über zehn Jahre alle Kräfte in Wissenschaft, Forschung und Praxis“ gebündelt werden und dafür gesorgt wird, „dass aus einem heutigen Schicksalsschlag schnellstmöglich behandelbare Krankheiten werden“.

„Wir arbeiten mit Hochdruck daran,“ Foto: youtube/@BMGesundheit

Jetzt schweigen Sie still

„und wir wollen auch in den Dialog“ Foto: youtube/@BMGesundheit

Und jetzt das. Nicht nur werden keine neuen Mittel bewilligt, die bisherigen Mittel werden sogar beschnitten. Das ist schlicht zynisch: Sie wissen, wie Betroffene – ich wähle dieses Wort mit Bedacht angesichts Ihrer Zustimmung zu den Sparplänen – leiden. Sie haben für Ihre Social-Media-Kanäle deren Briefe ausgeschlachtet. Die paar Briefe, die Sie gelesen haben, spiegeln nur sehr unzureichend die Herausforderungen wider, die ein Leben mit ME/CFS mit sich bringt.

Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie verstanden haben, wie notwendig die von Ihnen versprochene und nun weggesparte Forschung ist. Es gab durch die Finanzierung von Forschung zumindest einen Weg, Betroffenen zu zeigen, dass es einen politischen Willen gibt, ihnen zu helfen, dass sie nicht egal sind.

Sie haben Pflegegrad 1 zur Disposition gestellt, die Grundsicherung amputiert, die Forschungsgelder beschnitten

Es ist klar, dass mehr Forschungsgelder nicht bedeuten, dass übermorgen alle geheilt sind. Aber dass man ihnen Ressourcen widmet, dass man sie nicht vergisst, dass man versucht, ihnen und ihrem Menschsein gerecht zu werden, das wäre doch nicht nur das Mindeste, es wäre auch das, was Sie vollmundig versprochen haben.

„aber Forschung braucht leider auch Zeit.“ Foto: youtube/@BMGesundheit

Frau Warken, Frau Bär: Sie haben das Gegenteil getan. Sie haben diese Menschen instrumentalisiert, um sich als menschlich darzustellen. Nach den starken Worten, die Sie und Friedrich Merz in Unterstützung für ME/CFS-Betroffene zunächst gefunden haben, ist Folgendes geschehen: Sie haben Pflegegrad 1 zur Disposition gestellt, die Grundsicherung amputiert, die Forschungsgelder beschnitten. Darüber schweigen Sie jetzt still.

Frau Warken, Frau Bär, wer soll Ihnen und Ihrer Koalition noch vertrauen? Nur noch Menschen, die nicht von ihren Zumutungen betroffen sind? Ist das Ihr Verständnis von Politik? Von Gemeinschaft?

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Auf einem Stehempfang:



    "Sehen sie Die Blonde und die Schwarze am Buffet? Die Blonde ist meine Frau, die Schwarze meine Geliebte."



    "Interessant, bei mir ist es gerade umgekehrt."



    Niemand ist zu gar nichts gut, als Witzfigur reichts immer.

    • @Erfahrungssammler:

      ...nur Freitags ist sie nie da...

  • Frau Bär sieht 18 Millarden Euro auf 4 Jahre, für 4 - 6 Forschungs-/ Entwicklungssparten, vor.



    Die USA etwa 140 - 160 Milliarden Milliarden Dollar pro Jahr nur für die IT- Entwicklung.



    Die 18 Milliarden Euro von Frau Bär können wir als Beerdigungskosten für die deutsche Forschung, Wirtschaft & Industrie verbuchen.



    Unterm ----- zeigen die plauschenden Damen in diesem Plauch eine minus Kompetenz !



    Tschüss " Made Germany "

  • Das ist nicht nur menschlich daneben, sondern auch wirtschaftlich dumm.



    Sehr, sehr viele von uns beziehen Erwerbsminderungsrente und das ist ziemlich teuer. Ich werde jetzt auf jeden Fall kein schlechtes Gewissen mehr haben, so einem Staat auf der Tasche zu liegen. Und sollte es mir mal besser gehen, wird "ein nützliches Mitglied der Gesellschaft sein" definitiv ganz hinten auf der Prioritätenliste stehen.



    Viele mit ME/CFS, die ich kenne reißen sich ein Bein aus um wenigstens noch halbtags zu arbeiten, gefährden damit ihren mickrigen Rest Lebensqualität und verzichten auf alles andere. Ich habe das auch gemacht, bis es gar nicht mehr ging.



    Ein dummer Fehler, den ich nicht wiederholen werde.

    • @Krösa Maja:

      Super. So sollten nicht nur ME/CFS Betroffene, sondern alle handeln, die sich vom Staat allein gelassen fühlen. Gründe dafür gibt es viele und vielfältige. Nur wer dann die Steuern erarbeiten soll, die für soziale Belange, Forschung und Co ausgegeben werden sollen, diese Frage müsste noch geklärt werden.

  • Mit ME/CFS zu leben ist furchtbar, viele können jeden Tag nur überleben und nicht erleben. Tage verschmelzen zu Wochen und Monaten, in denen wir Betroffene darum kämpfen, Nahrung zu uns zu nehmen oder zu schlafen.



    Das schlimmste an meiner Situation mit schwerem ME/CFS finde ich aber die Ignoranz. Im Vergleich zu anderen Erkrankungen gibt es kaum Forschung (www.mecfs.de/daten-fakten/), obwohl sie so dringend nötig ist. Ärzte, Menschen vom Amt, Therapeuten und Pfleger haben meistens noch nie von der Erkrankung gehört und wir bekommen häufig Fehldiagnosen und falsche Therapien; meistens müssen wir uns unsere Therapien selbst erarbeiten, weil niemand Ahnung davon hat. All das ließe sich ändern - mit politischem Willen! Dazu gehört Forschung finanzieren, die Erkrankung ins Studium einbinden, verpflichtende Fortbildungen für Ärzte etc. .



    Dieser Wille fehlt. Am Ende sind wir egal, unsichtbar, nur noch Kostenfaktoren.

  • Bitte helfen Sie uns Betroffenen. Für uns ist Forschung Überlebensnotwendig. Es gibt eine Petition die leicht zu finden sind. Es gibt regelmäßig Demonstrationen. Wir schreiben regelmäßig Briefe an die Ministerien. Aber alleine ohne Hilfe aus der Gesunden Bevölkerung werden wir es nicht schaffen. Zu viele von uns denken über Sterbehilfe nach weil alles so Hoffnungslos erscheint. Manche nehmen sie war...

  • Diese Ministerien könnten schon auch funktionieren, wenn sie wollen.



    Einnahmen in die GKV wären möglich, wenn alle Privatversicherten gesetzlich umgruppiert werden in die GKV. Also nur noch eine große gemeinsame Krankenkasse und Rentenkassen für alle entsprechend. Keine Privatkliniken, sondern nur öffentlich-bürgerrechtliche mit Notaufnahme-Pflicht.

    • @Land of plenty:

      Bin da ganz bei ihnen die GKV muss unbedingt eine Pflichtversicherung für alle werden ... Könnte ein SPD Thema sein, aber kaum in dieser Grund unsolidarischen Koalition... Soweit ich informiert bin wurde der private KV Irrsinn von der Kohlregierung eingeführt

      • @LuckyLulu :

        Die PKV hat nichts mit Helmut Kohl zu tun. Aber was spricht denn gegen die private Krankenversicherung, die ich selber bezahle ?



        Die GKV soll ja eigentlich nur eine Gesundheits Versorgung für alle , ebend auch für Leute mit weniger Geld, sorgen.

  • Sollte die AgD den ihr zuarbeitenden Politiker*innen pro Prozentpunkt eine Prämie zahlen, dann werden diese beiden Damen ganz schnell ganz reich.

  • Bitter, eventuell sollte ein 100 Milliarden "Sondervermögen Gesundheit für 2026 kommen.

    Geht ja auch ganz locker im Bereich Aufrüstung und Infrastruktur.

    Und mindestens eine Milliarde Euro (1 Prozent) davon sollte es schon sein für eine wirkungvolle Behandlung und gute Erforschung von ME/CFS/Post/Long Covid.

    Bei geschätzten 2 Millionen ME/CFS/Post/ Long Covid betroffen Bundesbürgern wären das gerade einmal 500 Euro pro Kopf. Das ist weniger, als 3 Nächte einfachster Krankenhausaufenthalt kosten würden.

    Und wenn jetzt die Frage kommen sollte, wer das bezahlen soll, hier nochmal die Zauberworte:

    Reichensteuer, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer für Hochvermögende, Finanztransaktionssteuer, Positiv Money System, Vollgeld, Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe/Fahrzeuge.

    Müssen nur wollen. :-)

    • @Goldi:

      Im Gegensatz zur gegenwärtig gepimperten Rüstungsindustrie kann medizinische Forschung auch einmal echten nachhaltigen Mehrwert für die Volkswirtschaft abwerfen. Könnte eben als echte Zukunfts-Investition in den Standort ( über den gerade alle jammern) gelten ... Gerade Long COVID Betroffene bilden ja leider einen riesen Markt ...

      Ich spekuliere mal ganz fies: Vermutlich würde es helfen wenn überwiegend alte Männer ( also mehr CDU, bzw. Merz Wähler) betroffen wären ... Leider trifft es am häufigsten mittel-alte Frauen oft in sozialen Berufen (Exposition) mit der Unterstützung der "Pick-me" Ministerinnen ist offenbar nicht zu rechnen 🤨

  • taz: *Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie verstanden haben, wie notwendig die von Ihnen versprochene und nun weggesparte Forschung ist.*

    Natürlich haben die beiden Damen das nicht verstanden. Unions-Politiker setzen doch nur noch "merzsche-Lobby-Politik" durch, damit mehr Geld in die Töpfe der reichen CDU/CSU-Unterstützer fließen.

    taz: *Frau Warken, Frau Bär, wer soll Ihnen und Ihrer Koalition noch vertrauen? Nur noch Menschen, die nicht von ihren Zumutungen betroffen sind? Ist das Ihr Verständnis von Politik? Von Gemeinschaft?*

    Bürger die noch über ein funktionierendes Hirn verfügen und sich von konservativ-neoliberalen Parteien fernhalten, glauben dieser Merz-Union ohnehin nichts; und die anderen werden schon sehen, wohin uns solche CDU/CSU-"Politik" bringen wird.

    Und die rückgratlose SPD macht wieder brav den Bückling vor dem Black-Rocker.

    • @Ricky-13:

      👍👍

  • Für wen oder was machen diese beiden Frauen denn Politik?

    • @Captain Hornblower:

      Die machen Politik für ihre eigene Grund- und Alterssicherung.

      • @Robert Stulier:

        Und damit müssen sie sich nicht einsam fühlen.