Forderungen im Wahlkampf: Bekennt euch doch selbst!
Die Linkspartei soll sich zur Nato bekennen. Wann bekennen sich die anderen Parteien endlich? Zum Kampf gegen rechts, zu mehr Hartz IV, zu echter Freiheit?
W ahlkampf heißt, man hört als politisch interessierter Mensch über Wochen hinweg dieselben Vorwürfe, Argumente, Formulierungen. Ein Wort ist mir dabei besonders aufgefallen: Bekenntnis. Ein schönes, altes Wort, finde ich. Wenn ich es höre, denke ich sofort an Kirche. „Ich bekenne mich“, das sagt man nicht einfach so, das muss man schon meinen.
Im aktuellen Wahlkampf fällt „Bekenntnis“ immer wieder in diesem Zusammenhang: Die Linkspartei soll sich verdammt noch mal zur Nato bekennen. Das fordern vor allem SPD und Grüne. Wenn die Linke das nicht tut, kriegt sie keine Koalitionsverhandlungen.
Nun könnte man einwenden: Die Nato ist ein veraltetes Konstrukt. Sie ist gerade in Afghanistan gescheitert. Sogar Joe Biden sagt, dass es Kriege zur „Umgestaltung anderer Länder“ in Richtung Demokratie nicht mehr geben werde. Dieses Militärbündnis zu hinterfragen, finde ich okay, wenn dabei der Schutz osteuropäischer Länder nicht als Lappalie abgetan wird.
Aber darum geht es mir gar nicht. Denn man könnte – viel einfacher – auch einwenden: Warum soll sich die Linkspartei zu etwas bekennen, das sie in ihrem Wahlprogramm explizit ablehnt? Und, daran anschließend: Wann bekennen sich die anderen Parteien eigentlich zu den Dingen, die tatsächlich in ihren Wahlprogrammen stehen?
Die FDP zum Beispiel könnte sich zum Liberalismus bekennen. Zu einem kosmopolitischen Liberalismus, der Bürgerrechte schützt, für wirkliche Freiheit steht und nicht nur für die Freiheit von SpitzenverdienerInnen. Der FDP hängt etwas Reaktionäres an, das sie nicht abschütteln kann oder will, ich sag nur: Ehegattensplitting. Daran wollen die Liberalen festhalten.
Nicht nur sagen, auch meinen
Olaf Scholz soll sich dazu bekennen, die Situation von Hartz-IV-EmpfängerInnen wirklich verbessern zu wollen. Mit konkreten Zahlen, nicht nur mit dem neuen Begriff „Bürgergeld“. Warum kann er sich beim Mindestlohn auf einen Betrag festlegen, bei der Grundsicherung aber nicht?
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Die Union schreibt in ihrem Wahlprogramm: Rechtsextremismus sei die größte Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Warum spielt das Thema dann keine Rolle in ihrem Wahlkampf? Ich will, dass sich die CDU und die CSU zum Kampf gegen Rechtsextreme bekennen. Nicht nur sagen, auch meinen.
Ich will, dass die CDU aufarbeitet, was Hans-Georg Maaßen als Verfassungsschutzpräsident angerichtet hat und dass sie aufhört, ihn in Schutz zu nehmen. Armin Laschet weicht Fragen zu Maaßen aus, grinst oder wirkt beleidigt. Als ginge es um ihn und nicht um die Sicherheit aller.
Ich will erleben, dass in diesem Land ernsthaft etwas gegen Nazis getan wird – gegen die auf der Straße und die in den Behörden. Leute wie Maaßen sind nie allein, sie brauchen Netzwerke. Um diesem Staat vertrauen zu können, brauche ich ein Bekenntnis, dass diese Netzwerke aufgedeckt werden. Übrigens von allen Parteien.
Auch von den Grünen. In deren Programm steht: rechtsextreme Strukturen zerschlagen, Politik transparenter machen, Nachrichtendienste strenger kontrollieren. Mir fällt es schwer, das zu glauben, seitdem die Grünen in Hessen dagegengestimmt haben, die NSU-Akten offenzulegen. Sie bleiben für 30 Jahre geheim. Der Frieden in der schwarz-grünen Koalition war wichtiger als das Programm.
Warum soll ich glauben, dass es auf Bundesebene nicht genauso laufen würde? Eine Woche vor der Wahl weiß ich nicht, wer meine Stimme kriegt. Lippenbekenntnisse reichen mir nicht.
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