Folgen von Long Covid: Verschärfte Armut
Benachteiligte Gruppen haben ein größeres Risiko, Covid-19 zu entwickeln. Und durch die Erkrankung steigt wiederum die Gefahr, arm zu werden.
S chon verrückt, dass Long-Covidbetroffene nicht nur um Forschung und Therapien kämpfen müssen, sondern auch darum, dass ihnen geglaubt wird. Im Freundes- und Familienkreis ist das menschlich enttäuschend. Im Kontakt mit Ärzt*innen und Gutachter*innen ein materielles Problem: Betroffene bekommen dann nicht die richtige Behandlung. Unter Umständen wird ihnen gar eine falsche verordnet, die ihren Zustand verschlechtert. Nötige finanzielle Hilfen und Hilfsmittel werden nicht bewilligt. Die Kraft für den Kampf mit Ämtern haben viele Betroffene nicht.
Man könnte meinen, vor einem Virus seien alle gleich. Aber schon das Infektionsrisiko ist ungleich verteilt: Enge Wohnverhältnisse, Armut, Jobs mit viel Menschenkontakt erhöhen das Risiko. Jede Infektion birgt ein erneutes Long-Covidrisiko. Und auch die Wahrscheinlichkeit, an Long Covid zu erkranken, ist nicht gleich verteilt: Frauen sind in etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer. Untersuchungen zeigen, dass Long Covid in armen und marginalisierten Gruppen häufiger ist.
Umgekehrt macht auch Long Covid arm und marginalisiert. Menschen bricht das Einkommen weg. Sie können ihre Lebensgrundlage nicht mehr sichern, nicht mehr am Leben teilnehmen, werden teilweise pflegebedürftig.
Weil die Forschung zu Long Covid gerade erst begonnen hat, gibt es noch keine zugelassenen Therapien. Das bedeutet, dass viele Medikamente privat bezahlt werden müssen. Auch wird mit allem experimentiert, was Hoffnung verspricht – von denen, die die Mittel dafür aufbringen können.
Die Ungleichheiten im Gesundheitssystem, die Covid-19 und seine Auswirkungen für manche Menschen gefährlicher machen als für andere, müssen langfristig bekämpft werden. Der aktuelle Umgang mit Long Covid verschärft sie allerdings noch. Den Betroffenen sollte mindestens geglaubt werden und finanziell und medizinisch – soweit aktuell möglich – geholfen werden. Zudem könnte besserer Infektionsschutz vielen Menschen den Weg in die Armut durch die chronische Krankheit Long Covid ersparen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen