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Folgen für Ex-VW-Chef WinterkornNicht mal die Villa ist noch sicher

In den USA wurde Anklage erhoben, in Deutschland ermittelt die Staatsanwaltschaft. Nun fordert VW Geld. Dem Top-Manager droht der Absturz.

Ist der ehemalige VW-Chef Marin Winterkorn bald finanziell vollständig ruiniert? Foto: dpa

BERLIN taz | Seine Ämter und sein Ansehen hat er weitgehend verloren. Vom schier allmächtigen Herrscher über den größten Autokonzern der Welt wurde Martin Winterkorn im September 2015 über Nacht zwangsweise zum Pensionär, als die US-Behörden VW der Manipulation seiner Diesel-Abgase überführten.

Doch abgesehen davon führt der ehemalige VW-Chef nach wie vor ein angenehmes Leben. Er bewohnt zwar nicht mehr die 400-Quadratmeter-Villa im niedersächsischen Groß Schwülper, die VW ihm einst – inklusive beheiztem Koi-Karpfen-Teich – für ganze 5 Euro pro Quadratmeter vermietete. Aber auch sein aktuelles Domizil, eine von hohen Mauern umgebene Villa nahe dem Englischen Garten im Münchener Nobelstadtteil Oberföhring, die er einst für einen zweistelligen Millionenbetrag von Wolfgang Porsche gekauft hat, dürfte einigen Luxus bieten.

Für den standesgemäßen Transport sorgt weiterhin ein Dienstwagen, den VW bis zum Lebensende stellt. Die Heimspiele von Bayern München guckt sich der 70-Jährige als Aufsichtsratsmitglied des Vereins nach wie vor von der Ehrentribüne aus an. Und auch finanziell musste sich Winterkorn bisher keine Sorgen machen. Mit 16 Millionen Euro pro Jahr war der VW-Chef Deutschlands bestbezahlter Manager. Und als Pension bekommt er von VW 3.100 Euro – pro Tag. Gilt also weiterhin das Motto „Die Großen lässt man laufen“?

Dieser in der Bevölkerung weit verbreitete Eindruck wird derzeit zunehmend widerlegt. Ende letzter Woche wurde bekannt, dass in den USA längst Anklage gegen Winterkorn und fünf weitere VW-Manager erhoben wurde; der frühere Volkswagen-Chef wird per Haftbefehl gesucht. Detailliert werden in der öffentlichen Anklageschrift Indizien aufgeführt, die belegen sollen, wie sich die VW-Führung verschworen hat, um Umweltgesetze zu brechen und die US-Behörden zu belügen. Winterkorn war laut Anklageschrift mindestens seit Mai 2014 – und somit eineinhalb Jahre bevor der Skandal öffentlich wurde – durch ein schriftliches Memorandum über die illegale Software informiert, mit der Volkswagen die Abgastests in den USA ausgetrickst hatte.

In Deutschland noch keine Anklage

Dafür drohen ihm bis zu 25 Jahre Haft. Und dass die US-Justiz dabei keine allzu große Milde walten lässt, hatte sie schon in zwei früheren Verfahren gezeigt, in denen VW-Manager aufgrund der gleichen Vorwürfe zu dreieinhalb und sieben Jahren verurteilt wurden. In die USA abgeschoben werden kann er als deutscher Staatsbürger nicht, doch bei jeder Auslandsreise droht die Festnahme. Winterkorn, der früher im konzern­eigenen Privatjet um die Welt flog, kann sein Heimatland also vermutlich nie mehr verlassen.

In Deutschland hingegen gibt es nach zweieinhalb Jahren Ermittlungen noch keine Anklage gegen Winterkorn. Und ermittelt wird hierzulande auch nicht wegen eines Umweltvergehens, das Leben und Gesundheit von Tausenden Menschen bedroht, sondern wegen irreführender Werbung, Betrug an Autokäufern und Marktmanipulation zulasten von VW-Aktionären.

Doch auch diese Ermittlungen können Winterkorn gefährlich werden. Bei Durchsuchungen von VW-Büros und Winterkorns Villa hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig umfangreiches Material sichergestellt. Und auch die Unterlagen und Aussagen, auf die die US-Behörden ihre Anklage stützen, werden die deutschen Strafverfolger würdigen müssen. „Die Quellen der Erkenntnis sprudeln auf beiden Seiten des Atlantiks, und wir tauschen regelmäßig Informationen aus“, sagte der Braunschweiger Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe der FAS.

Dass Winterkorn mit seiner Behauptung durchkommt, er, der faktenverliebte und kon­trollsüchtige Physiker, habe bis zum Schluss nichts von den illegalen Abschalteinrichtungen in den Dieselmotoren seines Unternehmens gewusst, scheint kaum noch vorstellbar. Selbst wenn er nur wegen Marktmanipulation verurteilt werden sollte, drohen Winterkorn nach deutschem Recht bis zu fünf Jahre Haft. Und während Finanzvergehen früher oft als Kavaliersdelikte bewertet wurde, haben die Gerichte mit Urteilen etwa gegen Bayern-Boss Uli Hoeneß oder den früheren Karstadt-Chef Thomas Middelhoff bewiesen, dass auch in solchen Fällen Freiheitsstrafen tatsächlich möglich sind.

Geht VW zivilrechtlich gegen ihn vor?

Der Fall Middelhoff zeigt auch in anderer Hinsicht, was auf Winterkorn zukommen könnte: Der Ex-Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor musste nach seiner Verurteilung auch privat Insolvenz anmelden. Ähnliches droht Winterkorn, denn VW will auch zivilrechtlich gegen ihn vorgehen und Ersatz für den finanziellen Schaden fordern, der dem Konzern durch Winterkorns (Nicht-)Handeln beim Abgasbetrug entstanden ist – bisher rund 25 Milliarden Euro. Die Chancen dafür dürften allein aufgrund der US-Anklageschrift deutlich steigen. Bei einem Erfolg von VW wäre Winterkorn finanziell vollständig ruiniert. Denn eine Manager-Haftpflichtversicherung zahlt in der Regel maximal 500 Millionen Euro, bei nachgewiesenem Vorsatz sogar gar nicht.

Ob er dann allerdings auch aus seiner Münchner Villa ausziehen müsste, ist offen. Denn wie die Welt schon 2016 berichtete, hat Winterkorn zusammen mit seiner Frau zwei Vermögensgesellschaften gegründet. Als Ziel wird die „Verwertung eigener Immobilien“ genannt, Geschäftsführerin ist seine Frau, Firmensitz, zumindest in einem Fall, die Villa in Oberföhring.

Wenn das Gebäude auf die neue Gesellschaft übertragen wurde, dürfte es für Gläubiger schwierig werden, darauf zuzugreifen. Ob er mit dem Trick durchkommt, ist aber offen. Denn ein Zusammenhang der Gründung dieser Gesellschaften mit dem Abgasskandal ist allzu naheliegend: Eine wurde im Oktober 2015 gegründet – also einen Monat nach Bekanntwerden des Dieselskandals. Und die andere schon im Juli – zu einer Zeit, als Winterkorn laut US-Anklägern schon Bescheid wusste, der Betrug aber noch nicht öffentlich war. An Zufall zu glauben fällt da schwer.

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