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Förderung erneuerbarer EnergienFließgewässer nutzen!

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Die Bundesregierung will der Kleinwasserkraft die Förderung streichen. Der älteste Ökostrom, von dem die Energiewende ausging, steht vor dem Aus.

Ein Stück Industriegeschichte: Blick auf das Ruhrviadukt und das Wasserkraftwerk Hohenstein Foto: Hans Blossey I/imago

E s ist – wie so vieles – eine Frage der Abwägung. Auf der einen Seite steht die CO2-neutrale Erzeugung von jährlich 3 Milliarden Kilowattstunden Strom aus kleinen Wasserkraftwerken. Wertvoller Strom, gerade heute. Auf der anderen Seite sind Bauwerke immer ein Eingriff in die Natur. So hat auch jede Anlage an und in einem Fließgewässer zwangsläufig Auswirkungen auf die Ökologie.

Ökologische Abwägungen sind oft nicht trivial. Deshalb führte man lange Zeit Debatten über fachliche Details der Wasserkraft. Darüber, wie gute Konzepte aussehen. Wie klimafreundlich erzeugter Strom mit der Gewässerökologie zusammenfindet. So brachte man durch Auflagen Wasserkraftbetreiber dazu, den ökologischen Zustand an ihren Standorten zu verbessern.

Solche differenzierten Sachdiskussionen will die Bundesregierung jetzt beenden – mit der radikalsten aller Lösungen, nämlich dem grundsätzlichen Ende der sogenannten Kleinwasserkraft. Für Anlagen bis 500 Kilowatt soll es künftig keine Einspeisevergütung mehr geben.

Damit will die Bundesregierung ausgerechnet die älteste aller erneuerbaren Energien im Stromsektor abschießen; Kraftwerken, die mehr als hundert Jahre überlebt haben, droht das Ende. Der große Showdown der Kleinwasserkraft – in dieser Woche vermutlich im Bundestag mit der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG).

Viel bittere Ironie steckt in dieser Geschichte. Ausgerechnet die Kleinwasserkraft war es, von der die deutsche Energiewende ausging. Denn das erste Stromeinspeisungsgesetz – 1991 in Kraft getreten – kam auf Betreiben vor allem bayerischer Wasserkraftwerker zustande. Es sollte die Kleinerzeuger in der damaligen Monopolwelt der Stromwirtschaft durch Mindestvergütungen vor allzu selbstherrlich agierenden Stromkonzernen schützen.

Weil der Gesetzgeber nun gerade dabei war, schrieb er kurzerhand auch für Strom aus anderen erneuerbaren Quellen Mindestvergütungen ins Gesetz – ohne die Konsequenzen auch nur halbwegs zu erahnen. Die waren enorm: Ein Windkraftboom an der Küste machte Deutschland zur weltweit führenden Windkraftnation. Entsprechend wuchs das Selbstbewusstsein der Ökostrom-Verfechter, was sich ab April 2000 im EEG widerspiegelte. Dieses wiederum katapultierte auch den Solarstrom nach vorne. Schmankerl am Rande: Bis 2004 war es die Große Wasserkraft, die im EEG explizit von den Vergütungen ausgeschlossen war.

Diese Geschichte der Kleinwasserkraft muss man kennen, um zu verstehen, dass es bei den kleinen Turbinen um mehr geht als um „nur“ 3 Milliarden Kilowattstunden. Die Kleinwasserkraft ist ein Stück Landesgeschichte. Ein Stück Industriegeschichte. Auch ein Stück Kulturgeschichte. Wer sie abschießt, zerstört vor allem in den südlichen Teilen des Landes ein Stück regionaler Identität.

Viele Orte in den Mittelgebirgen verdankten zwischen dem Jahr 1900 und dem Ersten Weltkrieg ihren ersten Stromanschluss der heimischen Wasserkraft. Findige Unternehmer bauten Turbinen an den Bächen, versorgten anfangs damit nur ihre eigenen Fabrikhallen, bauten dann aber auch Leitungen zu Nachbarhäusern und wurden so zu regionalen Stromversorgern. Über Jahrzehnte hinweg, mitunter bis in die 1970er Jahre hinein, bekamen Stromkunden ihre Energie von der örtlichen Papier-, Nähseide- oder Zündholzfabrik. Erst dann wurden die Netze in Konzernstrukturen integriert.

Bild: privat
Bernward Janzing

arbeitet als freier Journalist für Energie- und Umweltthemen in Freiburg. In mehreren Büchern hat er verschiedene Facetten der Historie der Stromwirtschaft aufgearbeitet. Sein Buch „Vision für die Tonne. Wie die Atomkraft scheitert“ erschien 2016 (Picea Verlag).

Wasserkraft im Jugendstil

Nach wie vor laufen Wasserkraftanlagen in Jugendstilgebäuden. Beim Besuch eines Turbinenhauses kann es passieren, dass man noch ein altes Holzkammrad entdeckt oder auch Armaturen, die ein ganzes Jahrhundert überdauert haben. Zugleich vermitteln die historischen Generatoren samt ihren wuchtig-eleganten Schwungrädern den Eindruck, für die Ewigkeit gebaut worden zu sein.

Damit ist die Kleinwasserkraft nicht nur die älteste, sondern auch die eindrucksvollste Art der Stromerzeugung. Vermutlich muss man selbst einmal in einem der Turbinenräume gestanden haben, um das nachempfinden zu können. Entsprechend entspinnt sich die Debatte über die Wasserkraft nicht stur entlang der Parteigrenzen. Die Konfliktlinie verläuft vielmehr zwischen Großstadt und Landregionen; zwischen dem Flachland und jenen Mittelgebirgen, die über die faszinierendste aller Kraftquellen verfügen, die uns gegeben sind, nämlich ins Tal sprudelnde Bäche. Die Debatte ist daher ein Stück weit auch ein Dissens zwischen Nord und Süd, denn 80 Prozent des deutschen Wasserkraftstroms stammen aus Bayern und Baden-Württemberg.

Der Plan der Bundesregierung, nun den kleinen Turbinen ökonomisch das Wasser abzugraben, ist Verrat an der Kulturgeschichte des Landes. Das nimmt man offenbar in Kauf, weil man ein Bauernopfer braucht, nachdem die Gesellschaft ihren Fließgewässern in den vergangenen Jahrzehnten so vieles angetan hat.

Problem ist nicht die Nutzung der Flüsse

Das wirkliche Problem der Fließgewässer ist mitnichten die Nutzung ihrer Kräfte. Vielmehr resultiert ihr mitunter schlechter Zustand aus begradigten Flussläufen, aus der Zerstörung von Überflutungsflächen, aus der Verrohrung von Flussläufen. Die Flüsse leiden unter Schadstoffeintrag und unter der noch immer voranschreitenden Versiegelung des Landes, weil jeder Quadratmeter Beton und Asphalt im Einzugsgebiet die Abflusskurven verändert.

Zudem leiden die Flüsse natürlich auch unter dem Klimawandel, weil die Bäche sich erwärmen und öfter trocken fallen. Zwar werden nun auch 3 Milliarden Kilowattstunden aus Kleinwasserkraft den Klimawandel nicht stoppen können, aber sie sind immerhin ein bescheidener Baustein. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Die Altanlagen sind der stilvollste Baustein, den Ingenieurskunst im Sinne des Klimaschutzes je geschaffen hat.

Bernward Janzing arbeitet als freier Fachjournalist und Autor in Freiburg. Für sein im Jahr 2002 erschienenes Buch „Baden unter Strom“, das die Elektrifizierung Badens beschreibt, hat er zahlreiche kleine und große Wasserkraftwerke besucht.

Wasserkraftwerk

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7 Kommentare

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  • Vermutlich ist die "kleine Wasserkraft" die älteste Form der Stromerzeugung und gelegentlich von hohem lokalhistorischem Wert. Warum aber verengt der Artikel den Blick derart und forciert eine Legendenbildung (Bauernopfer)? Die Bundesregierung reagiert nach langer Zeit mal auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die auf das erhebliche Missverhältnis zwischen dem eher geringen Nutzen durch Kleinwasserkraftwerke durch die Stromerzeugung und dem enormen Schaden auf der gewässerökologischen Seite hinweisen. Bei der Benennung der großen strukturellen Defizite der Fließgewässer die Wasserkraft einfach auszulassen, bringt nicht weiter. Eine fundierte Darstellung der ökologischen Seite gibt es zum Beispiel unter www.igb-berlin.de/...biodiversitaet.pdf.

    • @abo_essen:

      Das verlinkte PDF ist vor Allem ein Beispiel wie man in Deutschland erfolgreich Politik macht.



      Diese ganzen Gweässerökologen machen da erstaunlich präzise Gesetztesvorgaben. Auffällig auch, das diejenien, die sich wirklich engagieren - NaBu, BUND e.t.c. - komplett fehlen.

      Das ist umso seltsamer, als das Probleme wie ungenaue Umweltvorgaben oder schlechter Zustand wissenschaftlich gesehen mehrere Lösungsmöglichkeiten haben.

      Man könnte diese z.B. bundesweit konkretisieren und die Umweltsanierung bezuschussen, oder dne Kraftwerken einfach mehr vom Erlöskuchen abgeben.

      Alles das wird in dem Papier aber nicht erwähnt. Es geht ausdrücklich NUR darum, den Kleinkraftwerken den Strom abzudrehen. Für "Wissenschaftler" ist mindestens peinlich.

      Preisfrage: Wer sind eigenltich die wirklichen Interessenvertreter dahinter, die das hier angeschoben haben.

      Das 3,3% der Stromversorgung Klinkerlitzchen sind, ist übrigens in Zeiten des aktuten Mangels eine glatte Lüge.

  • @FLY

    "Und die sind auch 100 Jahre ohne EEG Subvention ausgekommen."

    Tja.

    Energie ist (zumindest auf der finanziellen Sonnenseite dieser Erde) in diesem Zeitraum spottbillig geworden. Das ist das problem.

  • Ich kann dem Autor nur zustimmen. Man sollte hier allerdings auch die Wasserräder nenne, die ja die industrielle Revolution lange boevor Turbninen aufkamen angetrieben haben. Wasserräder werden auch heute wieder gebaut. Mit Wirkungsgraden bis zu 85% sind sie fast so effizient wie die modernsten Turbinen, und bei Leistungen bis 100 kW decken si einen größen Teil des Leistungsberiches der Kleinwasserkraft ab. Zudem haben neueste Untersuchungen gezeigt dass die Fischmortalität bei Wasserädern mit 0,22% fast 50 mal (!) niedriger ist als bei Kaplanturbinen. Leider igoriert er Gesetzgeber diese neuen Entwicklungen komplett. Trotzdem (laut Habeck) "jede Kilowattstunde zählt. Die Bundesregierung glaubt mal wieder nur auf der Höhe der Zeit zu sein.

  • " Kleinwasserkraft nicht nur die älteste, sondern auch die eindrucksvollste Art der Stromerzeugung..."



    Stimmt. Und die sind auch 100 Jahre ohne EEG Subvention ausgekommen. Jetzt wird aber, wie bei jedem Wegfall von irgendwas, groß gejammert. Bei den hohen Strompreisen, bzw. bei Kleinwasserkraft teilweise auch bei der Selbstnutzung des erzeugten Stroms, könnte man doch eventuell mal ohne Subvention auskommen. Alternativ sollte eine klare Rechnung auf den Tisch gelegt werden, warum das nicht geht.

    • @fly:

      Vergleichen Sie mal den Preis, den Sie für die kWh bezahlen, mit den unter 12 Ct, den das EEG maximal für die Kleine Wasserkraft ausspuckt. Wenn die kleinen Wasserkraftanlagen ihren Strom direkt an die Nachbarn verkaufen dürften, würden sie auch nicht "jammern". Dürfen sie aber nicht.



      Gefährlicher ist das "öffentliche Interesse", das gestrichen werden soll. Das gibt wasserkraftfeindlichen Behörden die Handhabe, die Kleine Wasserkraft mit unsinnigen Auflagen tot zu reglementieren.



      Vor dem EEG gab es übrigens eine Vergütung, die sich an den Verbraucherpreisen orientierte.



      Das EEG war dazu da, den Erneuerbaren eine Wettbewerbsgleichheit mit den fossilen und der Atomkraft zu gewährleisten, die ja auch massiv durch die öffentliche Hand gefördert worden sind.



      Mittlerweile sind die Erneuerbaren im Angebot an den Markt oft preiswerter als Kohle und Gas, was zu der Verzerrung führt, dass derzeit das EEG Kohle und Gas subventioniert. Also das glatte Gegenteil dessen, wofür es einmal gedacht war.

    • @fly:

      Gerade weil viele Kleinwasserkraftwerke älteren Baujahrs sind, ist dort der Bedarf an Neuerungen (z.B. neue effizientere Turbinen) besonders hoch. Mit schlechterer finanzieller Ausstattung können diese Investitionen gerade von den kleineren Wasserkraft-Produzenten auch schlechter gestemmt werden. Das werden auch die Turbinenbauer beklagen und es droht ihnen das gleiche Schicksal wie der Windbranche. Arbeitslosigkeit & Insolvenz.

      Wenn Sie sich die Zukunft der Kleinwasserkraft anschauen:



      www.aqualibre.at/#



      ...und die Flusskilometer alleine im kleinen Deutschland zusammenrechnen - wird Ihnen klar wieviel Potenzial hier und im Rest der Welt unerkannt verschenkt wird.

      Unsere hochsubventionierte Automobil-Industrie könnte schon seit Jahren diese schwimmenden Elektrogeneratoren mit Karosserie in allen möglichen Serien und Leistungsstärken (0,5 - 70KWp) herstellen. Mir würde ein Plätzchen in einem kleinen Nebenfluss mit einer 0,5KWp_Turbine schon völlig ausreichen, um meinen Haushalt mit grundlastfähiger (wenig schwankender) Stromerzeugung rund um die Uhr sicherzustellen. Dafür sind die Grünen-Neo-Sozen, wie immer aber viel zu dämlich.