Flüchtlingspolitik in Niedersachsen: Säugling von Abschiebung bedroht

Der Landkreis Cuxhaven droht einem 24 Tage alten Kind aus Stade mit „zwangsweiser Rückführung“. Tausende fordern ein Bleiberecht.

Von Abschiebung bedroht: Duha Aline Al Mahdi. Bild: Angela Heinssen

HANNOVER taz | Der Landkreis Cuxhaven droht einem gerade einmal drei Wochen alten Baby mit Abschiebung. Das Ordnungsamt beabsichtige, das Kind „aufzufordern, die Bundesrepublik Deutschland freiwillig unverzüglich (...) zu verlassen“, so eine Beamtin des parteilosen, aber auf dem Ticket der CDU ins Amt gekommenen Cuxhavener Landrats Kai-Uwe Bielefeld in einem Schreiben, das der taz vorliegt. Als „aufenthaltsbeendende Maßnahme“ sei auch eine „zwangsweise Rückführung“ denkbar – „wenn das Kind seiner Ausreisepflicht nicht wie zu fordern beabsichtigt nachkommt“.

Im Klartext bedeutet das: Die kleine, im niedersächsischen Stade geborene Duha Aline, die am Mittwoch gerade einmal 24 Tage alt wird, soll notfalls mit Gewalt aus Deutschland herausgeschafft werden. Denn Duha Alines Mutter Zohra Al Mahdi ist Marokkanerin, hat sich vor ihrer Einreise nach Deutschland als Erntehelferin in Spanien durchgeschlagen – und in eines dieser Länder wollen die MitarbeiterInnen des Landrats Bielefeld die beiden offenbar abschieben lassen.

Denkbar wird das durch das deutsche Ausländer- und Aufenthaltsrecht: Im Gegensatz zu den USA, wo jedes dort geborene Kind automatisch die US-Staatsbürgerschaft erwirbt, gilt in der Bundesrepublik in Teilen noch das ius sanguinis – das Blutsrecht. In Deutschland geborene Kinder gelten nicht als Deutsche, sondern werden auf die Staatsangehörigkeit der Eltern verwiesen. Und Maher Al Mahdi, Vater der kleinen Duha Aline, ist eben kein Deutscher, sondern stammt aus den Palästinensergebieten rund um Ramallah.

Aktuell lebt die Familie in einer 1,5-Zimmer-Wohnung im nicht einmal 9.000 Einwohner zählenden Städtchen Hemmoor, unweit der Elbe zwischen Stade und Cuxhaven. Vater Maher Al Mahdi ist im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, weil er nicht nach Ramallah zurückkehren kann: „Maher hat dort im Gefängnis gesessen, weil er nicht mit palästinensischen Milizen in den Krieg ziehen wollte“, sagt Anke Müller-Belecke, die in Hemmoor lebt und die Familie unterstützt. „Maher hat keinen Pass. Sollte seine Frau oder sein Kind abgeschoben werden, wird die Familie auseinandergerissen“, fürchtet die Sozialanthropologin, die Flüchtlingen mit dem von ihr mit ins Leben gerufenen „Café International“ hilft.

„Ich beabsichtige daher, das Kind […] aufzufordern, die Bundesrepublik Deutschland freiwillig unverzüglich bis zu einem noch zu bestimmenden Datum zu verlassen […].

Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise beabsichtige ich, dem Kind […] die Abschiebung nach Spanien oder Marokko anzudrohen. Das Kind […] kann auch in einen anderen Staat abgeschoben werden […].

Ich weise nochmals darauf hin, dass erforderlichenfalls auch die zwangsweise Rückführung als aufenthaltsbeendende Maßnahme eingeleitet werden würde, wenn das Kind […] seiner Ausreisepflicht nicht wie zu fordern beabsichtigt nachkommt.“ (Kreis Cuxhaven)

„Juristisch nicht einfach“

Nicht optimistisch wirkt auch der Anwalt Andreas Kuehn, der Mutter und Kind vertritt. „Juristisch ist der Fall nicht ganz einfach“, sagt er. Zwar gebe es noch keine Abschiebungsverfügung. Trotzdem könne es sein, dass Zohra zusammen mit Duha Aline gezwungen werden könnte, Deutschland noch in diesem Sommer zu verlassen.

Mut macht der Familie dagegen Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsen. „Duha Aline hat einen Rechtsanspruch auf Erziehung durch beide Elternteile“, betont er. „Die Beamten des Landkreises Cuxhaven müssten schon erklären, dass und wie die Familie woanders leben kann.“

Unterstützung durch Online-Petition

Massive Unterstützung bekommen die Al Mahdis auch durch eine Online-Petition, die von der Juristin Angela Heinssen am 1. Juni auf der Plattform change.org gestartet wurde. Menschenunwürdig sei es, „eine frisch entbundene Mutter mit ihrem Säugling mit ungewissem Ziel ins Flugzeug zu setzen“, findet Heinssen, die Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Europa und Internationales der niedersächsischen Grünen ist.

Am frühen Dienstagabend hatten schon über 28.000 Menschen die Petition mit ihrer Unterschrift unterstützt. Rechtlich ist der Aufruf zwar unverbindlich – doch die Unterzeichner kritisieren die Beamten von Landrat Bielefeld in schärfster Form: „Diese stumpfe Bürokratie ist wieder mal unglaublich“, schreibt einer. „Das Asylrecht sollte menschlicher werden“, fordert eine andere.

Behörde bleibt hart

Und der öffentliche Druck zeigt Wirkung: Die MitarbeiterInnen von Landrat Bielefeld scheinen schon heute zu ahnen, dass sie die Al Mahdis nicht einfach widerstandslos nach Spanien oder Marokko verfrachten können. „Wir haben nicht vor, Mutter oder Tochter in einer Nacht- und Nebel-Aktion ausweisen zu lassen“, sagt der Leiter der Ausländerbehörde des Landkreises Cuxhaven – und räumt ein, das Schreiben seines Ordnungsamts könne einen „herzlosen, bürokratischen Eindruck“ machen.

Inhaltlich bleibt der Mann aber hart: Seiner Meinung nach haben weder Zohra noch Duha Aline Al Mahdi ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Seinen Namen will der Beamte übrigens nicht in der Zeitung lesen. Der werde dann nur in sozialen Netzwerken verbreitet – und das sei „gefährlich“.

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