Fleischkonsum und Klimawandel: 12 Prozentpunkte mehr fürs Klima

Agrarpolitiker von CDU, SPD und Grünen fordern eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch – auch aus ökologischen Gründen. Kann das klappen?

Fleisch auf einem Grill

Ran an die Buletten! Foto: dpa

Wieso eine Bulettensteuer?

„Wir werden die Steuerbelastung der Bürger nicht erhöhen“ – das haben Union und SPD in ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Doch das war im Februar 2018. Damals gingen Jugendliche noch nicht jeden Freitag auf die Straße, um mehr Klimaschutz einzufordern. Damals gab es noch nicht das Volksbegehren gegen das Artensterben in Bayern. Heute ist das anders. Und jetzt geht es ran an die Buletten.

Fleisch soll teurer werden. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag sagte der Welt: „Ich bin dafür, die Mehrwertsteuerreduktion für Fleisch aufzuheben und zweckgebunden für mehr Tierwohl einzusetzen.“ Es sei nicht zu erklären, warum Fleisch mit 7 Prozent und zum Beispiel Hafermilch mit 19 Prozent besteuert werde. Ähnlich hörte sich das beim agrarpolitischen Sprecher der SPD, Rainer Spiering, an: „Eine Fleischsteuer, der Einfachheit halber über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent, wäre ein möglicher Weg.“ Und CDU-Agrarpolitiker Albert Stegemann erklärte: „Eine solche Steuer kann ein konstruktiver Vorschlag sein.“

Was ändert ein höherer Preis?

Ein Beispiel: Der Discounter Aldi bietet derzeit „Gemischtes Hackfleisch“, 500 Gramm, für 2,49 Euro an. Würde Fleisch künftig mit den vollen 19 Prozent statt wie bisher mit 7 Prozent besteuert, kämen 28 Cent drauf.

Da die Rülpser und Pupser der einzelnen Kuh nur schwer messbar sind, ist bisher keine Rede von der CO2-Steuer für die Landwirtschaft

Derzeit gehört Fleisch laut Steuerrecht zur Grundversorgung – genau wie Milch, Obst, Gemüse, Mehl, Kartoffel, Brot. Der Staat sponsert es – durch den niedrigeren Steuersatz. Doch die Sätze sind alles andere als plausibel. Wer für den Fernsehsofa-Abend Gummibärchen und Kartoffelchips kauft, zahlt 7 Prozent Mehrwertsteuer. Auch auf zubereitetes Krebsfleisch kommen 7, auf Hummer und Schnecken hingegen 19 Prozent. Die Mehrwertsteuersätze sind eine Sache für sich. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen will an ihnen schon lange drehen.

Wohin soll umgesteuert werden?

Vier Jahre ist es bereits her, dass die Umwelt-Regierungsberater vorgeschlagen haben, den vollen Mehrwertsteuersatz auf Fleisch zu erheben. Ihr Ziel unterscheidet sich von dem des Tierschutzbunds. Der hat jüngst eine Fleischsteuer gefordert, um mehr Geld für eine bessere Haltung von Kuh, Schwein, Huhn einzutreiben. Denn noch immer werden männliche Küken nach dem Schlüpfen getötet, männliche Ferkel betäubungslos kastriert. Der Sachverständigenrat beklagt indes, dass die wahren Kosten der Massentierhaltung verschleiert werden.

Dazu zählt er etwa das Stickstoffproblem, mitverursacht durch die Düngung mit Gülle aus den großen Tierställen: Grundwasservorkommen sind mit zu Nitrat umgewandeltem Stickstoff verunreinigt. Die Aufbereitungskosten für die Wasserwerke steigen. Dazu kommt die Erderhitzung: Die Landwirtschaft ist für gut 7 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich. Besonderheit: Es geht nicht allein um das klimaschädigende CO2, also Kohlendioxid, sondern auch um den Methanausstoß von Wiederkäuern, vor allem Rindern, der mit dem Fermentationsprozess des Grünfutters im Magen zu tun hat.

Bei der Düngung von Äckern wiederum gelangt Lachgas aus stickstoff­haltigen Düngemitteln in die Atmosphäre. Lachgas ist 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid, Methan immerhin noch 25-mal. Da die Rülpser und Pupser der einzelnen Kuh nur schwer messbar sind, ist bisher aber nicht die Rede davon, eine CO2-Steuer für die Landwirtschaft zu erheben – anders als fürs Tanken und Heizen. Mit einer Fleischsteuer allein wird es aber nicht getan sein.

Was schützt die Tiere und das Klima wirklich?

Bei 28 Prozent der Deutschen kommt täglich Fleisch oder Wurst auf den Tisch. Das wirkliche Lieblingsgericht ist für 33 Prozent Braten, Schnitzel oder Gulasch. Das zeigt der Ernährungsreport 2019. So sinkt der Fleischverzehr kaum, er liegt pro Kopf bei knapp 60 Kilo. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft rechnete zwar im Auftrag von Greenpeace vor, dass mit der Steuer die Nachfrage um 11 Prozent zurückgehe und die Einnahmen um 3,6 Milliarden Euro stiegen. Reiche wird die Fleischsteuer aber kaum vom Hack abhalten, sie träfe zuvörderst Ärmere. So glaubt nicht jeder an die nötige Durchschlagskraft.

Das SPD-geführte Bundesumweltministerium erklärte, zwar gebe es gute Gründe, die Mehrwertsteuer zu reformieren – aber in Gänze. Das größte Problem seien die hohen Tierdichten in Deutschland. Da gebe es effektivere Mittel, strenges Düngerecht etwa. Vor allem in Regionen mit Intensivtierhaltung müsse die Zahl der Tiere an die Fläche gekoppelt werden, erklärte Christine Tölle-Nolting vom Nabu. Im Stall wäre dann mehr Platz, auf den Feldern landete weniger Gülle. Anderer Hebel: Die milliardenschweren EU-Agrarsubventionen werden stärker als bisher an Umweltschutz und Tierwohl gekoppelt. Doch bisher sträubt sich dagegen vor allem das Bundesagrar­ministerium.

Wird die Regierung eine Steuer wagen?

Das Finanzministerium stellte klar, dass bei Steuern eine Zweckbindung von Mehreinnahmen etwa für den Tierschutz nicht möglich sei. CDU-Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner meinte, sie begrüße die Sensibilität dafür, dass es „mehr Tierwohl nicht zum Nulltarif“ gebe. Das könne aber nicht allein eine Bauernfamilie stemmen. Dafür brauche es öffentliche Mittel. Das Geld müsse aber „nicht automatisch aus Steuererhöhungen kommen, sondern kann durch Schwerpunktsetzungen erreicht werden.“ Welche Instrumente und Wege infrage kämen, diskutiere derzeit das von ihr eingesetzte „Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung“. Der Druck aber steigt.

Am Donnerstag wird der Weltklimarat IPCC seinen Sonderbericht „Klimawandel und Landsysteme“ veröffentlichen. Schon vorab sickerte durch, dass er betonen wird: Wer den Klimaschutz ernst nimmt, muss ran an die Buletten, heißt: zurück zum Sonntagsbraten und weniger Fleisch essen.

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