Feuilletondebatte zu Literatur und Klima: Klima-Romane werden kommen

Die ZEIT fragte, wo die Literatur zur Erderwärmung bleibt. Die Antworten zeigen, dass das Klima immer noch nicht im Gefühlsalltag angekommen ist.

Ein von Wasser zersrörtes Buch.

Klimawandel und Literatur: Beim Hochwasser an der Ahr zerstörte Bücher in Altenahr Foto: Christoph Hardt/imago

Der New Yorker Literat Jonathan Safran Foer hat zwei grandiose Sachbücher zur Klimakrise geschrieben, und ich wollte von ihm wissen, warum es eigentlich dazu keine guten Romane gibt. „Es ist da eine Ironie in der Sache“, sagte Foer. „Es ist sehr schwierig, sich vorzustellen, wie ein Klimawandelroman jetzt aussehen müsste. Aber es ist auch sehr schwer, sich eine Zukunft vorzustellen, in der nicht alle Romane Klimaromane sind – auf die eine oder andere Weise.“

Das ist im Wesentlichen schon die Antwort auf die jüngste Feuilletondebatte zur Frage fehlender Literatur zu den aufziehenden Katastrophen wegen menschlicher Ignoranz gegenüber der Erderhitzung. Genau genommen waren es nur eine Handvoll Texte, eine vehemente Forderung des führenden Politikjournalisten Bernd Ulrich (Die Zeit), ein paar Absagen aus Großfeuilletons, eine davon aus seinem eigenen. Die Absagen waren saftig-routiniert, aber klangen auch ein bisschen, als handele es sich hier um das Ansinnen einer nun wirklich skurrilen Minderheit.

Die Überlegenheitsgeste der Ablehnung wie auch die Begrenztheit der Debatte sind bezeichnend dafür, dass der Klimawandel zwar das zentrale Menschheitsproblem sein mag, aber eben nicht Teil der eingeübten Kultur und der Alltagsproduktion menschlich-kultureller Gefühle und damit auch Texte.

Die entscheidende Frage ist daher nicht, warum Literaten und Feuilletons keine Klimaromane und Klimakulturdebatten produzieren – sondern erst einmal, warum sie es nicht können. Sie können es vor allem nicht, weil sie die Geschichte nicht sehen und nicht spüren, zumindest nicht in der Verknüpfung mit dem eigenen Leben.

Es gibt junge Frauen, die die Klimakrise seelisch und körperlich brutal leiden lässt. Für die Mehrheit ist ein Obdachloser in der U-Bahn ohne Maske oder ein N-Wort in einem Facebook-Post oder eine bedrohte Currywurst etwas, das sie emotional aufwühlt und kulturell, medial oder politisch produktiv macht. Bitte: Ich kritisiere das nicht, ich analysiere.

Korrekt und klimaneutral

Es ist evident, dass die Idee der Kulturproduktion zur Förderung des real existierenden Sozialismus scheiße war. Das Missverständnis besteht darin, auch die Klimakrise in ein ideologisches oder aktivistisches Lager-Framing einzusortieren. Die Literatur soll eben nicht zur Predigt werden, korrekt und „klimaneutral“, wie der SZ-Feuilletonist Hilmar Klute höhnte. Andersherum: Literatur müsste ihre Klimaneutralität aufgeben können, um auf das Klima, hier: die Kultur unserer Gesellschaft, einzuwirken, sodass wir in der Irritation durch diese Kunst und Literatur vorankommen.

Im Moment sieht es nicht danach aus. Aber große Kunst, große Literatur, entsteht zwar aus dem Geist einer Zeit heraus, aber sie ist eben auch die Sache besonderer Menschen, die sich an ihrer Zeit reiben, sich mit dem Status quo des kulturellen Leckt-mich-am-Arsch nicht abfinden können und vor der ästhetisch-handwerklichen Schwere der Aufgabe nicht von vorneherein kapitulieren.

Und deshalb werden Klimaromane kommen.

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