Festnahmen auf linker Demo in Berlin: Hau drauf!
Die Polizei eskaliert auf der Luxemburg-Liebknecht-Demo mit Festnahmen – und geht damit mal wieder gegen vermeintliche Linksradikalität hart vor.
J a, sind wir denn in Hongkong? Als am Sonntag ein paar Hundert Menschen über die – jetzt hätte ich fast „Stalin-Allee“ geschrieben, denn so hieß die Karl-Marx- respektive Frankfurter Allee in DDR-Zeiten mal – demonstrierten, um wie jedes Jahr am zweiten Sonntag im Januar an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu erinnern, tickte ein Teil der Berliner Polizei aus. TeilnehmerInnen der Demo, von Polizeikreisen als linksradikal eingestuft, trugen blaue Hemden mit einem gelben Emblem auf dem linken (!) Arm: das Symbol der Freien Deutschen Jugend, dem kommunistischen Jugendverband der DDR (es gab nur den einen). Erste Gruppen der FDJ, so das Kürzel, waren schon vor dem Zweiten Weltkrieg im Exil, etwa in Großbritannien, entstanden. Und später eben auch in Westdeutschland, doch dort wurde die FDJ seit 1954 als verfassungswidrige Organisation verboten – und das gilt bis heute fort. Die Ostvariante aber ist bis heute legal.
Die Berliner Polizei hat nun am Sonntag etliche FDJ-Embleme (eine stilisierte, aufgehende Sonne) entdeckt und sich dafür entschieden, recht brachial einzuschreiten. Es habe der „Anfangsverdacht“ einer Straftat vorgelegen. Man hätte sich auch anders entscheiden können. Doch angeblich seien die Symbole von westdeutscher und ostdeutscher FDJ schwer auseinander zu halten. Sie sehen in der Tat gleich aus.
Sagen wir mal so: Die Vorgehensweise offenbart eine altbekannte Problemlage. Denn die klügere Vorgehensweise wäre gewesen, gar nicht einzuschreiten.
Aber es ist wie so oft. Weil die Demo als linksradikal eingestuft war, kann es nur diese eine Taktik geben. Man stelle sich einen ähnlichen Aufmarsch rechtsradikaler Kräfte mit einem Fahnenmeer vor, das sich nur schwer unterscheiden lässt in Bezug auf verbotene Symbole – eben! Es gibt übrigens ein DDR-Lied, es geht so: „Bau auf, bau auf, bau auf, bau auf, Freie Deutsche Jugend, bau auf.“ Für die Polizei heißt es wohl eher: Hau drauf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken