Opposition in Hongkong: 50 auf einen Streich

Die Regierung in Peking geht mit einer Verhaftungsswelle gegen die Opposition vor. Das ist auch eine deutliche Botschaft an den Westen.

Polizisten mit Mundschutz führen einen Mann ab

Auch er wurde am Mittwoch festgenommen: Der Aktivist Lester Shum Foto: reuters

PEKING taz | Auf sozialen Medien reagieren viele Hongkonger bereits wenige Stunden später mit Galgenhumor: Schon bald würde man sich das Krisenjahr 2020 zurückwünschen, denn im Jahr 2021 sei alles nur noch schlimmer.

Am Mittwochmorgen wurde die einst britische Kronkolonie von der bisher größten Verhaftungswelle erfasst, seit die Zentralregierung in Peking Hongkong das sogenannte „Gesetz für nationale Sicherheit“ aufgezwungen hat: Rund 50 Oppositionspolitiker und Aktivisten wurden festgenommen. Der offizielle Strafbestand lautet auf Subversion, was mit bis zu zehn Jahren Gefängnis geahndet werden kann.

Die Festnahmen gehen auf die nicht genehmigten Vorwahlen des prodemokratischen Lagers im vergangenen Jahr zurück. Dabei wollte die Opposition die Popularität ihrer Kandidaten für die ursprünglich für den 6. September geplanten Parlamentswahlen ausloten. Das Ziel war es, die Kräfte für jeweils einen Kandidaten pro Wahlkreis zu bündeln, um so letztendlich die Siegeschancen zu erhöhen. Ein Szenario, das Peking als riesigen Gesichtsverlust fürchtete.

Zu jenen Parlamentswahlen sollte es jedoch ohnehin nicht kommen, sie wurden von Verwaltungschefin Carrie Lam unter dem Vorwand des Coronavirus um ein Jahr verschoben – nicht ohne vorher etliche Peking-kritische Politiker von ihrer Kandidatur zu disqualifizieren. Die Opposition hatte das Parlament daraufhin gesammelt verlassen.

Menschliche Schicksale

Hinter der jetzigen Verhaftungswelle verbergen sich menschliche Schicksale wie etwa das des 35-jährigen, indischstämmigen Jeffrey Andrews, der in seiner Jugend auf die schiefe Bahn geriet und eine Kriminellenlaufbahn bei den Triaden einschlug, nach seiner Läuterung jedoch als erster Angehöriger einer ethnischen Minderheit für einen Parlamentssitz kandidierte.

Oder des 56-jährigen Benny Tai, dem bereits vor sechs Jahren bei der Bewegung „Occupy Central“ eine zentrale Bedeutung zukam. Ebenfalls wurde erstmals ein ausländischer Staatsbürger aufgrund des nationalen Sicherheitsgesetzes festgenommen: Der Rechtsanwalt John Clancey hatte bei den Vorwahlen geholfen.

Pekings Machtdemonstration gilt dabei nicht nur der Protestbewegung Hongkongs, sondern auch dem Westen: Beim Schicksal jenes Hongkongs, welches die Briten sich nach den schmachvollen Opiumkriegen einverleibt hatten, möchte man sich nicht vom Ausland reinreden lassen – ganz egal, wie groß der internationale Druck auch ist.

Washingtons künftiger Außenminister Anthony Blinken schrieb auf Twitter von einem „Angriff auf diejenigen, die sich tapfer für universelle Rechte einsetzen“. Die US-Regierung werde den Menschen in Hongkong beistehen und sich gegen Pekings Vorgehen positionieren.

Drastische Zäsur

Mittlerweile wird immer deutlicher, welch drastische Zäsur das im Juli eingeführte nationale Sicherheitsgesetz für die Finanzmetropole darstellt. Die unzähligen Beschwichtigungen wirken rückblickend mehr als makaber. Verwaltungschefin Carrie Lam sagte etwa bei dessen Einführung, dass sich das Gesetz nur gegen eine „sehr kleine Minderheit“ richte: „Ich bin mir sicher, dass mit fortschreitender Zeit das Vertrauen in die Zukunft von HK wachsen wird“.

Tatsächlich sollte spätestens seit Mittwoch jedem klar sein, dass Peking mit dem nationalen Sicherheitsgesetz eine jegliche politische Opposition im Keim ersticken möchte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.