Festgenommene Deutsche bei G7: Auf der schwarzen Liste
Vier Deutsche wurden am Rande des G7-Gipfels in Frankreich in einer „Präventivmaßnahme“ festgenommen. Drei sind noch immer in Haft.
Diese deutsch-französische Kooperation wurde vier Deutschen zum Verhängnis, deren Namen offenbar auf schwarzen Listen standen. Angeblich sind sie bei Demonstrationen „mit internationaler Beteiligung polizeilich in Erscheinung getreten“ oder sollen in diesem Kontext „Kontakte zu ausländischen Aktivisten und Gruppierungen unterhalten“ haben. So wurde auf Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Die Linke) der polizeiliche Informationsaustausch begründet.
Am 21. August wurde vermutlich dank Informationen aus Deutschland an einer Autobahnmautschranke bei Biarritz das Fahrzeug von drei Deutschen zwischen 18 und 22 Jahren kontrolliert. Da die Polizei nach eigenen Angaben Pfeffer- oder Tränengassprays sowie einen Hammer und linke Propaganda fand, wurden die drei aus Nürnberg inhaftiert.
Zwei Tage später wurden sie im Eilverfahren zu zwei und drei Monaten Haft verurteilt. Für den Staatsanwalt stellten die drei ein „latentes Risiko“ dar. „Wir hatten zwölf Tage keine Nachricht über ihren Verbleib“, beklagt sich Angelika K., deren Sohn E. getrennt von seinen Freunden in einem Gefängnis in Bordeaux sitzt.
Das Urteil hat einen Haken: Die drei hatten vor der Festnahme nichts Illegales getan. Auf ihren Handys wurde kein Hinweis auf geplante Straftaten gefunden. Wie E.'s Mutter telefonisch bestätigte, waren sie auf dem Weg ins spanische Baskenland.
Das Gericht stützte sich auf den umstrittenen Artikel 222-14-2 des französischen Strafgesetzbuchs, der präventive Festnahmen erlaubt und bei der Repression der Gelbwestenbewegung häufig angewandt wurde. Eine „Teilnahme an einer Versammlung in Hinblick auf Sachbeschädigungen oder vorsätzliche Gewalt gegen Personen und Einrichtungen“ ermöglicht eine Verurteilung bereits für vermutete Absichten.
Nach Kehl abgeschoben
Ein Opfer des Austauschs von Überwachungsdaten wurde auch ein 38-jähriger Mitarbeiter von Radio Dreyeckland, der über den Gipfel und die Gegenveranstaltungen in Biarritz und Umgebung berichten wollte. Am 8. August wurde er in Dijon, wo er seit Anfang Juli lebt und arbeitet, unter Hinweis auf ein gegen ihn erlassenes Aufenthaltsverbot als Sicherheitsrisiko festgenommen und am Tag danach über die Grenze nach Kehl abgeschoben.
Das Motiv: Dieser Deutsche sei „mit seinen Aktivitäten in der ultralinken Szene und wegen Teilnahme an gewaltsamen Aktionen“, namentlich beim G20-Gipfel in Hamburg, aufgefallen. Das bestreitet der 38-Jährige, der mit Erfolg die Anordnung angefochten hat.
Da die französische Polizei in Straßburg ihm auf seine Anfrage hin sagte, es liege nichts gegen ihn vor, kehrte er am 20. August nach Dijon zurück. Am 21. fuhr er mit dem Zug in Richtung Hendaye, wo er für den Radiosender über den Gipfel der G7-Gegner informieren sollte. Aufgrund eines ihm nicht bekannten neuen Bescheids der Behörden wurde er in Saint-Jean-de-Luz festgenommen und nach 18 Stunden Haft mit einem Sonderflug nach Stuttgart gebracht. Er habe gegen ein befristetes Einreiseverbot verstoßen.
Wie der Rechtsgelehrte Serge Slama in der Zeitung Libération erklärt, benutze die französische Regierung in diesem Fall gegen einen unliebsamen Reporter „eine Antiterror-Vorschrift. Dieses wurde während des Ausnahmezustands in Kraft gesetzt, um Ausländern und EU-Bürgern die Einreise zu untersagen, weil sie im Verdacht standen, in Frankreich Attentate verüben zu wollen.“
In Nürnberg und im Baskenland fanden Solidaritätskundgebungen für die Opfer der als „willkürlich“ kritisierten Festnahmen und Inhaftierungen von vermeintlichen „Gesinnungstätern“ am Rande des G7 statt. Die französische Menschenrechtsliga LDH protestierte gegen „Einschüchterungsversuche“ der französischen Behörden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen