Fernbahntunnel in Frankfurt: Bahn steuert neues Großprojekt an
Eine Studie soll zeigen, ob ein Fernbahntunnel unter dem Frankfurter Hauptbahnhof machbar und sinnvoll ist. Erinnerungen an Stuttgart21 kommen auf.
Der Frankfurter Hauptbahnhof ist einer der wichtigsten Eisenbahnknoten Deutschlands. Das Problem: Er ist ein Kopfbahnhof, Züge können also nicht in die gleiche Richtung weiterfahren. Sie verlieren Zeit. Durch einen neuen Tunnel für den Fernverkehr könnten Züge Schätzungen zufolge bis zu acht Minuten gewinnen.
Die derzeitigen Pläne sehen einen Tunnel mit zwei Gleisen vor, die von Osten und Westen auf den Bahnhof zulaufen. Dort soll ein neuer Tiefbahnhof mit vier Gleisen entstehen, der bisherige Hauptbahnhof soll bestehen bleiben. Hier fährt dann der Regionalverkehr. Der Tunnel müsste unter das Bankenviertel und den Main gebohrt werden.
Ob und wie das technisch machbar ist, erforscht ab jetzt die Bahn-Tochterfirma DB Netz in einer Studie. „In diesem Zusammenhang sollen insbesondere Grundsatzfragen vertieft untersucht, die Kostenschätzung überprüft und der Planungsprozess strukturiert werden“, teilt die Deutsche Bahn mit. Die Ergebnisse sollen bis zum Frühjahr 2021 vorliegen.
Die schwarz-grüne Landesregierung unterstützt das Bauvorhaben ebenso wie die Stadt Frankfurt. Im vergangenen November hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Tunnelbau im aktuellen Bundesverkehrswegeplan in die Kategorie „vordringlicher Bedarf“ eingestuft. Der Bund sieht Ausgaben von mehr als 3,5 Milliarden Euro vor.
Bernhard Knierim, Bahn für Alle
Diese Größenordnung erinnert an das völlig aus dem Ruder gelaufene Projekt Stuttgart 21. Doch der geplante Frankfurter Tunnelbau ist damit nicht direkt vergleichbar, sagt Bernhard Knierim vom Bündnis „Bahn für Alle“. In Frankfurt soll anders als in Stuttgart der Bahnhof erhalten bleiben, mit dem Tunnel sollen zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden.
Ob das sinnvoll ist oder nicht, müsse ergebnisoffen geprüft werden, sagt Knierim. Allerdings ist er skeptisch. „Möglicherweise werden mit dem Tunnelprojekt ein paar Minuten Fahrzeit eingespart“, sagt er. „Die Frage ist, ob das Geld wirklich sinnvoll angelegt ist.“ Statt eines Großprojekts würden viele kleine Maßnahmen erfahrungsgemäß für eine größere Verbesserung des Schienenverkehrs sorgen.
Großprojekte werden mitunter viel teurer als geplant. Stuttgart 21 sollte ursprünglich 2,8 Milliarden Euro kosten, mittlerweile haben sich die Ausgaben mehr als verdreifacht – und ein Ende ist nicht absehbar. Wenn am Mittwoch der Bahn-Aufsichtsrat tagt, werden VertreterInnen des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21 vor dem Bahntower in Berlin demonstrieren.
Sie fordern unter anderem, dass Kopfbahnhofgleise erhalten werden, um die ausufernden Kosten einzudämmen. Danach ziehen sie zum Sitz des Berliner Justizsenators Dirk Behrendt (Grüne). Denn der lehnt es ab, die von den AktivistInnen geforderten Ermittlungen wegen Untreue gegen Stuttgart-21-Verantwortliche einzuleiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit