Femizide in den Medien: Verklärende Berichterstattung
Aktivist*innen kritisieren die Medienpraxis im Umgang mit Femiziden. Die Berichte sind allzu häufig verharmlosend – auch bei Berliner Zeitungen.

Gewaltschutzambulanz der Berliner Charité und Untersuchungsstelle für körperliche Gewalt, Tel. 030/450570270, Web: www.gewaltschutz-ambulanz.charite.de
Nächtliche Krisenanlaufstelle, Frauen*NachtCafé, Tel. 030/61620970, Web: www.wildwasser-berlin.de
Beratungsstelle für Migrant*innen mit anonymen und muttersprachlichen Angeboten, Ban Ying e. V., Tel. 030/4406374, Web: www.ban-ying.de
Frauenladen mit Drogen- und Suchtberatung, Tel. 030/4552093, Web: www.frausuchtzukunft.de
Viele solcher Texte, wie die beiden sie gelesen haben, hatte das „Netzwerk gegen Feminizide“ am vergangenen Samstag am „Widerstandsplatz“ – offiziell der Nettelbeckplatz – im Wedding ausgestellt. Die Ausstellung war Teil ihres Aktionstages „Gegen die Verharmlosung von Morden an Frauen* in den Medien und gegen eine sexistische und rassistische Berichterstattung“, an dem sich nach taz-Schätzungen etwa 100 Menschen beteiligten.
Das Problem, das der Aktionstag ins kollektive Gedächtnis rufen will, wurde neben der Ausstellung auch in zahlreichen Redebeiträgen deutlich: Femizide, also Morde an Mädchen und Frauen* aufgrund ihres Geschlechts und patriarchaler Unterdrückung, würden in der Öffentlichkeit häufig nicht als solche benannt. Stattdessen würden sie rassistisch als „Ehrenmorde“ oder romantisierend als „Liebesdramen“ verklärt. Es geschehe „Victim Blaiming“, also das Hinterfragen der Mitschuld von Opfern, oder Femizide würden als Einzelfälle bagatellisiert.
Viel Luft nach oben
Probleme, die bereits bekannt sind und 2021 durch die Studie der Otto-Brenner-Stiftung „Tragische Einzelfälle? Wie Medien über Gewalt an Frauen berichten“ auch empirisch belegt wurden. Probleme, die laut den Organisator*innen auch in Berlin bestehen: „Es gibt noch viel Luft nach oben“, sagt Lena vom „Netzwerk gegen Feminizide“, angesprochen auf ihre Wahrnehmung zur Berichterstattung über Femizide. Sie habe in den vergangenen Jahren viel dazu recherchiert und dokumentiert. Besonders gravierend sei einerseits, „dass die Boulevardpresse bestimmte Fälle als Bluttat ausschlachtet, um Klicks zu erhalten“. Dadurch werde von der geschlechtsspezifischen Dimension der Taten abgelenkt.
Aber auch die Unwissenheit von Medienschaffenden über geschlechtsspezifische Gewalt und Femizide sei noch groß. Aus Lenas Sicht ein Ansatzpunkt für Veränderungen: „Wir wollen aufklären und sensibilisieren.“ Unterstützung erhalten sie dabei auch von professioneller Seite. Eine der Redner*innen an diesem Nachmittag, Sonja Peteranderl, ist selbst Journalistin und hat erst kürzlich einen Praxisleitfaden für Medienschaffende mitentwickelt, von dem sie berichtet. Und auch für Lesende gibt es die Einladung mitzuwirken, beispielsweise durch das Schreiben kritischer Leser*innenbriefe via Online-Vorlage.
Ein solcher Aktionstag, wie ihn das Netzwerk etwa alle drei Monate organisiert, habe aber noch einen weiteren Zweck, sagt Lena abschließend: „Wir wollen aktiv und zusammen sein, um aus der individuellen Ohnmacht rauszukommen, die das Thema leicht verursacht.“ Das so scheint es, ist an diesem Tag gelungen. „Wir wollen uns lebend! Jin, Jiyan, Azadî! Ni una menos!“ ruft die letzte Rednerin ins Mikrofon und lauter Applaus flammt auf.
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