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Feministische AußenpolitikBaerbock versteht man nicht

Die meisten Leute in Deutschland wissen nicht, was feministische Außenpolitik bedeutet. Die Außenministerin sollte den Begriff erklären können.

Die grüne Außenministerin Baerbock spricht in Ankara mit geflüchteten Frauen aus Syrien und Irak Foto: Annette Riedl/dpa

Wissen Sie, was feministische Außenpolitik ist? Seit Annalena Baerbock (Grüne) als Außenministerin durch die Welt reist, führt sie diesen Begriff im Munde. Es ist schon länger ein Anspruch der Grünen, nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Außenpolitik geschlechtergerechter, feministischer zu gestalten. Doch was heißt das eigentlich?

Die einen definieren feministische Außenpolitik als „Überzeugung, dass Geschlechtergerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe Voraussetzung für nachhaltigen Frieden und Sicherheit in der Welt sind“, so wie das Auswärtige Amt es tut. Andere verstehen es „holistisch“, wie die Politikwissenschaftlerin Kristina Lunz in der taz mal formulierte: „Für uns geht es um ein Infragestellen der grundlegenden Paradigmen von Außen- und Sicherheitspolitik. Das sogenannte realistische Paradigma muss analysiert und hinterfragt werden: Können Staaten wirklich nur durch militärische Stärke, Dominanz und Unterdrückung anderer überleben?“ Wiederum andere sagen, das sei alles viel zu unkonkret und helfe daher kaum weiter.

Dennoch sprechen linke und grüne Kreise gern und oft von einer feministischen Außenpolitik, die angesichts der aktuellen Ereignisse im Iran und in Afghanistan dringend nötig sei. Aber wissen auch die Menschen jenseits politischer Kreise, was sich hinter dem Begriff verbirgt?

Dieser Frage sind die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und die Körberstiftung nachgegangen – und sind zum kaum überraschenden Ergebnis gekommen, dass hierzulande niemand so recht weiß, was das eigentlich ist. Laut der Umfrage, die der taz exklusiv vorliegt, haben über 60 Prozent der Befragten den Begriff „feministische Außenpolitik“ noch nie gehört. Oder sie wissen nicht, was er bedeutet. Das Unwissen steigt, je älter die Menschen werden und weniger gebildet sie sind.

Triggerwort Feminismus

Auch zwischen Ost- und Westdeutschen klafft eine Lücke: Es sind öfter Ostdeutsche, die mit dem Begriff nichts anfangen können. Hinzukommt, dass allein das Attribut feministisch als eine Art negatives Triggerwort wirkt: Feminismus als Störfaktor im Patriarchat. Hier steht die Terminologie der Realität im Wege, lässt sich die Bilanz der DGAP und Körberstiftung zusammenfassen.

Nun ist feministische Außenpolitik ein recht junger Politikanspruch. Schweden hat als erstes Land der Welt 2014 eine feministische Außenpolitik eingeführt. Kernpunkte dieses Ansatz sind drei R: Rechte, Ressourcen, Repräsentation – von Frauen und Mädchen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Jüngst kam ein viertes R dazu: Realitätscheck. Die feministische Außenpolitik soll regelmäßig evaluiert und Fort- und Rückschritte dokumentiert werden.

Angesichts Baerbocks lascher Haltung zu den anhaltenden Proteste im Iran sind mittlerweile selbst Fe­mi­nis­t:in­nen skeptisch, welche Wirkung eine feministische Außenpolitik grundsätzlich entfalten kann. „Wenn die Frauenrechtsproteste im Iran kein Fall für eine feministische Außenpolitik sind – dann gibt es keine feministische Außenpolitik“, schrieb die Autorin und Ärztin Gilda Sahebi vor kurzem in der taz.

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14 Kommentare

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  • "Andere verstehen es „holistisch“, wie die Politikwissenschaftlerin Kristina Lunz in der taz mal formulierte: „Für uns geht es um ein Infragestellen der grundlegenden Paradigmen von Außen- und Sicherheitspolitik. Das sogenannte realistische Paradigma muss analysiert und hinterfragt werden: Können Staaten wirklich nur durch militärische Stärke, Dominanz und Unterdrückung anderer überleben?“"

    So könnte man feministische Außenpolitik tatsächlich verstehen, beißt sich allerdings mit der Politik der "realpolitisch" bewegten Annalena Bearbock oder des allgemein seit dem Ukrainekrieg verbreiteten "Panzerfeminismus" (www.freitag.de/aut...aer-und-heldentod), der das genaue Gegenteil von dem beschreibt und praktisch vertritt von dem Kristina Lunz spricht.

    Für mich geht Baerbock viel zu wenig öffentlich mit den diversen Ambivalenzen um, die eine solche Politik aus einer Menschenrechtsperspektive bedeuten würden bzw. bedeuten müssten. Ich habe eher den Eindruck, dass "feministische Außenpolitik" einfach ein Label ist, unter dem sich die Grüne(n) Politiker*innen selbst gefallen und durch das man sich von früheren Politiken abgrenzen möchte. Ob man dem Anspruch dann tatsächlich gerecht wird - geschenkt.

  • „Baerbocks lascher Haltung zu den anhaltenden Proteste im Iran..."

    Frau Baerbocks 'lasche Haltung' könnte auch darauf verweisen, daß sie im Geist eines BESTIMMTEN Feminismus agiert: Im Geist des 'intersektionalen', 'third-wave-Feminismus' der sich den 'identitätspolitischen' Ideologien ('Wokeness') verschrieben hat und damit deren Kulturrelativismus bzw. Anti-Universalismus geerbt hat

    Second-wave-Feministinnen wie Alice Schwarzer, die von intersektionalen Feministinnen z.B. wegen ihrer Kopftuchkritik als 'islamophob' bzw. 'anti-islamisch-rassisistisch' bezeichnet werden, stehen demgegenüber für die universelle Geltung der Menschenrechte - für eine universalistische Haltung.

    Auch in weiterer Hinsicht sind die Unterschiede zwischen beiden Feminismen gravierend: der eher liberale Ansatz des second-wave-Feminismus mit dem Ziel der GleichBERECHTIGUNG ('Chancengleichheit') ist im neuen Feminismus durch GleichMACHUNG (des Ergebnisses) ersetzt, ganz im Einklang mit den (amerikanischen) identitätspolitischen Ideologien.

    Demgegenüber nennen second-wave Feministinnen die 'Gender Identity Ideologie', die die neuen Feministinnen adaptiert haben,



    'frauenfeindlich', da diese Ideologie die kategoriale Basis jeglicher Frauenpolitik unterminiert: die Kategorie 'Frau', indem sie biologischen Männern das Recht einräumt, sich (verbal) 'als Frau zu identifizieren' (und damit z.B. geschützte Räume, die bisher nur Frauen zugänglich sind auch Männern öffnet).

    Nicht nur der Begriff 'feministische Außenpolitik', auch der Begriff des 'Feminismus' bedürfen der Klärung.

    • @A. Winkler:

      Für mich ist dieser von Ihnen bezeichnete "third wave feminism" ziemlich körperfeindlich - da er physische Realitäten, die eigentlich den einzigen Unterschied zwischen den Geschlechtern darstellen, nihiliert; die Trennung zwischen Sex (Geschlecht) und Gender wird dort verwischt.

  • In der Tat verstehe ich auch nicht, was feministische Außenpolitik ist. Ich härre erwartet, dass die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen - gerade und besonders an Frauen - harsche Reaktionen Baerbocks hervorrufen. Und nicht diese trostlosen Lippenbekenntnisse.

    Geschicht denn dort weniger Unrecht als in der Ukraine? Die Regierung muss die Demonstranten unterstützen, wo es nur geht. Und der iranischen Regierung klarmachen, dass man das nicht hinnimmt. Die Pillepalle-Sanktionen, die gegen den Iran aktiv sind, locken dort keinen Hund hinter dem Ofen hervor.

  • Nun, was Baerbock da in Bezug auf Iran abzieht, ist sicherlich das Gegenteil feministischer Außenpolitik.

    Baerbock meinte in einer Bundestagsred, die Gewalt gegen Frauen in Iran – angeordnet von einem islamistischen Regime – habe mit Religion und Kultur «nichts, aber auch gar nichts zu tun».

    Echt jetzt? Feministische Außenpolitik ist es sicher nicht den unglaublich mutigen Frauen im Iran in den Rücken zufallen. Die Frauen wollen kein islamistisches Regime mehr. Die Gewalt gegen Frauen wird eben durch diese Religion legitimiert.

    Die iranischen Frauen kämpfen gegen antiemanzipatorische Vorschriften, gegen ein System der Unterdrückung im Namen des Islams. Sie wollen sich ihre Freiheit vom Kopftuch erkämpfen, ohne dass sie von religiösen Autoritäten, Nachbarn, Freunden, Eltern oder Brüdern als unislamisch und unmoralisch bezeichnet werden.

    Oder wie es Amina Aziz in der taz schreibt: "Es kann doch nicht sein, dass Tausende Frauen und Queers in islamisch geprägten Ländern ihr Leben für die Freiheit lassen, und hier entscheidet man sich dafür, in einer Opferhaltung auszuharren, deren teils islamistischen Ursprung man nicht hinterfragt."

    taz.de/Fehlende-mu...daritaet/!5882348/

    • @shantivanille:

      Man könnte auch einen Mittelweg wählen, denn die iranischen Frauen kämpfen womöglich für eine weniger restriktive und konservative Form des Islam. Ich halte es für sehr viel wahrscheinlicher, dass es dort nicht darum geht, sich komplett vom Islam zu emanzipieren, warum auch, sondern von fundamentalistischen Positionen die für viele Frauen tödlich enden.

      Und genau DAS wäre auch ein (1 - einer von vielen) argumentativer Unterschied auf den es aber ankommt, denn selbstverständlich haben die Kämpfe etwas mit Historizität, mit Religion und (Geschlechter- und Gesellschafts)Kultur zu tun. Das zu ignorieren wird eben weder einer feministischen Außenpolitik gerecht, noch der komplexen außenpolitischen Gemengelage allgemein. Aber wahrscheinlich wollte sie mit dieser Formulierung nur niemandem auf die Füße treten oder irgendwelchen Rechten Wasser auf die Mühlen geben. Selbst wenn das so sein sollte, wird es trotzdem nicht dem Problem gerecht.

  • 6G
    659554 (Profil gelöscht)

    Sind denn die Uniformiertheit und Ignoranz ein Maßstab für irgendwas?

  • 》Angesichts Baerbocks lascher Haltung zu den anhaltenden Proteste im Iran sind mittlerweile selbst Fe­mi­nis­t:in­nen skeptisch, welche Wirkung eine feministische Außenpolitik grundsätzlich entfalten kann《

    Eine nicht nur grundsätzliche, sondern ganz konkrete Wirkung hätte es, wenn das AA, Außenministerin Baerbock, das beabsichtigte Auslaufenlassen der interkulturellen Platform qantara.de überdenken und statt, wie beabsichtigt, die Mittel von 380000 € pro Jahr ab 2023 auf Null zu fahren sie verdoppelt und die Debattenplattform um Farsi erweitert, wie es der Journalist Tilo Jung hier auf Instagram fordert

    www.instagram.com/...gshid=YmMyMTA2M2Y=

    Weitere links: taz.de/!5879847/#bb_message_4394606

  • Preis-Wertebasierte feministische Außenpolitik

    Zitat: "Es ist schon länger ein Anspruch der Grünen, nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Außenpolitik geschlechtergerechter, feministischer zu gestalten. Doch was heißt das eigentlich?"

    Für das „Konzept feministischer Außenpolitik“ hat die verstorbene erste US-amerikanische Außenministerin Madeleine Albright wenn auch keine Erklärung, so doch eine markante und sehr konkrete Illustration geliefert. In einem Interview des TV.Magazins „60 Minutes“ wurde sie 1996 auf ihre persönliche Mitverantwortung für die Handelssanktionen gegen den Irak angesprochen: »Eine halbe Million Kinder sind gestorben; mehr als in Hiroshima. Ist der Preis es wert?“ Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: „Wir denken, den Preis ist es wert."

  • Femninistische Außenpolitik nach Baerbock ist es offenbar, Waffen an Regierungen zu liefern, die Frauen wegen Twitter-Nutzung für Jahrzehnte einsperren und andere Frauen im Jemen durch Clusterbomben zerfetzen.

    Es fällt mir schwer, es freundlicher zu sagen.

    Wer solche furchtbaren Waffenlieferungen ernsthaft damit rechtfertigt, dass wir so besser deutsche Kinder unterstützen können, die hat mit ihrer angeblich wertebasierten und feministischen Außenpolitik in Wirklichkeit jeden Bezug zu Werten und auch zum Feminismus verloren.

    Sie wird nicht erklären können, was ihr Feminismus ist, es sei denn, wir erkennen nun nur noch Ukrainerinnen als Frauen an, nicht mehr aber Frauen aus dem Jemen. De facto ist das so.

    • @PolitDiscussion:

      Man muß gar nicht bis in den Yemen gehen, auch in Rußland gibt es Frauen. siehe das Tagebuch "Krieg und Frieden" von heute.

    • @PolitDiscussion:

      Der Vorwurf hört sich so an als würde Baerbock Waffen nach Russland liefern wollen. Das ist aber meines wissens nicht der Fall. Ihc denke keiner ist für Waffenlieferungen, bitte nennen sie eine realistische Alternative. Verhandlungen ja, aber darf man Putin dabei festbinden ? Das wäre wohl nötig.

    • 0G
      06455 (Profil gelöscht)
      @PolitDiscussion:

      DANKE!



      Solche Äusserungen, die diese Frau von sich gab auf dem Parteitag, hätte man bei einer anderen Partei vermutet.



      Eine solche Frau als Aussenministerin ist beschämend und untragbar.