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Feminismus in der Katholischen KircheDie Stö­re­r:in­nen

Weg mit dem Pflichtzölibat, rein mit Frauen in Führungsjobs der katholischen Kirche. Die Bewegung Maria 2.0 will die Strukturen aufbrechen. Eine Bilanz.

„Maria 2.0“-Aktivistinnen Tanja Daubner (l) und Renate Spanning am 21. Februar 2021 Foto: Angelika Warmuth/dpa

Ein paar Frauen einer römisch-katholischen Kirchengemeinde in Münster treffen sich regelmäßig zu einem Lesekreis, bei dem sie das erste apostolische Schreiben von Papst Franziskus genau unter die Lupe nehmen. Aber bei einem ihrer Treffen Anfang 2019 sprechen sie über aktuelle Geschehnisse rund um ihre Kirche.

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Den Umgang mit den vielen Missbrauchsfällen beispielsweise. Und sie sprechen darüber, wie es ihnen selbst damit geht, dass die Amtskirche sich zu Themen wie diesem so verhält, wie sie es eben tut.

Die Wut ist groß, die Vertuschungen können und wollen sie nicht mehr akzeptieren. Und sie wollen es nicht mehr hinnehmen, so wenig bei diesen Vorgängen mitreden zu können, nicht mitbestimmen zu können, wie sich die Institution, der sie sich zugehörig fühlen, verhält.

In ihrer gemeinsamen Wut, Trauer und Empörung an jenem Abend Anfang 2019 legen sie den Grundstein für die Bewegung Maria 2.0.

Ernüchternde Begegnung

Ein paar Monate später rufen sie Frauen dazu auf, Anfang Mai für eine Woche keine römisch-katholische Kirche zu betreten – nicht zum Gottesdienst, nicht für eine Chorprobe, nicht zum Dekorieren oder zu anderen ehrenamtlichen Dienstleistungen. Stattdessen feiern die Frauen draußen vor ihrer Kirche Gottesdienst – Maria 2.0 erblickt in dieser Woche im Mai 2019 das Licht der Welt – vor fast genau zwei Jahren.

Seitdem ist viel passiert: Der offene Brief an Papst Franziskus, in dem die Gruppe ihre Reformvorschläge geschrieben hatte, bekam on- und offline über 42.000 Unterschriften. Frauen von Maria 2.0 durften das Schreiben dem Nuntius, dem Vertreter des Papstes in Deutschland, übergeben. Die Begegnung war sehr ernüchternd, sagt Monika Schmelter, eines der Urgesteine der Bewegung. Eine Antwort vom Papst kam bislang auch nicht, Schmelter bezweifelt, dass er den Brief überhaupt jemals zu lesen bekommen hat.

Dieses Jahr folgte im Februar die medienwirksame Aktion „Neuer Thesenanschlag nach 500 Jahren“: An Dom- und Kirchentüren in ganz Deutschland sollten die sieben von Maria 2.0 ausgearbeiteten Thesen gehängt werden. In den Thesen fordert die Gruppe nicht nur Gleichberechtigung und eine gute Aufarbeitung und Übergabe der Missbrauchsfälle an weltliche Gerichte, sondern auch ein anderes Umgehen der römisch-katholischen Kirche mit ihren finanziellen und materiellen Ressourcen.

Die Thesenpapiere konnten von jeder und jedem ausgedruckt und einfach an den Türen angebracht werden. Letztendlich hingen dann am 20. und 21. Februar in 22 der insgesamt 27 Bistümer in Deutschland die Thesenpapiere an den Domtüren und zusätzlich noch an über 1.000 weiteren Kirchengebäuden in ganz Deutschland. Die Aktion wurde medial sehr hochgespielt, was wohl auch daran lag, dass die Menschen, die die Papiere an den Türen angebracht hatten, Fotos davon machten und diese in den sozialen Netzwerken posteten. Es entstanden riesige Fotostrecken, die oft nur diese Momentaufnahme zeigen, denn häufig wurden die Thesenpapiere kurz darauf wieder abgenommen.

Sie wollen weiter stören

Inzwischen ist Maria 2.0 längst keine kleine Gruppe von Frauen in einer einzigen Kirchengemeinde mehr. Aktionen wie der offene Brief an den Papst oder der Thesenanschlag haben der Bewegung viele An­hän­ge­r*in­nen verschafft, es gibt mittlerweile Ortsgruppen von An­hän­ge­r*in­nen bundesweit. „Ganz am Anfang waren es ja wirklich nur silver ages“, erinnert sich Schmelter und meint damit Frauen in ihrem Alter, um die 60, die sich seit Jahrzehnten in den bestehenden kirchlichen Strukturen engagieren, meist ehrenamtlich. Einmal im Monat sprechen sich die Frauen – und die wenigen Männer – in einem Zoom-Call ab, rund 60 Personen sind dabei.

Aber die Forderungen und Aktionen von Maria 2.0 haben nicht nur positive Reaktionen hervorgerufen. Auch eine Gegenbewegung, die sich Maria 1.0 nennt, ist entstanden. „Maria braucht kein Update“ ist ihr Motto. Und damit meinen sie eigentlich: Die Kirche braucht kein Update. Denn ginge es nach den gut 3.000 Maria-1.0-Anhänger*innen, bleibt die römisch-katholische Kirche genauso, wie sie jetzt ist, inklusive Pflichtzölibat, rigider Sexualmoral und Machtstrukturen. Die Gruppe positioniert sich auch klar zu den Priestern, die dem vatikanischen Segnungsverbot für homosexuelle Paare trotzen: Diese Priester würden sich bereits durch die Tat der Segnung selbst exkommunizieren, heißt es dort.

Gruppierungen wie diese und die wenig konstruktiven Reak­tionen vonseiten der Kirchen­leitung sind es wohl, die den Großteil der Maria 2.0 eher nicht hoffen lassen, dass sie die von ihnen geforderten Reformen noch erleben werden. „Aber wir wollen einfach weiter stören“, sagt Schmelter. „Denn die kirchliche Lehre entspricht nicht dem, was Jesus gelehrt hat.“

Warum sie denn dann nicht dieser Kirche den Rücken zukehren und austreten – das wurden die Frauen von Maria 2.0 seit ihrer ersten Aktion wohl oft gefragt. Und teilweise sind Gründungsmitglieder mittlerweile auch ausgetreten. Aber das sei ein langer Prozess des Mit-sich-Ringens, erzählen diese immer wieder in Gesprächen. Ihrem Engagement für Maria 2.0 stehe diese Entscheidung nicht im Wege.

Weltweite Vernetzung

Auch mit anderen kirchlichen Verbänden sind die Maria-2.0-Frauen teilweise eng vernetzt, mit den zwei katholischen Frauenverbänden, aber auch mit einigen der Jugendverbände und queeren Netzwerken innerhalb der römisch-katholischen Kirche. Mit einzelnen Mitgliedern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken wie Claudia Lücking-Michel ist man oft in Kontakt und tauscht sich über den synodalen Weg aus. Maria 2.0 war auch eingeladen, hat dies aber abgelehnt. „Auch dort können keine echten Reformen durchkommen“, davon ist Monika Schmelter überzeugt. Die nötigen Mehrheiten dürften bei Abstimmungen aufgrund der Zusammensetzung des synodalen Wegs mit der hohen Anzahl an Geistlichen nie zustande kommen.

Als Maria 2.0 noch am Anfang stand, wurde gefragt, was eine deutsche innerkirchliche Bewegung überhaupt für die große Weltkirche verändern könne. Heute ist Maria 2.0 als innerkirchliche Frauenbewegung längst nicht mehr allein auf der Welt: Im Catholic Women’s Council kommen Organisationen, Initiativen und Bewegungen wie Maria 2.0 aus allen Kontinenten zusammen. Sie alle setzen sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter in der Kirche ein. Als erste große Aktion ist für März 2022 eine medienwirksame Pilgeraktion zum Vatikan geplant.

Getragen wird der Catholic Women’s Council (CWC) von der Fidel Götz Foundation unter Leitung von Chantal Götz. Die Stiftung hat bereits die Initiative „Voices of Faith“ mit aufgebaut, die ebenfalls dafür arbeitet, Frauen in der römisch-katholischen Kirche in Entscheidungspositionen zu bringen. Die Arbeit der Stiftung mit diesen beiden Initiativen könnte letztendlich dafür sorgen, dass Bewegungen wie Maria 2.0 in den verschiedenen Ländern der lange Atem nicht ausgeht. Den braucht es aber, um den Strukturen der römisch-katholischen Institution nachhaltig etwas entgegensetzen zu können.

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11 Kommentare

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  • Altruismus, Empathie und Nächstenliebe gab es lang vor den Pfaffen, Imamen, Rabbis und Ähnlichen. Und diese Eigenschaften würden sich besser entwickeln, wenn sich niemand mehr an jenen orientiert, die behaupten sie wüssten was Gott will. Wenn es ihn gäbe, würde er uns selbst wissen lassen was seiner Meinung nach richtig ist.

  • 9G
    91751 (Profil gelöscht)

    Da merkt man zum x-ten mal, dass die (katholische) Kirche ein rückständiges Weltbild vertritt, aber nicht, dass man von dem Gespensterkult zu sehr indoktriniert wurde um ihn zu verlassen. Nichtmal die ganzen Missbrauchsfälle reichen da aus, auch wenn ich mir sicher bin, dass jeder Sportclub bei dem auch nur ein Trainer wegen so etwas erwischt wird schon am nächsten Tag viel weniger Mitglieder hätte. Etwas traurig, aber naja.



    Was hingegen echt witzig ist: Diese Leute behaupten ja, dass sie diese durch und durch fantastischen Bibelstorys ernst nehmen. Und in der Bibel steht nun mal u.A. drinn, dass man Schwule hassen soll, Frauen welche Hosen tragen mit Steinen totschlagen und noch mehr derartiger moralisch-spiritueller Lebebenstipps. Ich will das hier auch garnicht verurteilen, kann ja jeder ein Widerling sein, der möchte. Aber wie kommt man auf die Idee Gottes Wort umzuschreiben? Das allwissende Obergespenst kannte die Geschehnisse von heute schon vor tausenden Jahren, also wird die Bibel (o.Ä. für andere Kulte) bis zum nächsten Update durch das Obergespenst schon noch aktuell sein. Ich finde es etwas anmaßend das jetzt verändern zu wollen. Vielleicht nochmal die Bibel lesen, da heißt es u.A:



    "Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist, die er als seinen Leib erlöst hat. Aber wie nun die Gemeinde sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern unterordnen in allen Dingen." [Paulus, Epheser 5, 22-24]



    oder, etwas spezieller für diesen Fall:



    "Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still." [1. Timotheus 2, 12-14]



    Da sieht man mal wieder, dass die Bibel nach 2000 Jahren immernoch topaktuell ist, wow echt Klasse dieses Buch.

  • 1)in der frage der zulassung der frauen zum priesteramt und in der frage der abschaffung des zöllibats als vorraussetzung für dieses amt tendiere Ich zur befürwortung der positionen der altkatholischen kirche

    2)die anspielung auf doktor Martin Luthers thesenanschlag missfällt mir sehr:sie erscheint mir auch nicht als ein vernünftiger feminismus-denn dieser irrlehrer war nicht nur ein übler antisemitischer hassprediger sondern ist als befürworter der verbrennung sogenannter hexen auch mitverantwortlich für die besonders unrühmliche rolle die deutsche lutheraner bei der hexenjagd gespielt haben

    3)Ich wünsche mir ein deutschland in dem es keine sogenannten "evangelisch"lutherischen kirchen mehr gibt.selbst ein atheistisches wäre mir lieber als eines in dem die lutherischen irrlehren weiterexistieren



    die katholische kirche steht sich aber bedauerlicherweise bei der erfolgreichen missionarischen arbeit im dienst der rekatholisation deutschlands mit den von maria2.0 zu recht kritisierten fehlern selbst im wege

    darum würde es mich freuen wenn es der altkatholischen kirche gelänge viele ehemalige lutheraner*innen für den guten alten katholischen glauben zurückzugewinnen







    4)im hinblick auf das zöllibat hat die katholische kirche schon die konzession gemacht dass eine diesbezügliche defizienz der wiederaufnahme von kirchen die wie die altkatholische kirche in der apostolischen sukzession stehen nicht entgegenstehen soll



    im hinblick auf das priesteramt wird der papst seine meinung wahrscheinlich nicht revidieren.aber man könnte es de facto teilen,ohne es den frauen ganz zu geben,indem der priester für die transsubstantion zwar exklusiv zuständig bleibt,aber für den dienst am altar geweihte frauen die ausschliessliche zuständigkeit für die zuteilung des heiligen brotes erhalten so dass ihre mitwirkung für die heilige kommunion immer erforderlich ist.ihnen die hälfte der redezeit bei der predigt zuzuteilen ist sogar noch einfacher weil dies schon heute möglich ist

  • Warum wechseln die Damen nicht zu einem Verein, in dem ihre Forderungen schon umgesetzt sind? Je mehr dem Verein der Katholiken den Rücken zuwenden, desto schneller ist Schluss damit.

  • Wieso ist jemand in einem Verein, bei dem feststeht, dass Frauen nicht gleichberechtigt behandelt werden?



    Wieso hat Luther seine Thesen an die Tür genagelt, und vor allem, warum ist dann daraus die EvK entstanden?

  • Hmm, einerseits ist das natürlich zu begrüßen, andrerseits frage ich mich jedoch, wieso man so einen postfaktischen Unsinn überhaupt feministischer machen will. Wer im Jahr 2021 noch immer glaubt dass im Himmel ein unsichtbarer Zauberer wohnt, der sich vor 2000 Jahren auf die Erde gebeamt hat, damit er fantastische Dinge anstellen kann, der ist ohne jeden Zweifel ein Querdenker. Wie kann man so einen Unsinn nur ernsthaft glauben?

  • Hätte es eindrucksvoller gefunden, wenn die Damen die Thesen wie ihr Vorbild an die Türen genagelt und nicht mit Powerstrips angeklebt hätten.

  • "Nichtsdestotrotz braucht "mensch" eine spirituelle Heimat."



    Wer sagt das? Ich z. B. brauche keine.

    • @Stefan L.:

      Bei "spiritueller Heimat" denke ich an die Eckkneipe. Dabei trinke ich gar keinen Alkohol...

  • Nichtsdestotrotz braucht "mensch" eine spirituelle Heimat.

    Betrachtet man die o.g. Forderungen, bietet sich die alt-katholische Kirche, (in der Schweiz auch christ-katholisch genannt), in der nahezu alle Forderungen bereits umgesetzt sind als neue religiöse Bezugsgröße an.

    Dies ist der Teil der katholischen Kirche, der nach dem 1.Vatikanischen Konsil dem Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes nicht folgen wollte.

    • @e.a.n:

      "Nichtsdestotrotz braucht "mensch" eine spirituelle Heimat": (E.A.N.)



      Wahrlich, ich sage Euch: Diese Art von Spirituosen führt Euch in die gefährlichste aller Verwirrungen.