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Fehlende WeihnachtsbeleuchtungHeiliges Stadtbild

Uli Hannemann

Kommentar von

Uli Hannemann

Immer weniger deutsche Städte können sich Weihnachtsbeleuchtung leisten. Die Bundesregierung sollte zahlen, wo sie das Stadtbild doch aufhübschen will.

Wenn’s schön funkeln soll, muss die Regierung die Sache selbst in die Hand nehmen Foto: Eija Huhtikorpi/deepol/plainpicture

W er in der Vorweihnachtszeit in die Stadt ging, konnte noch bis vor Kurzem zwischen Besinnung und Besinnungslosigkeit wählen. Oft ging sogar beides Hand in Hand, gab man sich im prächtigen Schein der Weihnachtsbeleuchtung mit heißem Sprit die Kante.

Doch jetzt scheint die Besinnungslosigkeit endgültig obsiegt zu haben. Denn in den Einkaufsmeilen unserer Innenstädte sind Quantität und Qualität der Illumination auch heuer wieder merklich zurückgegangen. Nur hie und da hängt noch ein Glühbirnchen der Art, wie es auch den Weg zur Campingplatztoilette weisen könnte.

Es ist alles nicht wie früher. „Warum? Das ist doch dritte Welt!“, schreiend rauft sich der Weihnachtsbummelant die vor Gram schneeweiß gewordenen Haare. Da scheint der Bundesbürger in diesem Jahr wohl nicht artig genug gewesen zu sein. Hat er zu viel rumgemeckert, nicht genügend gearbeitet, Steuern bezahlt, Kinder gekriegt? Zur Strafe fällt dann eben Weihnachten flach; sorry, aber ihr wolltet das ja nicht anders.

Und indirekt stimmt es sogar ein bisschen, denn hätten wir mehr Geld erwirtschaftet, hätten auch unsere Kommunen mehr zur Verfügung. Denn das ist der wahre Grund: Die Kassen sind leer. In Heidelberg wird die Beleuchtung später eingeschaltet, in Hannover wohl nicht bis Weihnachten brennen. In Dresden wiederum fehlt das Geld für den Beschnitt der Straßenbäume, weshalb an diesen keine Leuchtmittel angebracht werden können. In Berlin fällt die Beleuchtung in der Straße Unter den Linden aus, am Ku’damm zum Teil, denn für die beliebten Klassiker, Schneemann und Nussknacker, reicht das Geld auch hier nicht mehr.

Reiche und Superreiche sorgen für Konsum

Würden nicht allerorten die Spenden vor allem der Einzelhändler dafür sorgen, dass es wenigstens noch ein bisschen funzelt, wäre es schon überall zappenduster. Doch die Händler klagen ebenfalls, da der Konsum und mit ihm der Weihnachtsumsatz sinkt. Damit fehlt auch ihnen der Spielraum, die Ausfälle der öffentlichen Hand zu kompensieren.

Ja, doof, wa? Da lässt man es einfach geschehen, dass viele Leute mehr als die Hälfte ihres Einkommens für die Miete ausgeben müssen, und dann haben sie kein Geld mehr für den Konsum. Es ist schon verrückt. Man steckt einfach nicht drin. Diese undankbaren kleinen Arschlöcher.

Müssen jetzt am Ende die Reichen und Superreichen auch noch ganz allein für den Konsum sorgen und die Kaufhäuser leer kaufen? Die müssen hier doch eh schon alles machen. Und ganz allein flanieren sie dann durch die wenigen noch festlich beleuchteten Geschäftsstraßen. Alle andern sitzen zu Hause und frieren in der dunklen Wohnung. Wenn sie eine haben.

Stadtbild ist Chefsache

Dabei wären gerade in dieser dunklen Jahreszeit festlich geschmückte Innenstädte nicht nur der Atmosphäre im Land förderlich. Nein, so eine Weihnachtsbeleuchtung würde doch auch allgemein das Stadtbild extrem aufpeppen, denkt sich hier Ottilie Normalverbraucherin ganz unbefangen, dann wäre endlich alles wieder gut.

Außerdem sieht man so besser in die dunklen Ecken rein, wo die ganzen Ganoven (Ausländer, Islamisten, Antifa) lauern, und auch die Drogensüchtigen, die ihrerseits im frommen Schein des heiligen Sterns von Bethlehem die Venen besser erkennen können, oder ihre kleinen Fitzel Alufolie, deren trauliches Glitzern die Festbeleuchtung weiter potenziert.

Das ist keine Win-win-Situation mehr, sondern mindestens schon Win-win-win. Im Grunde müsste also die Bundesregierung dafür aufkommen. Da, wie wir gelernt haben, das Stadtbild ja offenbar Chefsache (Precht, Merz, Weidel) ist, sollte das insbesondere auch für das weihnachtliche Stadtbild gelten. Wofür hat man denn schließlich dieses geilo Sondervermögen? Wo es für Mittelstreckenkracher und Flugabwehrraketen reicht, sind doch ein paar Leuchtgirlanden nur Peanuts aus der Portokasse.

Apropos Mittelstreckenkracher. Für Silvester gilt natürlich dasselbe. Hier trägt das Bundesinnenministerium eine explizite Verantwortung für die Ausstattung der Bevölkerung mit ausreichend Feuerwerksartikeln und Handchirurgen. Und zu Ostern wäre es wünschenswert, der Bundesosterhase versteckte den vielen kleinen und großen Kindern Schokoeier, Deutschlandtickets, Mietminderungen und Kitaplätze. Damit zu allen Zeiten des Jahres Weihnachtsstimmung herrscht.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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3 Kommentare

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  • Sind doch bestimmt wieder alles die Grünen schuld.

  • Nöh

  • Tja...dann kann sich der Mensch ja selbst zu seiner Weihnachtsbeleuchtung machen. 50-teilige LED Lichterkette kann sich noch jede* r leisten.