Fachkräftemangel in der Pflege: Leiharbeit als letzte Rettung
Arbeit auf Abruf ist in vielen Branchen ein Synonym für Ausbeutung. Für die Pflegerin Uschi Hoppe-Elsner ist Zeitarbeit ein Ausweg aus dem Hamsterrad.
U schi Hoppe-Elsner tritt aufs Gaspedal ihres weißen Seats, sie wirft immer wieder einen Blick auf das Navigationsgerät, während sie durch die Straßen von Hamm düst. „War anstrengend letzte Nacht“, sagt sie. Ihre letzte Schicht liegt ein paar Stunden hinter ihr. Bis in die Morgenstunden hat sie in einer Einrichtung in Bielefeld ausgeholfen, als Leiharbeiterin. Das bedeutet: Sie bekam abends zu Schichtbeginn einen Übergabezettel in die Hand gedrückt, mit Informationen zu Bewohner*innen, die sie nicht kennt, in einem Haus, das sie nicht kennt – und dann ging es los: Personen umlagern, Inkontinenzvorlagen wechseln, etwas zu trinken geben, Insulin spritzen, Tabletten verabreichen, sich um Post kümmern. Bis der Morgen anbricht.
„Normalerweise sind dort sieben Pflegekräfte auf den Stationen, aber diesmal waren wir mit mir zu viert“, sagt sie und klingt routiniert. Unterbesetzung ist sie gewohnt. Am Abend fährt sie wieder hin, die Einrichtung in Bielefeld ist etwa eine Stunde von Hamm entfernt. Nach der Schicht ist vor der Schicht. Aber gerade ist Hoppe-Elsner im Dazwischen.
In einem Café in Hamm bestellt sie sich einen frisch gepressten Orangensaft. Es ist ein Zwischenstopp nach der Arbeit in Bielefeld und ihrem zu Hause in Werne. Sie trägt ein schwarzes Shirt mit Cut-outs an den Schultern. Geschlafen hat sie nach ihrer Schicht nicht, aber die Müdigkeit sieht man ihr nicht an.
Hoppe-Elsner kramt ein Papier aus ihrer Handtasche, eingepackt in Klarsichtfolie. Es ist ihr Prüfungszeugnis als ausgebildete Krankenpflegerin, datiert auf den 10. September 1984. Seitdem arbeitet sie in der Pflege. Bis 1993 im Krankenhaus, später in der Altenpflege, weil sie das Sterben von jungen Menschen nicht gut erträgt.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Zählt man die Ausbildungszeit dazu, dann pflegt Hoppe-Elsner seit 43 Jahren. „Ich kenne noch die gute Pflege“, sagt die 60-Jährige.
Das System macht krank
Hoppe-Elsner ist langjährige Zeugin eines Systems, das durch Einsparungsdruck und Profitstreben an den Rand des Kollapses geführt wurde. „Es gab Zeiten, da haben wir im Altenheim mit Bewohnern noch Mensch-Ärger-Dich-nicht gespielt.“ Sie lacht. „Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen! Aber dann fing man in den neunziger Jahren an zu sparen, bis es irgendwann nicht mal mehr ‚satt und sauber‘ gab.“
Hoppe-Elsner blieb trotz allem in ihrem Beruf. „Ich hab immer gesagt, ich würde diesen Job auch umsonst machen, wenn ich meine Miete nicht bezahlen müsste.“ Doch irgendwann wurde es auch ihr zu viel.
Vor vier Jahren kündigte Hoppe-Elsner ihre Festanstellung in einem Heim, in dem sie 26 Jahre lang gearbeitet hatte. Damals hatte sie in einer Nachtschicht plötzlich einen Blutdruck von 210 zu 180. Ihr Körper machte nicht mehr mit. Die Hausärztin schrieb sie für vier Wochen krank.
Dieser Moment war ein Wendepunkt in Hoppe-Elsners Leben. Sie überlegte, ob sie die Pflege verlassen und etwas ganz anderes machen soll. Ihr Plan B: Irgendetwas entrümpeln. Oder Assistentin werden in der Pathologie, wie beim „Tatort“, auf jeden Fall nichts mehr mit Lebenden.
Am Ende entschied Hoppe-Elsner sich dennoch, in der Pflege zu bleiben, aber unter anderen Voraussetzungen. Sie formuliert es so: „Ich habe mich in die Zeitarbeit gerettet. Ich wollte nicht mehr fester Teil dieser permanenten Menschenrechtsverletzung sein.“ Und so wurde sie zu einer Pflegerin, die mit ihrem Dienstwagen quer durch die Republik fährt. Dorthin, wo der Pflegenotstand besonders groß ist. Bielefeld, Hamburg, Kiel. „Aber meistens NRW.“ Die Hotelkosten übernimmt die Zeitarbeitsfirma. Wie lange sie an einem Ort bleibt, hängt vom jeweiligen Auftrag ab.
Zeitarbeit ist das Gleiche wie Leiharbeit. In der Pflege wird sie von vielen als großes Übel gesehen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft brachte im Februar 2023 sogar ein Verbot der Leiharbeit als Ultima ratio ins Spiel. So weit geht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht. Aber auch er will Leiharbeit möglichst eindämmen.
Besser bezahlt als in Festanstellung
Seit der jüngsten Pflegereform, die seit Juli 2023 gilt, können die Pflegeeinrichtungen die Zusatzkosten für Leiharbeiter:innen nicht mehr über die Kassen abrechnen. Das war auch vorher nicht immer möglich. Doch bis zu diesem Zeitpunkt war laut Bundesgesundheitsministerium „die Berücksichtigung entsprechender Aufwendungen im Rahmen der Vergütungsvereinbarungen“ sehr unterschiedlich geregelt. Um die Abwanderung in die Leiharbeit zu stoppen, sollen zudem Ausfallkonzepte und Springerpools von Einrichtungen besser finanziell unterstützt werden.
„Wenn Zeitarbeit in der Pflege nicht mehr möglich ist, höre ich ganz auf“, sagt Hoppe-Elsner beim Treffen mit der taz im September. Da weiß sie noch nicht, dass ihr Mann im Dezember schwer erkranken wird, und es doch ganz anders kommt, als sie sich das vorstellt.
Hoppe-Elsners Geschichte erzählt nicht nur das Einzelschicksal einer Krankenpflegerin. Es ist eine Geschichte über das Dilemma, in das sich die Pflegepolitik der vergangenen Jahrzehnte manövriert hat. Privatisierungen und Einsparungen haben die Pflege, egal ob im Krankenhaus oder der stationären Altenpflege, in einen Trümmerhaufen verwandelt. Pfleger*innen schmeißen hin. Immer weniger junge Menschen entscheiden sich für die Ausbildung. Gleichzeitig wächst der Bedarf. Die Gesellschaft altert. Es ist ein selbst zersetzendes System, in dem sogar die Regeln der Leiharbeit auf den Kopf gestellt wurden.
Uschi Hoppe-Elsner, Krankenpflegerin für ältere Menschen
In vielen Branchen ist Leiharbeit ein Synonym für Ausbeutung, beliebt bei Unternehmen, die keine Lust haben, vernünftige Tariflöhne zu zahlen und sich maximale Flexibilität erhalten wollen. In der Pflege ist das anders. Ein Unterschied: Die Pflegekräfte in der Zeitarbeit werden besser bezahlt als Festangestellte, viel besser. Den Großteil des Profits machen zwar die Zeitarbeitsfirmen, aber für die Pflegekräfte rentiert sich das dennoch.
„Ich verdiene jetzt doppelt so viel“, sagt Hoppe-Elsner. Das liege auch daran, dass sie grundsätzlich nur die unbeliebten Nachtschichten arbeitet, die bei ihrer Zeitarbeitsfirma besonders gut vergütet werden. Und sie arbeitet bundesweit. Es gehe ihr aber um viel mehr – um Wertschätzung, Selbstbestimmung und „vor allem Ruhe“. Keine Anrufe im Urlaub oder am eigentlich freien Wochenende. Im Pflegejargon heißt das: „Aus dem Frei holen.“ Jede Pflegekraft kennt das. Es gehört zum Alltag in diesem Berufsfeld, in dem immer noch überwiegend Frauen arbeiten.
Symptom schlechter Bedingungen
Ursprünglich war Leiharbeit nur dazu gedacht, Belastungsspitzen auszugleichen. Aber nun wird sie bei Pflegenden immer beliebter. Im Zeitraum von 2017 bis 2022 gab es einen Anstieg um 46 Prozent (siehe Infokasten). Dennoch bewegt sich das Phänomen Leiharbeit in der Pflege noch in einem sehr niedrigen Prozentbereich. Insgesamt arbeiteten 2022 nur 2,3 Prozent aller Beschäftigten in Gesundheits- und Pflegeberufen in der Zeitarbeit. Warum also der große Aufschrei?
„Leiharbeit in der Pflege ist letztlich ein Symptom für die schlechten Arbeitsbedingungen und den Personalmangel“, sagt Matthias Gruß am Telefon, der bei der Gewerkschaft Verdi für den Bereich Altenpflege zuständig ist. Viele Pflegekräfte, die sich für eine Zeitarbeitsfirma entscheiden, würden gehen, „weil sie dort besser verdienen und sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser hinbekommen“. Sie könnten selbst entscheiden, wann sie arbeiten, wann sie Urlaub machen, welche Schichten sie übernehmen. „Das kann man ihnen nicht vorwerfen. Es ist für einige eine Exit-Option aus den unerträglichen Zuständen“, sagt Gruß. Ein Verbot sei deshalb keine Lösung. Dennoch ziehe diese Entwicklung „auch eine Reihe von Problemen nach sich“. Leiharbeit sei nicht nur sehr teuer für die Einrichtungen, sie bringe auch Unruhe in die Teams. „Es ist nicht förderlich für die Stimmung, wenn die Stammbelegschaft weiß, da ist jemand, der bekommt mehr Geld für die gleiche Arbeit.“ Zudem basiere gerade Pflege auf Vertrauensarbeit. „Ständige Fluktuation ist für die Bewohner*innen nicht gut“, sagt Gruß.
Einer, der diese Entwicklung sehr kritisch beäugt, ist Christian Mayer. Seit April 2023 ist er einer von zwei operativen Geschäftsführern der Alloheim-Gruppe, einem der größten kommerziellen Pflegeanbieter in Deutschland mit rund 260 stationären Einrichtungen. Insbesondere beim Thema Leiharbeit hatte er sich von der letzten Pflegereform mehr erhofft.
In der Coronapandemie seien immer mehr Pflegekräfte in die Zeitarbeit gewechselt, und zurzeit gäbe es einen sich verstärkenden Mechanismus. „Zeitarbeit führt der Stammbelegschaft vor Augen, dass es eine andere Art der Arbeitsweise geben kann, die wirtschaftlich attraktiver ist und mehr Flexibilität bei der Dienstplanung ermöglicht“, sagt Mayer bei einem Videogespräch. Für die Einrichtungen sei das „natürlich ein Problem. Denn Zeitarbeiter sind sehr viel teurer.“
Der Personalmangel in der Pflege stellt viele Einrichtungen vor große Herausforderungen, egal ob gemeinnützige oder kommerzielle. Gibt es zu wenig Pflegepersonal, müssen sie entweder Plätze abbauen oder teure Leihkräfte bezahlen. Im Fall von Alloheim heißt das: Letzteres. „Für uns ist es auf jeden Fall wichtiger, keine Kapazitäten runterzufahren“, sagt Mayer. Das könnten große Ketten meist besser abfangen als Einzeleinrichtungen. Bei der Alloheim-Kette gibt es laut Mayer im Schnitt etwa 2,5 Prozent Leiharbeiter*innen, also eine ähnliche Größenordnung wie im bundesdeutschen Trend. Doch regional gibt es große Unterschiede. 60 Prozent der Alloheim-Einrichtungen griffen gar nicht auf Zeitarbeit zurück. In Berlin liege der Prozentsatz aber bei 9 Prozent, an manchen Orten sogar noch höher. Derzeit versuche man intern auszuwerten, warum es in manchen Einrichtungen besser laufe als in anderen, erklärt Mayer. Denn die Gehaltsstruktur mit Tariflöhnen sei überall vergleichbar.
Dass mit der jüngsten Pflegereform sogenannte Springerpools oder Ausfallkonzepte unterstützt werden, sei nur teilweise hilfreich. „Zwei Drittel der Zeitarbeit brauchen wir nicht, um Belastungsspitzen oder Krankheitswellen auszugleichen, sondern einfach wegen der herausfordernden Lage bei der Stammbelegschaft “, sagt Mayer.
Mit der Pflegereform gäbe es nun „mehr finanziellen Spielraum, um Springerdienste zu vergüten, aber nach dem Einspringen geht der Mitarbeiter in der Regel ins Frei und fehlt dann an anderer Stelle im Dienstplan.“ Den Festangestellten würde vor allem „eine höhere Flexibilität bei der Dienstplangestaltung helfen. Aber mehr Flexibilität kann man sich nur dann leisten, wenn man genug Leute hat.“ Was im Prinzip heißt: Das Problem des Personalmangels bleibt.
Mehr Arbeit, weniger Zeit und Personal
Mayer hatte deshalb gehofft, dass die Pflegereform tiefer in den grundsätzlichen Mechanismus eingreift, um ein Abwandern in die Zeitarbeit zu stoppen. Etwa mit einem Equal-Pay-Ansatz. Damit meint er nicht, dass das Stammpersonal so viel verdienen sollte wie die Zeitarbeiter*innen, sondern umgekehrt. Mayer könnte sich aber auch eine gesetzliche Obergrenze bei der Zeitarbeit vorstellen. „Zum Beispiel ein jährlich bestimmter Prozentsatz, der für eine Einrichtung gilt. Das würde vermutlich dazu führen, dass Personal wieder zurück in die Festanstellung wechselt.“
Doch ob das wirklich so wäre, ist fraglich. Eine Kurzstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln aus dem April 2023 hat rund 4.000 Zeitarbeiter*innen im Gesundheits- und Pflegebereich befragt. Nur 18 Prozent der Befragten gaben an, wieder in Festanstellung zu gehen, wenn Leiharbeit eingeschränkt wird. Dagegen gaben 55 Prozent an, in einen anderen Tätigkeitsbereich wechseln zu wollen, und 11 Prozent wollten in diesem Fall ihre Erwerbstätigkeit ganz aufgeben.
Für Uschi Hoppe-Elsner war der Weg zur Zeitarbeit ein schleichender Prozess. Die letzten fünf Jahre bevor sie in die Zeitarbeit wechselte, habe sie sich bei der Arbeit nur noch gequält. „Ich bin den Bewohnern nicht mehr gerecht geworden“, erzählt sie. Sie sei ungeduldig geworden. Dabei war ihr Anspruch immer: So pflegen, wie man selbst gepflegt werden möchte.
„Ich war die, die nachts noch eine Bananenmilch oder eine Suppe warm macht, wenn es irgendwen glücklich macht“, sagt Hoppe-Elsner, „auch weil es einfach schön ist, wenn sich ein alter Mensch freut“. Doch der Alltag wurde über die Zeit immer dichter, schneller, mehr Arbeit in weniger Zeit mit weniger Personal. „Ich hatte so viel zu tun, dass mir irgendwann jeder Extrawunsch wie eine zusätzliche Belastung vorkam.“
Damit war sie offenbar nicht allein. „Manche Kolleginnen kamen morgens schon an und haben vor Erschöpfung geweint. Unter diesen Umständen denke ich: Als Zeitarbeiterin kann ich manchen Leuten für eine kurze Zeit etwas Gutes tun. Und den Kolleginnen vielleicht auch etwas von meiner Erfahrung dalassen.“
Sieben Nachtdienste mit Karl Lauterbach
Hoppe-Elsner arbeitet immer sieben Nächte am Stück, insgesamt 70 Stunden, dann hat sie eine Woche frei. In ihrer Freizeit fährt sie gern nach Berlin, um sich Spiele ihres Lieblingsfußballvereins Hertha BSC anzusehen, natürlich in der Fankurve.
Überhaupt ist sie gern unterwegs. Was auch eine Grundvoraussetzung für Zeitarbeit ist. Das sei nicht für jeden etwas, sagt sie: „Es erfordert ein hohes Maß an zeitlicher und innerer Flexibilität.“
Immer wieder neue Orte, neue Einrichtungen, neue Umgebungen, neue Kolleg*innen, neue Patient*innen. „Du darfst kein Mensch sein, der drei Tage Einarbeitung braucht. Du bist da, weil es brennt.“ Bis zu 18 Monate am Stück darf man als Leiharbeiterin in einer Einrichtung arbeiten.
Frust von der Stammbelegschaft hat Hoppe-Elsner noch nie zu spüren bekommen. Im Gegenteil, oft hält sie den Kontakt zu Kolleg*innen. Immer wieder wird sie von ihnen angesprochen, wie es denn so sei in der Zeitarbeit. Neulich habe sich eine verzweifelt an sie gewendet: „Ich bin nur noch aggressiv, zu Hause und bei der Arbeit.“ Hoppe-Elsner riet der Frau eindringlich, den Job so nicht weiter zu machen. Sie schüttelt den Kopf. Sie treffe immer wieder auf Leute, die schon über 200 Überstunden gesammelt haben, die sie vermutlich nie ausgleichen können. Es ist die Dokumentation des Pflegenotstands.
Am liebsten würde Hoppe-Elsner Gesundheitsminister Karl Lauterbach sieben Nächte lang auf ihre Schichten mitnehmen. „Ich würde ihm gern zeigen, wie das ist, wenn man für einen Bewohner für eine ganze Nacht nur eine Inkontinenzvorlage hat, weil eine zweite von den Kassen nicht bezahlt wird“, sagt sie. Früher, als man noch Zeit in der Pflege gehabt habe, habe man biografieorientiert gearbeitet.
Es kommt anders als gehofft
„Wir haben Angehörige gefragt, was die Person gerne isst, was sie gerne mag, wir haben versucht, es den Menschen so schön wie möglich zu machen. Heute ist für so etwas kein Budget da.“ Es müsse gegessen werden, was da ist. Es werde alles fremdbestimmt. „Alte Menschen müssen sich heute einfach fügen.“ Die Leute würden oft abends „ins Bett gebracht, obwohl sie vielleicht rumlaufen wollen.“ Bei ihr müsse das niemand tun. „Im Altenheim kann man doch auch noch nach dem Frühstück schlafen.“
Als Hoppe-Elsner sich im September verabschiedet, weiß sie noch nicht, dass sie entgegen ihrer Vorstellung, doch bald wieder in eine Festanstellung gehen muss. Ende 2023 erkrankt ihr Mann, und Uschi Hoppe-Elsner sieht sich gezwungen, die Leiharbeit aufzugeben. Sie arbeitet nun in einem Altenheim in der Nähe, sieben Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. Sie kann ihren Mann nicht für sieben Nächte am Stück allein lassen und mit ihrem Dienstwagen durch ganz Deutschland fahren. „Nur Leiharbeit-Dienste im Umkreis funktioniert leider nicht“, sagt sie im Januar am Telefon. „Ich musste schnell entscheiden: arbeitslos oder Festanstellung.“ Sie habe eine nette Leitung, nette Kolleginnen. „Aber am System hat sich nichts verändert.“
Uschi Hoppe-Elsner pflegt jetzt bei der Arbeit, und sie pflegt zu Hause ihren Mann. „Eigentlich bin ich am Ende meiner Kräfte“, sagt sie. Manchmal ertappt sie sich beim Gedanken, einfach im Supermarkt anzufangen. Lager einräumen, Waren über das Band ziehen. „Bei der Zeitarbeitsfirma bin ich weiterhin geringfügig beschäftigt“, sagt sie. Es klingt wie eine leise Hoffnung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“