piwik no script img

FDP-Pläne für WirtschaftswendeFDP will wenden, wo soll das enden?

Mit einem 12-Punkte-Papier heizt die FDP den Streit in der Koalition neu an. Die SPD ist empört, die Union höhnt, Grüne bleiben gelassen.

Bijan Djir-Sarai und Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei einer Pressekonferenz nach einer Sitzung des FDP-Präsidiums in Berlin Foto: Michael Kappeler/dpa

Bijan Djir-Sarai sah sich am Montag unter Rechtfertigungszwang. Die FDP habe „das Recht, eigene Positionen vorzutragen“, betonte der FDP-Generalsekretär am Morgen nach Beratungen des Präsidiums seiner Partei vor der Presse. Mit dem Rücken zur gemauerten Wand der Parteizentrale in Berlin forderte er fast flehentlich Verständnis für den Vorstoß der FDP ein: Von einer gezielten „Provokation“ könne keine Rede sein.

Am Wochenende waren neue Pläne der FDP bekannt geworden. Demnach will sie die Leistungen für Empfänger von Bürgergeld künftig sofort um 30 Prozent kürzen, wenn diese Angebote verweigern. Außerdem will sie die Subventionen für Wind- und Solarenergieanlagen abschaffen, die Rente mit 63 für bestimmte Beitragszahlende beenden und das Lieferkettengesetz aussetzen. All das steht in einem 12-Punkte-Papier, aus dem die Bild am Sonntag vorab zitierte. Am Montag wurde das Papier vom FDP-Präsidium abgesegnet. Djir-Sarai machte deutlich, dass es eine Vorlage für den Parteitag der FDP am Wochenende in Berlin sein wird. Dort würden die Fragen in einem Leitantrag ausführlicher behandelt.

Die SPD hatte prompt auf die Pläne reagiert. Wenn die FDP glaube, „dass es der Wirtschaft besser geht, wenn es Handwerkern, Krankenschwestern oder Erzieherinnen schlechter geht, dann irrt sie gewaltig“, holzte SPD-Chef Lars Klingbeil. SPD-Generalsekretär Kühnert sagte, seine Partei werde es nicht zulassen, „dass unser Land mit dem Fingerspitzengefühl von Investmentbankern geführt wird“. Die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten für die Europawahl, Katarina Barley, sprach am Montag in Berlin von einem „Anti-Sozial-Papier“, riet aber zur Gelassenheit: Es gelte noch immer der Koalitionsvertrag.

Linken-Chefin Janine Wissler bezeichnete das FDP-Papier am Montag als „Dokument der sozialen Grausamkeit“. Mit Blick auf geplante schärfere Sanktionen beim Bürgergeld sagte sie: „Was die FDP hier vorschlägt, ist nicht nur schäbig und verwerflich, sondern auch noch verfassungswidrig.“

„Scheidungsurkunde der Ampel“

Die Grünen hielten sich zunächst damit zurück, die Vorschläge der Liberalen zu kommentieren. Nur Außenministerin Annalena Baerbock mahnte staatstragend an, die Vorschläge der FDP seien „angesichts der aktuellen Weltlage“ problematisch. Parteichef Omid Nouripour reagierte am Montag betont gelassen. Es sei nicht neu, dass man in vielen Dingen unterschiedliche Ansichten habe.

CSU-Chef Markus Söder bezeichnete das FDP-Papier dagegen höhnisch als „Scheidungsurkunde der Ampel“ und forderte die FDP auf, die Koalition zu verlassen. Auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte, das Papier lese sich wie „Lambsdorff 2.0'“ – ein Seitenhieb auf den ehemaligen FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff, der 1982 mit einem ähnlichen Papier den Wechsel von einer sozialliberalen Koalition in ein Bündnis mit der Union unter Helmut Kohl vorbereitet hatte. Seine Partei sei zur Zusammenarbeit bereit, warb er um die FDP.

Davon wollten Djir-Sarai und Marie Agnes Strack-Zimmermann, die ihm als Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl am Montag zur Seite stand, nichts wissen. Die FDP wolle sich innerhalb der Koalition „dafür starkmachen, dass diese Dinge umgesetzt werden“, sagte Djir-Sarai. „Für uns sind diese Themen zentral.“ Man werde bei den anderen Parteien dafür werben, sei sich aber der Grenzen der eigenen Möglichkeiten bewusst.

Auf dem FDP-Parteitag am Wochenende könnten weitere Punkte dazukommen, sagte der Generalsekretär. „Das ist nicht ein Parteitag der Grünen, das ist nicht ein Parteitag der SPD, es ist auch nicht ein Parteitag der Ampelkoalition. Das ist ein Parteitag der FDP“, betonte Djir-Sarai das Offensichtliche. Es klang leicht verzweifelt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Das Aufplustern kurz vor Eintritt in die Todeszone ist total normal. Lassen wir der FDP dieses letzte Vergnügen, gönnen wir Lindner und seinem neoliberalen Haufen ihren letzten Traum vor dem Abtauchen. Rip.

  • Puh, FDP…wer berät die Parteispitze nur? Offenbar niemand.



    Das Hardcoreklientel wird begeistert klatschen, nur wer ist FDP-Hardcoreanhänger? 2% der Wählerschaft? 3%?



    Am Ende werden die Liberalen aus dem Bundestag fliegen. Wer regiert muss regieren und nicht stänkern um des Stänkerns willen. Liefern, mit SPD und Grünen, das zahlt aufs eigene Konto ein, nicht derartiges Gebolze aus der Etappe.



    Bitterbösen Neoliberalismus, Verachtung der Schwachen, stures Setzen auf Unsinn, der schon unter Thatcher oder Reagan Unsinn war. Das können AfD, CDU und Freie Wähler genauso gut. Die FDP macht sich so überflüssig, die Quittung wird’s geben.

  • Es ist einfach nur unsäglich und ekelhaft.

  • F rechheit



    D reistigkeit



    P einlichkeit

  • Maulhelden. Täuscher. Unredlich. Extrem egoistisch. Sonst fällt einem zu diesem Verein nix mehr ein....

  • @LOWANDORDER

    Ah, Finn. Ich war damals zu lütt für das Ding -- das haben bei uns nur die mit den Muckis gemacht.

    Jedenfalls... ich wünsche der FDP Hals- und Mastbruch dabei.

    Damit könnten sie noch der Gesellschaft einen Dienst erweisen.

  • F. D. P



    Fossilien Deklamieren Parolen.



    oder lieber



    Frech. Dreist. Pleite....?

  • Und wer ist schuld an dem ständigen Gezerre zwischen den Ampel-Parteien? Nein, nicht die FDP. Auch nicht die beiden anderen Parteien. Sondern die Wähler!



    Man möge sich an die vergangene BT-Wahl erinnern und das allgemeine Kopfschütteln, als die Wahlergebnisse vorlagen: Für eine Alleinregierung hatte keine Partei die nötige absolute Mehrheit. Aber auch für die bis dahin gehabten Koalitionen reichte es nicht. Also blieb nur die Ampel als letzte Möglichkeit. Aufgrund der sehr verschiedenen Parteiprogramme war klar, dass es kein Freunschaftsbund würde; und wurde es auch nicht.



    Aber ein wichtiges Prinzip wurde wieder mal bestätigt: Eine Koalition hält am längsten, wenn alle Beteiligten gleichermaßen unzufrieden damit sind. Bis Herbst nächsten Jahres werden wir die Streitereien der Ampel-Parteien ertragen müssen!

  • Ja wie?

    “FDP-Pläne für Wirtschaftswende:



    FDP will wenden, wo soll das enden?“

    Scheint mir weil FDP - mehr ne Halse! 🫧🪢🫧 - statt ner Patenthalse! - 🙀🥳 -



    Zu sein! Woll - 😩 -

    unterm——



    Als Wende wird ein Manöver beim Segeln bezeichnet. Beim Wenden erfolgt ein Kurswechsel, bei dem das Schiff mit dem Bug durch den Wind geht, das heißt der Wind kommt während des Manövers kurzzeitig von vorne.



    Im Gegensatz dazu geht das Boot bei einer Halse mit dem Heck durch den Wind. Bei der FDP aber ist in einer schulmäßigen Halse ein Kentern unvermeidlich!;) - ne angesagte Patenthalse - stammt vom Finn Dinghy -



    Kriegen die Land🐀🐀🐀🐀 Aus Wermelskirchen & D-doof ff aber nicht hin - ohne sich in den eigenen Leinen aufzuhängen!

    kurz - Eulich Kielholen un ab dafür! Gell



    ——



    “Das Kielholen war eine schwere Disziplinarstrafe auf See, bei der ein gefesselter Delinquent über die Bordwand eines Schiffes geworfen und unter dem Schiffsboden über den Kiel auf die andere Seite gezogen wurde. Erste bildliche Darstellungen lassen sich bis ins fünfte Jahrhundert vor Christus zurückführen, wie eine Illustration auf einer griechischen Vase zeigt.[1] Die erste schriftliche Erwähnung stammt aus einer Anweisung in mittelniederländischer Sprache von 1537. Sie schreibt vor, dass Seeleute, die sich während ihres Wachdienstes der Trunkenheit schuldig machen, an Bord Schlägereien verursachen oder ihre Kameraden mit einem Messer bedrohen, bestraft werden sollen, in dem sie unter den Kiel gezogen werden.



    Außerhalb der Niederlande kam die Bestrafung im Laufe des 18. Jahrhunderts allmählich außer Gebrauch.“



    Schade eigentlich! Newahr



    Nochmal Schonn! s.o. 🚦



    de.wikipedia.org/wiki/Kielholen

  • "CSU-Chef Markus Söder bezeichnete das FDP-Papier dagegen höhnisch als „Scheidungsurkunde der Ampel“ und forderte die FDP auf, die Koalition zu verlassen."



    Dieser Horizont und diese Wortwahl sprechen für sich, das Gebaren der Unionsgranden ist teilweise boukevardesk und bedient Emotionen statt Verstand.



    Gestern Gedenktag für Kant,



    Heute bräuchten wir Verstand.



    /



    "Immanuel Kant - „Kritik der reinen Vernunft“: „Bei Kant handelte es sich um einen Neuanfang, etwas fundamental Neues“



    /



    www.fr.de/kultur/g...agen-92876871.html

  • Ich frage mich manchmal umgekehrt, wie es enden soll: Seit spätestens 2015 Sozialparadies gespielt, fleißig Schulden gemacht bei Corona- und Ukrainekrise. Ist sicher notwendig gewesen, aber keine Dauerlösung. Den Klimawandel vor uns, der möglichst zu verhindern ist und Personalmangel in Handwerk und Pflege. Und die anderen Parteien reden teilweise von 4-Tage-Woche und anderem "Gedöns". Ob das die Lösung ist. Mir geht's nicht um mehr Konsum, sondern um fit machen für die Zukunft. Und das heißt eigentlich, mehr tun...

  • Entweder handelt es sich um ein vorher abgesprochenes Wahlkampftheater oder die FDP zieht die Notbremse (Ampelausstieg), um nicht mit Pauken und Trompeten aus dem nächsten Bundestag zu fliegen.

  • Nachdem Ende 2023 durch eine Forsa-Umfrage klar wurde, dass 86 % der afd-Anhänger, 78 % der Unionsbefürworter, 60 % der FDP und sogar 54 % der SPD der Ansicht sind, die Bürgergelderhöhung würde die Arbeitsbereitschaft einschränken, hat sich die fdp, der populistischen Unions-Haltung dazu, angeschlossen.



    2023 wurden von der Bundesagentur für Arbeit 13.838 Fälle von Leistungsminderung wegen der Weigerung eine Arbeit, eine Ausbildung, eine Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen, durchgeführt. Das sind 0,25 % der ca. 5,5 Mio. Beziehungsberechtigten von Bürgergeld.



    Die Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, die die Hauptabteilung zur Aufklärung des Cum-Ex Steuerskandals leitete, hat ihren Abschied mit der Begründung eingereicht „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“



    Diese beiden Informationen berechtigen zu der Annahme, der fdp 12 Punkteplan ist nichts anderes als Opportunismus-Politik, da sie ihrer Klientelpolitik nicht mehr vertraut.

  • 2015: Deutschland ist auf Platz 6 der Wirtschaftsstärksten Länder. Der Mindestlohn beträgt 8.50€. Der H4 Regelsatz beträgt 399€. Die Staatschulden betragen 2.02 Billiarden Euro.

    2025: Deutschland ist auf Platz 22 der Wirtschaftsstärksten Länder. Der Mindestlohn beträgt 12,82€. H4 heißt Bürgergeld und liegt bei 563€.



    Die Staatschulden liegen bei mehr als 2.5 Billionen Euro.

    Damit eines klar ist: Es sei allen gegönnt, dass der Mindestlohn so angestiegen ist und das Bürgergeld auch.



    Aber der enorme Schuldenanstieg gefährdet unserer Zukunft, Deutschland darf nicht noch mehr abhängen.



    Wenn dann die einzige Lösungsvorschlag von SPD und Grünen der ist, dass wir einfach nochmal ein paar hundert Milliarden Schulden zu machen und "in die Zukunft zu investieren" dann sträuben sich mir die Haare. Das "in dioe Zukunft investieren" haben wir jetzt schon 2,5 Billiarden Euro lang versucht und das Ergebnis ist eine Überschuldung, an der unsere Kinder noch schwer zu knappern haben werden.



    Wir leben auf Kosten unser Kinder was Schulden und Umwelt betrifft, das ist zu tiefst unmoralisch.



    Ich bin kein Freund der kalten FDP-Politik und wähle sie auch nicht, aber die Politik von SPD und Grüne erinnert mich an an Schiff, dass voll gegen den Felsen fährt und man sich trotzdem als gute Crew feiert.

  • Man muss Verständnis haben.

    Die FDP weiß, daß nach der nächsten Wahl von ihr nicht mehr viel übrig bleibt.

    Klar, daß dort die Hähne lauthlas krähen - denn nur so haben sie eine Chance Weiterbeschäftigung - in der Wirtschaft.

  • Es ist immer einfach solches Getöse als Wahlkampf zu bezeichnen und sich mit seinen eigenen Positionen reflexartig davon zu distanzieren.



    Jedoch befinden sich zwei weitere Parteien in einer Koalition mit den Verfassern dieser Forderungen. Ergo sollten sie, statt pauschal abzulehnen, ausloten was maximal Forderungen und was unverhandelbarer Kern der Aussagen ist. Und erst dann, möglicherweise die Koalition überdenken.



    Demokratie bedeutet viele verschiedene Ansichten, Interessen und Bedürfnisse, möglichst gerecht auszugleichen und im Idealfall alle unzufrieden mit einem Ergebnis zu machen, dem dennoch alle zustimmen können.



    Leider sind sehr viele Menschen nicht mehr in der Lage den eigenen Standpunkt zu verlassen und die Perspektive seines Gegners einzunehmen. Jedoch sollte man immer dazu in der Lage sein, einen Gedanken zu verfolgen ohne ihn zu teilen und auch die Fähigkeit dazu, aus diesem Widerspruch etwas zu lernen. Am besten über den eigenen Standpunkt, betrachtet aus einer anderen Perspektive.

  • So lange die Granden der "Christen" Parteien öffentlich zum Koalitionsbruch aufrufen und von "zur Zusammenarbeit bereit" tönen, so lange ist die Koalition safe.

    Und davon abgesehen: Auf was für eine Mehrheit könnte sich so eine wir-sind-bereit Koalition im BT stützen...?

  • Vielleicht …



    Vernunft …



    FDP lernfähig?

  • Die FDP ist bei 5%, das Wasser steht also bis zum Hals. Da muss Lindner starke Sprüche machen um seine verbliebenen Stammwähler bei der Fahne zu halten. Ich befürchte allerdings dass Lindner ein Pinscher ist der bellt, aber nicht beisst. Wenn er der FDP das Überleben möglich machen will, dann müsste er jetzt beißen, also den Koalitionsbruch herbeiführen. Wird er aber nicht machen, ein Pinscher eben. Und damit macht er sich gegenüber den verbliebenen FDP Wählern und Wählerinnen noch unglaubwürdiger. Er könnte einem fast leid tun. aber.. mir nicht ....

    • @Gerald Müller:

      Der Koalitionsbruch kommt doch jetzt von selbst. Die anderen Parteien haben jetzt erkannt, dass Regieren mit der FDP überhaupt nicht mehr möglich ist. Die SPD wird daraus die Konsequenzen ziehen und wieder eine große Koalittion anstreben. Die FDP ist bei Neuwahlen eh tot. Nur die Grünen sind die Gelackmeierten, denn der Beamtenpartei kommt ihre Regierungsoption abhanden.

    • @Gerald Müller:

      Die FDP bekam bei der Bundestagswahl 2021 11,4%. Vielleicht tut es Ihnen leid, wenn sie realisieren, wo die 6,4% Abtrünnige jetzt ihr Kreuz machen wollen. Ein kleiner Tipp: Es ist nicht SPD, Grüne, Linke und wahrscheinlich eher zum geringen Teil die Union....

    • @Gerald Müller:

      ...eher ein Jsck-Russel 🤣 auch Wadenbeisser genannt...