Extrem-Bergsteigen in Pakistan: Hassans Tod am „Flaschenhals“

Ein Gepäckträger verunglückt tödlich auf dem K2. Berg­stei­ge­r:in­nen liefen an ihm vorbei. Hätten sie ihn retten können?

Blick auf den Berg K2.

Der K2 im Karakorumgebirge in Kaschmir, der schwierigste Berg unter den Achtausendern Foto: epa/dpa

DELHI taz | Mohammed Hassan – das ist der Name des ersten Todesopfers in dieser Saison am K2, dem zweithöchsten Berg der Welt, in der pakistanischen Provinz Gilgit-Baltistan. Der junge Mann stürzte in der Nacht des 27. Juli ab, während sich dutzende Berg­stei­ge­r:in­nen Richtung „Flaschenhals“ drängten.

Der „Flaschenhals“ ist ein schmales Couloir – eine Art Korridor zwischen Felsvorsprüngen –, das sich etwa 400 Meter unter dem Gipfel befindet und von einsturzgefährdeten Türmen aus Gletschereis überragt wird. Auf dem K2 gilt der „Flaschenhals“ als der wohl gefährlichste Teil des Aufstiegs, auf einer Höhe von 8.200 Metern.

Am Tag, als Mohammed Hassan starb, gingen außerdem mehrere Lawinen ab, bestätigt Abu Zafar Sadiq, Präsident des pakistanischen Alpenvereins. Nach dem Unglück wurden Videos öffentlich, die zeigen, dass Hassan nach seinem Absturz zunächst noch lebte. Es sei bedauerlich, dass niemand angehalten habe, um dem sterbenden Mann zu helfen, so Sadiq.

Immer wieder verunglücken Berg­stei­ge­r:in­nen und ihre Be­glei­te­r:in­nen, Sherpas genannt, sowie deren Ge­päck­trä­ge­r:in­nen in Südasien. Meist sorgen die Meldungen kaum für Aufmerksamkeit – anders in diesem Fall.

Zwei Personen mit Flaggen in der Menschenmenge.

Die norwegische Bergsteigerin Kristin Harila mit ihrem nepalesischen Scherpa Tenjen Sherpa am 5. 8 Foto: Niranjan Shrestha/ap

Bergsteigerin Harila stellte neuen Weltrekord auf

Denn just an dem Tag, als Hassan verunglückte, stellten der Nepalese Tenjin Sherpa und die norwegische Extrembergsteigerin Kristin Harila einen neuen Weltrekord auf: Sie erklommen 14 Achttausender (Berge, die über 8.000 Meter hoch sind) in 92 Tagen. Harila wird nun vorgeworfen, auf der Jagd nach dem K2-Rekord an dem sterbenden Hassan vorbeigewandert zu sein.

Die 37-Jährige verteidigt sich: Ihr Team hätte alles getan, um Hassan zu retten, doch die Bedingungen seien zu gefährlich gewesen, um ihn zu bewegen. Aufgrund der ausgerufenen Lawinengefahr habe sie den Aufstieg fortgesetzt, während Teile ihres Teams zurückblieben, um dem jungen Mann zu helfen. Erst nach dem Abstieg habe sie erfahren, dass er gestorben sei.

Das österreichisch-deutsche Kletterduo Wilhelm Steindl und Philip Flämig war am 27. Juli ebenfalls auf dem K2, und filmte mit einer Drohne. In einem Gespräch mit der österreichischen Zeitung Der Standard erheben sie schwere Vorwürfe gegen Harila. Die Aufnahmen der beiden zeigen einen sterbenden Mann, dessen Oberkörper kurz nach Sonnenaufgang von einer Person massiert wurde – vermutlich um ihn bei Bewusstsein zu halten. Hassan hatte sich an der Spitze der Gruppe befunden, war abgestürzt und hing in einem Sicherungsseil fest, erzählen die beiden. Er gehörte nicht zu Harilas Team, sondern zu einer anderen Bergsteigergruppe.

Nach dem Unfall sei ein neues Seil an der Absturzstelle angebracht worden, so Flämig. Etwa 50 Menschen seien an Hassan vorbeigestiegen, während er um sein Leben kämpfte. Laut Fläming habe es etwa eine Dreiviertelstunde gedauert, bis der Mann aus dem Seil geborgen worden sei. Er sei dort „elendig verreckt“, sagen die beiden, weder Berg­stei­ge­r:in­nen noch deren Be­glei­te­r:in­nen hätten versucht, ihnen zu helfen.

Hassan war wohl nicht für den Aufstieg qualifiziert

An jenem Unglückstag machten sich rund 200 Personen auf den Weg zum Gipfel, trotz des durch die Lawinenwarnung stark eingeschränkten Zeitfensters für den Aufstieg. Steindl und Fläming befanden die Aufstiegsbedingungen als zu gefährlich, kehrten deshalb ins Basislager zurück.

Für den 27-jährigen Hassan war es die erste und letzte Saison. Er sei für den Aufstieg nicht qualifiziert gewesen, erzählen die beiden im Standard. Die Firma, bei der er angestellt war, weigere sich außerdem, seiner hinterbliebenen Familie dessen Gehalt auszuzahlen. Nach eigenen Angaben besuchte das Duo Hassans Familie, übergab ihr eine Geldspende und initiierte ein Crowdfunding.

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