„Extra 3“-Lied über „Bild“-Zeitung: Beleidigung der Ästhetik
Das Lied gegen die „Bild“ gibt sich aufgeklärt und kritisch. Doch es spielt mit platten Klischees. Wer mag es hier „gern stumpf“?
D ie NDR-Satire-Sendung „Extra 3“ hat ein Lied veröffentlicht, das dazu aufruft, die Bild-Zeitung nicht mehr zu lesen. „Jetzt ist hier Hetz-Bube wieder Trumpf / und der Bild-Krawallchef Reichelt mags gern stumpf“, holpert es über die Melodie von „Help“ von den Beatles. Im zugehörigen Video wird die Bild auf der Toilette gelesen. Falls das Lied eine Beleidigung sein soll, trifft sie vor allem humoristische und ästhetische Normen. Doch wenn es gegen das Boulevardblatt geht, zeigt das bescheidwissende Publikum seine besonders niedrigen Schenkelklopfer-Ansprüche.
Mit über einer Million Aufrufe in den ersten 24 Stunden ist das Video ein Erfolg für „Extra 3“. Jeder hat sein Sommerloch zu stopfen und Kritik an Publikationen des Springer-Verlags zieht immer. Aber muss sie wirklich so unkreativ, peinlich, platt und ja, stumpf daherkommen?
Zumal die Bild-Zeitung aktuell gar nichts verbrochen hat. Im Gegenteil. Der Reporter Til Biermann berichtet seit mehr als zwei Wochen vom Seenotrettungsschiff „Alan Kurdi“. Unter einem Livestream-Video, den Bild auf Facebook übertrug, häuften sich menschenverachtende, rassistische Kommentare. Mit Klarnamen forderten Kommentator*innen etwa, das Schiff zu versenken oder das „Drecksvolk“ im Wasser zu lassen.
Nach zehn Minuten Berichterstattung vom Bord des Schiffes zählte die Bild-Redaktion bereits über 1.000 solcher Hasskommentare. „Warum tut Facebook nicht endlich was gegen den Hass?“, fragt Bild im Anschluss. Im Begleittweet zum „Extra 3“-Lied verweisen die Satiriker darauf: „Die Bild-Zeitung fragt seit Tagen, was man gegen Hetze tun kann. Wir hätten da eine Idee.“ Dazu der Hashtag #BildLöschen.
Empfohlener externer Inhalt
Dass auch Bild sich der Frage annimmt, über die seit Jahren von Justizministerium und zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der Amadeu-Antonio-Stiftung beraten wird, ist kein redlicher Anlass für Kritik. Auch dann nicht, wenn man es dreht, wie das Satire-Portal Postillon: „Zeitung, die regelmäßig gegen Flüchtlinge hetzt, verwundert über Hass auf Flüchtlinge.“
Es mag richtig sein, dass bestimmte Zeilen der Bild den rassistischen Hass eher befeuern als eindämmen. Es besteht auch kein Zweifel daran, dass nicht jede Überschrift im Blatt den universellen Menschenrechten zuträglich ist. Dennoch: Wenn die Bild anständig und aufrichtig die Hetze gegen Geflüchtete verurteilt, ist das nicht der richtige Aufhänger für Springer-Bashing. Vor allem nicht für eines, das sich aufgeklärt und kritisch gibt, aber auf plumpe und billige Effekte setzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste