Experte Robert Kappel über Afrikas Armut: „Afrikas Eliten bereichern sich selbst“
Der Ex-Chef des German Institute of Global and Area Studies (GIGA) erklärt, warum viele innerafrikanische Probleme heute hausgemacht sind.
taz: Herr Kappel, warum ist Afrika trotz Entwicklungshilfe immer noch so arm?
Robert Kappel: Weil Afrika seit der Unabhängigkeit den Strukturwandel nicht gut gemanagt hat, etwa die Modernisierung der Landwirtschaft und die Industrialisierung.
Wie kann das sein?
In 90 Prozent der Länder Afrikas hat es keinen Entwicklungsstaat gegeben, der diesen Strukturwandel betrieb. Die Staatseliten haben sich um ihr eigenes Wohlbefinden gekümmert.
Robert Kappel, Jg. 1946, ist Ökonom und war von 2004 bis 2011 Präsident des German Institute of Global and Area Studies (GIGA) in Hamburg. Heute lehrt er als emeritierter Professor an der Uni Leipzig.
Ist es überhaupt statthaft, von ganz Afrika zu sprechen?
Nein. Wir haben sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten. Botswana, Mauritius, Kapverden haben in den letzten 50 Jahren den Sprung geschafft. Auch Kenia und Senegal sind trotz aller internen Probleme sehr gut aufgestellt. Zu den am wenigsten entwickelten Ländern gehören solche mit fragiler Staatlichkeit wie die Sahel-Staaten Niger, Tschad, Mali, Somalia. Nigeria, Kamerun, Angola und Mosambik wiederum haben durch ihre Rohstoffe eigentlich gute Voraussetzungen. Aber sie haben die Rohstoffe nicht verwendet, um die Produktion zu diversifizieren und auch Agrar- und Nahrungsmittelindustrie zu fördern.
Warum nicht?
Weil sie vor allem auf die Kooperation mit multinationalen Unternehmen setzen und ihren Mittelstand, kleine und mittlere Unternehmen nicht fördern.
Wie ist das zu erklären?
Robert Kappels Vortrag "Wie kann in Afrika eine nachholende wirtschaftliche Entwicklung gelingen?" ist Teil der öffentlichen Vorlesungsreihe "Handel(n) gegen den Hunger" und findet statt am 16.4.2018 von 18.15 bis 19.45 Uhr in der Uni Hamburg (Hauptgebäude, Raum 221)
Nach der Unabhängigkeit sind oft Eliten an die Macht gekommen, die sich nicht für die Gesamtbevölkerung interessieren. In Angola, Mosambik und Nigeria sind heute ruchlose Eliten an der Macht, die sich vor allem selbst bereichern. Das hat auch mit dem Verständnis von Demokratie und Staat zu tun. Wer in Afrika eine Wahl gewinnt, nimmt als Sieger alles – alle Posten, alle Möglichkeiten, alle finanziellen Vorteile. Und weil diese Regierungen fürchten müssen, dass sie wieder abgesetzt werden, versuchen sie möglichst schnell viel zu greifen.
Gibt es keine Hoffnung?
Doch. In den letzten Jahren entsteht etwa in Ruanda, Äthiopien und Tansania eine stärker technologisch orientierte Elite, die in Infrastruktur, Bildung, Gesundheitssystem investiert und Landwirte sowie Klein- und Mittelunternehmer fördert.
Und was kann der Globale Norden tun?
Endlich faire Handelsverträge und Investitionen bieten, die nicht nur in den Rohstoffbereich, sondern auch in die Industrieentwicklung gehen. Auch müssen die USA, Europa, aber auch China aufhören, Afrika als das letzte Hinterland eines neuen postkolonialen Modells sehen.
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