Senegals Unis in Aufruhr: Gewaltsamer Tod eines Studenten
Am Dienstag wurde Mouhamadou Fallou Sène auf dem Campus seiner Universität erschosen. Jetzt ist er der Held aller Studierenden dort.
Mouhamadou Fallou Sène heißt er, und der 25-Jährige, der am Dienstag auf dem Campus der Universität von Saint-Louis in Senegal erschossen wurde, ist jetzt der Held aller Studierenden seines Landes. In vier der fünf Universitäten Senegals wurde am Mittwoch gestreikt und Studierende lieferten sich Straßenschlachten mit Polizei und Gendarmerie.
Tränengas kam an der großen Cheikh-Anta-Diop-Universität der Hauptstadt Dakar zum Einsatz, in der südlichen Stadt Ziguinchor flogen Steine und in Saint-Louis selbst formierten sich Demonstranten zu einem Trauerzug mit Gebet an dem Ort, wo Fallou Sène am Vortag gestorben war.
Dass Proteste an den Universitäten so eskalieren, ist in Senegal eher selten. Grund war diesmal eine Provokation der Studentenvereinigung von Saint-Louis: Sie rief am Montag eine 48 Stunden währende Aktion des kostenlosen Mensa-Essens („Journée sans tickets“) aus, um die verspätete Zahlung ihrer Stipendien zu kompensieren.
Die Universitätsleitung ließ die Mensa von der Gendarmerie besetzen. Die Studenten reagierten mit Blockaden, die Gendarmen setzten Tränengas und schließlich scharfe Munition ein – weil sie eingekreist waren, erklärte Armeeminister Augustin Tine hinterher und führte aus, 18 Gendarmen seien verletzt worden.
Aber am Mittwochmittag befand sich nach Angaben der Protestierenden ein zweiter Student in Saint-Louis zwischen Leben und Tod, und die Gewerkschaft der Universitätsdozenten rief zu einem 48-stündigen Streik aus Solidarität auf. Senegals Präsident Macky Sall erklärte, er sei über den Tod Fallou Sènes, der eine Familie hinterlässt, „tief bewegt“ und habe sofortige Aufklärung angeordnet.
Jugend als Machtfaktor
Senegals aufsässige Jugend ist ein Machtfaktor: Macky Sall konnte 2012 nur zum Präsidenten gewählt werden, weil eine breite Jugendprotestbewegung, die sich am Arabischen Frühling des Vorjahres orientierte, Wahlbetrug durch Amtsvorgänger Abdoulaye Wade verhinderte. Die Protestführer von damals sind heute mit den demonstrierenden Studenten solidarisch. Sall will sich im Februar 2019 zur Wiederwahl stellen.
Der Zeitpunkt ist aus einem weiteren Grund bemerkenswert. Vor 50 Jahren, am 18. Mai 1968, begannen in Dakar Studentenproteste als Echo des Mai 68 in Paris. Es folgten Universitätsbesetzungen und schwere Unruhen. So weit soll es diesmal nicht kommen. Aber „der Kampf ist noch lange nicht vorbei“, sagte jetzt Babacar Cissé, Koordinator der Studenten von Saint-Louis: „Es geht nicht mehr um die Stipendien. Es geht um Gerechtigkeit für unseren erschossenen Kameraden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Jette Nietzard gibt sich kämpferisch
„Die Grüne Jugend wird auf die Barrikaden gehen“