Ex-Pirat Lauer will ins Abgeordnetenhaus: „Ich habe nichts zu verlieren“
Er war Pirat, dann bei der SPD. Nun hofft Christopher Lauer auf ein Direktmandat für die Grünen. Er sagt: Der Kampf fürs Klima treibe ihn an.
taz: Herr Lauer, Sie haben der Berliner Landespolitik vor gut vier Jahren den Rücken gekehrt. Jetzt streben Sie erneut ein Mandat im Abgeordnetenhaus an. Warum wollen Sie zurückkommen?
Christopher Lauer: Ich war ja gar nicht richtig weg. Ich habe das politische Geschehen in Berlin weiterhin kommentiert und hatte eigentlich immer was mit Politik zu tun. Markus Feldenkirchen vom Spiegel nannte mich 2020 erst einen „politischen Influencer“.
Aber warum will der Influencer jetzt wieder ins Parlament?
Viele politische Projekte, die ich von 2011 bis 2016 in der Piratenfraktion als Innenexperte angefangen habe, sind noch nicht abgeschlossen. Das Thema polizeiliche Überwachung zum Beispiel – Stichwort Funkzellenabfrage oder stille SMS – bereitet mir weiterhin große Sorgen.
Sie waren nach dem Ende ihrer Parteikarriere bei den Piraten erst SPD-Mitglied. Nun wollen Sie für die Grünen ein Direktmandat in Pankow holen.
Ich war lange jemand, der dachte: Klimawandel, das kriegen wir schon irgendwie hin. Aber die vergangenen Dürresommer haben mir die Augen geöffnet: Wir müssen viel mehr tun. Ich will mich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass Berlin bis 2030 klimaneutral wird. Wenn's die Grünen nicht schaffen, schafft's niemand und dann haben wir ganz andere Probleme.
Sie haben am Dienstag – wie gewohnt via Twitter – Ihre Ambitionen für ein Direktmandat angekündigt. Sind Ihre Pläne irgendwie abgesichert?
Der Kreisvorstand weiß von meinen Plänen. Aber mir hat niemand was versprochen; das kann ja auch niemand. Die Partei muss jetzt entscheiden, ob sie mich aufstellen möchte oder nicht.
36, war einer der führenden Köpfe der Piratenpartei in Berlin und Deutschland. Von 2011 bis 2016 saß er für die Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Nach dem Ende der Legislaturperiode trat Lauer in die SPD ein. Inzwischen ist er Grünen-Mitglied.
Wie hoch sind Ihre Chancen?
Schauen wir mal. Die Grünen haben viele neue Mitglieder. Der Kreisvorstand hat angekündigt, möglichst viele Wahlkreise in Pankow mit Menschen aus Ostdeutschland und Frauen besetzen zu wollen, was ich auch verstehen kann. Mit beidem kann ich allerdings nicht dienen. Realistisch betrachtet bin ich daher eher ein Außenseiterkandidat.
Viele hatten ja erwartet, dass Sie in der SPD Karriere machen wollen und würden…
Ich anfangs auch. Mir wurde von Seiten der SPD auf allen möglichen Ebenen das Blaue vom Himmel versprochen, bis hin zum Bundestagsmandat bei der Wahl 2017. Nach meinem Parteieintritt und der damit einhergehenden Berichterstattung war davon dann nichts mehr zu hören. Ich bin da ein bisschen naiv herangegangen. Am Ende war die Enttäuschung bei mir natürlich sehr groß, schließlich wollte und will ich politisch arbeiten.
Und wie blicken Sie auf Ihre Zeit im Abgeordnetenhaus zurück?
Ganz ehrlich: Es ist eine Hassliebe. Politisch war ich aus der Opposition heraus, Stichwort Gewaltschutzambulanz an der Charité, ja sehr erfolgreich. Aber die Zeit in der Piratenfraktion hatte im Rückblick schon auch etwas Traumatisierendes. Das hab ich erst nach meinem Ausscheiden aus dem Parlament gemerkt, und daran hatte ich einige Jahre zu knabbern. Deswegen habe ich in der Zwischenzeit erst mal meinen Bachalor und Master in Wissenschafts- und Technikgeschichte fertig gemacht.
Jetzt sind Sie wieder bereit fürs Parlament?
Ja. Und ich sehe es unter dem Aspekt, dass wir nur noch zehn Jahre Zeit haben, um die ganze Gesellschaft klimaneutral zu machen. Wir alle haben nichts mehr zu verlieren, und deswegen habe ich auch nichts zu verlieren bei meinen Ambitionen, nochmal ins Parlament gewählt werden zu wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist