Ewigkeitschemikalien: Versicherer mutiger als der Staat
Die Versicherungsbranche setzt ein richtiges Zeichen: Sie will Schäden durch gefährliche Chemikalien künftig nicht mehr versichern.

D ie EU hat bislang ein Verbot von Ewigkeitschemikalien nicht durchgesetzt, weil die Industrie sich dagegen wehrt. Jetzt bringt die Versicherungsbranche Bewegung in die Sache. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ergänzt seine Musterbedingungen um eine Klausel, die Schäden aus per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) ausschließt, wie Ewigkeitschemikalien auch genannt werden. Die Idee: Unternehmen sollen gemeinsam mit Industrieversicherern die Gefahren der verwendeten Stoffe prüfen. Sind die Risiken für Umwelt oder Verbraucher:innen sehr oder zu hoch, wird der Versicherungsschutz extrem teuer oder gar nicht gewährt.
Das kann Unternehmen dazu bringen, auf unbedenkliche Stoffe auszuweichen oder das Geschäftsmodell zu ändern. Denn Industrieproduktion ohne Versicherungsschutz ist in der Regel schon deshalb nicht möglich, weil sie den Kapitalgebern zu riskant ist. Zwar bleibt es den Versicherern überlassen, ob sie die Klausel anwenden. Aber viele werden das aus Furcht vor unüberschaubaren Risiken tun. Die Versicherer setzen ein richtiges Zeichen. PFAS verursachen weltweit immense Umweltprobleme.

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Etliche der mehr als 10.000 Verbindungen stehen im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Sie sind wasser- oder fettabweisend, halten große Hitze, Kälte und Säure aus. Weil sie sehr schwer abbaubar sind, werden sie Ewigkeitschemikalien genannt. Sie sind im Alltag stark verbreitet, etwa in Antihaftbeschichtungen, in Pommestüten oder Regenjacken. Umwelt- und Verbraucherschützer:innen fordern seit Langem ein umfassendes Verbot – bisher kaum mit Erfolg. Nur wenige PFAS sind verboten.
Einige Unternehmen haben längst Alternativen gefunden und Ewigkeitschemikalien in ihren Produkten ersetzt, auch weil Verbraucher:innen das wollen. Trotzdem bleibt die chemische Industrie in ihrer Abwehr gegen strenge Regeln hart. Die Versicherer stellen sich mit ihrem Stoppschild in Form der neuen Klausel auf die Seite der Unternehmen, die neue Wege gehen. Schade, dass der Politik der Mut dafür fehlt.
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