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EwigkeitschemikalienVersicherer mutiger als der Staat

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Die Versicherungsbranche setzt ein richtiges Zeichen: Sie will Schäden durch gefährliche Chemikalien künftig nicht mehr versichern.

Industrieproduktion ohne Versicherungs-Schutz ist in der Regel nicht möglich, weil sie den Kapitalgebern zu riskant ist Foto: Peter Hilz/imago

D ie EU hat bislang ein Verbot von Ewigkeitschemikalien nicht durchgesetzt, weil die Industrie sich dagegen wehrt. Jetzt bringt die Versicherungsbranche Bewegung in die Sache. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ergänzt seine Musterbedingungen um eine Klausel, die Schäden aus per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) ausschließt, wie Ewigkeitschemikalien auch genannt werden. Die Idee: Unternehmen sollen gemeinsam mit Industrieversicherern die Gefahren der verwendeten Stoffe prüfen. Sind die Risiken für Umwelt oder Ver­brau­che­r:in­nen sehr oder zu hoch, wird der Versicherungsschutz extrem teuer oder gar nicht gewährt.

Das kann Unternehmen dazu bringen, auf unbedenkliche Stoffe auszuweichen oder das Geschäftsmodell zu ändern. Denn Industrieproduktion ohne Versicherungsschutz ist in der Regel schon deshalb nicht möglich, weil sie den Kapitalgebern zu riskant ist. Zwar bleibt es den Versicherern überlassen, ob sie die Klausel anwenden. Aber viele werden das aus Furcht vor unüberschaubaren Risiken tun. Die Versicherer setzen ein richtiges Zeichen. PFAS verursachen weltweit immense Umweltprobleme.

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Etliche der mehr als 10.000 Verbindungen stehen im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Sie sind wasser- oder fettabweisend, halten große Hitze, Kälte und Säure aus. Weil sie sehr schwer abbaubar sind, werden sie Ewigkeitschemikalien genannt. Sie sind im Alltag stark verbreitet, etwa in Antihaftbeschichtungen, in Pommestüten oder Regenjacken. Umwelt- und Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen fordern seit Langem ein umfassendes Verbot – bisher kaum mit Erfolg. Nur wenige PFAS sind verboten.

Einige Unternehmen haben längst Alternativen gefunden und Ewigkeits­chemikalien in ihren Produkten ersetzt, auch weil Ver­brau­che­r:in­nen das wollen. Trotzdem bleibt die chemische Industrie in ihrer Abwehr gegen strenge Regeln hart. Die Versicherer stellen sich mit ihrem Stoppschild in Form der neuen Klausel auf die Seite der Unternehmen, die neue Wege gehen. Schade, dass der Politik der Mut dafür fehlt.

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Anja Krüger
Parlamentskorrespondentin
Schwerpunkte Wirtschaft- und Energiepolitik
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12 Kommentare

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  • Dh bedeutet, WKA werden nicht mehr versichert.h ttps:www.mdr.de/wissen/...de-stoppen100.html

  • Vielleicht sollte sich die Bundesregierung intensiver von den Versicherungen beraten lassen, die den Umgang mit langfristigen Risiken i. d. R. ja ganz gut beherrschen.

    • @Aurego:

      Das würde an der Urne nicht funktionieren. Eine rationalen Kriterien folgende Risikoeinschätzung ist nur wenigen Menschen gegeben.

  • "Versicherer mutiger als der Staat



    Die Versicherungsbranche ... will Schäden durch gefährliche Chemikalien künftig nicht mehr versichern. "



    Sorry, aber wer die Vermeidung von Risiken im Portfolio als 'mutig' bezeichnet, hat Versicherung nicht verstanden.

    • @Encantado:

      Mutig insofern, als es ja bisher immer gut möglich war, die Schäden solcher Chemikalien der Allgemeinheit anzulasten und damit den Schadenverursachern günstige Konditionen anzubieten.



      Dass hier eine Veränderung auffällt, liegt vor allem daran, dass es bisher ein gutes Geschäftsmodell war, bei manchen Schäden nicht so genau hinzuschauen.

  • Ich finde wir Verbraucher werden darüber auch ziemlich im unklaren gelassen. Das beispielsweise Teflon gefährlich ist und bei zu viel Hitze auch das Essen kontaminiert, weiß kaum jemand. Dann schauen sie sich mal zufällig den Film "Vergiftete Wahrheit" an und schmeißen anschließend ihre Teflon Pfannen weg.



    Ich glaube die werden ja immer noch verkauft, ist ja nicht verboten worden oder so, normalerweise müsste da das Giftzeichen riesen Groß auf die Verpackung gedruckt werden...

    • @Rikard Dobos:

      Ich denke bei sachgerechter Anwendung stellt das eher ein geringengeres Risiko dar, ich habe entsprechenden Film aber nicht gesehen.

      Das im Artikel beschriebene Problem allerdings, hat mit dem Verbraucher primär gar nichts zu tun. Das Problem tritt ausschließlich bei der Produktion solcher Gegenstände auf.

  • Wie sieht das bei den Windrädern aus? Deren Abrieb ist nicht unbedenklich und wird über grosse Flächen verteilt, In der Nordsee ist dies schon in Muscheln festgestellt worden, anderenorts in Wildschweinleber. Darüber hört man in Diskussionen kaum etwas.

    • @Nico-1:

      Klassisches Strohmann Argument.

      PFAS sind ein Problem in der Produktion und keins des Betriebs. Klassische Anwendungen für entsprechende Beschichtungen und Bauteile sind Lagerflächen. Ich weiß nicht an welcher Stelle ein Abrieb dieser Beschichtungen entstehen, bzw. in die Umwelt gelangen könnte, wenn nicht gerade ein massives Bauteilversagen vorliegt.

    • @Nico-1:

      Diese Anmerkung ist nichts anderes als die Zersetzung von Diskussionen.



      Wenn gesagt wird, bestimmte Chemikalien gelten als unversicherbar, dann gilt das für die Chemikalie und nicht für deren Einsatzgebiete.



      Alternativen für PFAS sind schon bei vielen Einsatzgebieten erprobt, werden aber viel zu häufig trotzdem nicht eingesetzt. Ob dies bei Pfannen, Regenjacken oder Windrädern geschieht ist unerheblich. Es macht keinen Unterschied.



      PFAS sind schädlich, auch wenn sie in Windrädern eingesetzt werden.



      Windräder sind sinnvoll, auch wenn manche Anbieter noch darauf verzichten, Alternativen für PFAS einzusetzen. Man kann beides gleichermaßen und parallel betrachten, statt das eine Problem durch das andere zu diskreditieren.

      • @Herma Huhn:

        "Diese Anmerkung ist nichts anderes als die Zersetzung von Diskussionen."



        Sie ist in der Tat etwas daneben, da es bei den Windrädern weniger um PFAS geht, sondern mehr um Mikroplastik, Epoxidharz (Bisphenol A) und Glas-/Carbonfasern.



        Sie ist aber insofern berechtigt, dass "Ökolinke" gut darin sind, Forderungen aufzustellen, aber weit weniger gut darin, über die Konsequenzen ihrer Forderungen nachzudenken oder gar Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Oder - oh Schreck! - letztere womöglich noch zu erarbeiten.

      • @Herma Huhn:

        Als des ein älterer Kollege mal im Büro als Argument gegen Windmühlen brachte, kam zur offenen Bürotür die Lohnbuchhalterin reingerannt. Zum Glück, weil mir fiel da auf die Schnelle nix ein. Evtl. kammer bei Leuten, die nur so halb "lost" sind, mit der Rückfrage, ob die ned deswegen eigentlich in Haferlschuhen und maximal mit Wollwachs behandelten Wollklamotten rumrennen müssten, kontern. Mensch futtert und hechelt das Äquivalent einer Kreditkarte an Plaste (und Elaste) innerhalb einer Woche ein.