Evaluation der Hamburger Mietpreisbremse: „Nahezu wirkungslos“

Eine Auswertung der Hamburger Mietpreisbremse brachte unerwünschte Resultate und wurde versteckt – ausgerechnet im Transparenzportal.

Wohnblock in der Hafencity

Trotz Mietbremse gibt es immer mehr hochpreisige Angebote in Hamburg: Wohnungen in der Hafencity Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Ergebnis der Studie mangelhaft, Veröffentlichung unerwünscht. Ausgerechnet im Hamburger Transparenzportal versteckte Hamburgs Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) eine von ihr in Auftrag gegebene und mit Spannung erwartete Auswertung sämtlicher Auswirkungen der von ihr 2015 erlassenen Mietpreisbremse.

Bereits im vergangenen November machte das Gerücht die Runde, die vom Darmstädter Institut Wohnen und Umwelt (IWU) erstellte Evaluation sei weitgehend abgeschlossen. Sie habe aber nicht die erwünschten Ergebnisse erbracht und solle deshalb bis nach der Bürgerschaftswahl am 23. Februar zurückgehalten werden. Als die taz einen Monat später bei der BSW nachfragte, bekam sie zur Auskunft, die Auswertung habe sich etwas verzögert, die Ergebnisse würden aber noch im Januar 2020 präsentiert werden – weit vor der Wahl.

Das geschah nicht. Stattdessen wurde der 110-seitige Evaluationsbericht am 19. März – fast vier Wochen nach der Wahl – ohne flankierende Pressemitteilung oder Pressekonferenz im Transparenzportal der Stadt veröffentlicht – so dezent, dass die Medien bis heute keinen Wind von dem brisanten Papier bekamen.

Die Behörde rechtfertigt ihr Versteckspiel heute mit dem Corona-Chaos, das Mitte März voll zugeschlagen habe. Doch die Geheimniskrämerei hat inhaltliche Gründe. Laut dem Gutachten des IWU-Instituts wurde die mit der Mietpreisbremse angestrebte Eindämmung der Hamburger Mieten im Untersuchungszeitraum glatt verfehlt. „Insgesamt waren auf dem Markt bei den Wohnungsangeboten im Mittel keine Preisdämpfungswirkungen zu beobachten“, heißt es in dem Papier.

Bei der Wiedervermietung von Wohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt darf die Miete höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Ob der Wohnungsmarkt als angespannt gilt, entscheiden die einzelnen Bundesländer.

Wie hoch die Vergleichsmiete ist, kann dem Mietspiegel vor Ort entnommen werden.

Die Mietpreisbremse gilt bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen, nicht jedoch bei Neubauten.

Doch damit nicht genug. Immer mehr Vermieter*innen orientieren sich laut Studie offenbar an der von der Mietpreisbremse gesetzten Obergrenze bei Neuvermietungen und ziehen die Miete auch bei bereits vermieteten Wohnungen entsprechend an: „In den Bestandsmietverhältnissen sind derweil mehr Mieterhöhungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete hin und damit ein Preisauftrieb zu erwarten“, prognostiziert das Gutachten. Statt preisdämpfend wirkt die Bremse damit preistreibend.

Zudem habe die Mietpreisbremse „zu mehr hochpreisigen Angeboten“ geführt, weil etwa immer mehr Vermieter*innen „die Ausnahmetatbestände“ – etwa umfangreiche Modernisierungen – bemüht hätten, die höhere Mietforderungen rechtfertigen. Auch hätten kaum Mieter*innen die Bremsregelungen genutzt, um niedrige Mieten einzuklagen, weil die rechtlichen Hürden sehr hoch seien.

Das Fazit der Studie ist damit aus Mieter*innensicht fatal: Die Mietpreisbremse blieb nahezu wirkungslos, wo sie wirkte, führte sie zum Teil eher zu einer Erhöhung als zu einer Absenkung der Miete. Kein Einzelresultat: Voriges Jahr war das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mieten in Gebieten mit Mietpreisbremse stärker ansteigen als in Städten, die nicht auf die Bremse treten.

Das Ergebnis der Evaluation war der Behörde, die die Mietpreisbremse bis 2025 unbedingt verlängern wollte und dies inzwischen auch tat, ein Dorn im Auge. Sie hätte nur die Gegner*innen der Mietpreisbremse munitioniert. So fühlt sich etwa An­dreas Breitner, Chef des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, „durch die Evaluation in meiner Auffassung bestätigt, dass es keinen Grund für eine Mietpreisbremse in Hamburg gibt“. Diese belaste die Wohnungsunternehmen nur „mit zusätzlichem bürokratischem Aufwand“, sei „teuer und ärgerlich, aber ohne Nutzen“.

Um keine schlafenden Hunde zu wecken, entschloss sich die BSW im Juni, die missliebige Evaluation auch in ihrer Ankündigung der Verlängerung der Mietpreisbremse erneut lieber nicht zu erwähnen. Denn trotz der miserablen Evaluationsergebnisse hält Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) die Mietenbremse noch immer für ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Mietwucher und hat damit Hamburgs Mieter*innen-Vereine auf ihrer Seite.

Stadt und Mietervereine halten an der Bremse fest

Für Silvia Sonnemann von „Mietern helfen Mietern“ ist die teure Evaluation „wenig aussagekräftig“. Der Grund: Die Evaluationsdaten wurden größtenteils 2017 und auch 2018 erhoben. In diesen beiden Jahren erklärte erst das Amtsgericht Hamburg-Altona und dann das Hamburger Landgericht die Mietpreisbremse aufgrund handwerklicher Fehler der BSW für unrechtmäßig, was zu einer absoluten Rechtsunsicherheit führte.

Im Juli 2018 erließ der Hamburger Senat dann eine neue Mietpreisbremse, die danach noch zweimal, Anfang 2019 und auch 2020, nachgeschärft wurde. So müssen die Vermieter*innen, die die ortsübliche Miete um mehr als 10 Prozent überschreiten, seit Anfang 2019 schriftlich begründen, welche Umstände sie dazu berechtigen.

„Seit den Änderungen zeigt die Mietpreisbremse positive Wirkung“, hat Silvia Sonnemann beobachtet, und immer mehr Mieter*innen nutzten das Instrument, um gegen überhöhte Mietforderungen vorzugehen. Nur gerade das lasse sich eben nicht belegen – weil aktuelle Daten und Zahlen fehlten.

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