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Evakuierungen aus SudanIm Stich gelassen

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Diplomaten ziehen ab und schließen die Botschaften. Zurück bleiben die Menschen in Sudan, wo Frieden wieder in weite Ferne zu rücken scheint.

Menschen im Norden von Khartum an einer Brotausgabestelle am Wochenende Foto: Mohamed Nureldin Abdallah/reuters

D ie internationale Staatengemeinschaft hat Sudan abgeschrieben. Anders lässt sich die ausländische Evakuierungsaktion aus der umkämpften Hauptstadt Khartum am Wochenende kaum interpretieren. In koordinierter Weise haben die USA, Großbritannien und Frankreich zunächst ihre Diplomaten aus der sudanesischen Hauptstadt abgezogen und die Botschaften bis auf Weiteres geschlossen. Das sind die drei westlichen der fünf ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder.

China und Russland bleiben in Khartum, was auch wenig verwunderlich ist, da sich Peking und Moskau bestens mit den sudanesischen Generälen verstehen. Mittels der Söldnerfirma Wagner und ihren Rüstungslieferungen über Libyen kann Russland nun auch noch ungestörter als vorher seine bewährte Politik der Destabilisierung ausführen, um Einfluss am Roten Meer zu sichern, und China kann zu gegebener Stunde als Friedensstifter auftreten.

Die Art der US-Evakuierung aus Khartum per Hubschrauber wie einst aus Saigon beim Verlust von Südvietnam ist ein Eingeständnis des Scheiterns. Jahrelang haben westliche Diplomaten versucht, im Dauergespräch mit Sudans mächtigsten Militärführern den Übergang zur Demokratie zu retten, der nach dem Sturz des Militärdiktators Bashir vor vier Jahren in greifbarer Nähe schien und seitdem immer wieder von sudanesischen Generälen hintertrieben worden ist.

Noch vor wenigen Wochen waren sie optimistisch, eine Einigung zwischen Armeechef Burhan und Milizenchef Hametti herbeiführen zu können, als letzter Schritt auf dem Weg zu einem verbindlichen Fahrplan zur Demokratie. Stattdessen haben Burhan und Hametti nun einen Krieg gegeneinander vom Zaun gebrochen und denken nicht daran, damit wieder aufzuhören. Und die Diplomaten gehen und schließen ihre Botschaften.

Sie täten das nicht, wenn sie an eine rasche Rückkehr zum Frieden glaubten. Sie stellen sich nun auf Krieg ein. Die Menschen in Sudan sehen derweil ohnmächtig zu, wie die selbsternannten ausländischen Ratgeber und Heilsbringer die Koffer packen. Sie fragen sich zu Recht: Und wir?

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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7 Kommentare

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  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    Tja, wir sollten aufhören Berater und Heilsbringer zu sein. Dann können wir auch niemanden enttäuschen.

  • "Sie fragen sich zu Recht: Und wir?"

    Nu, es ist ihr Staat. Veränderungen sollten als erstes von Innen kommen. Ds sagt sich aus der Ferne leichter, als wenn man in der Militärdiktatur ist. Aber trotzdem ist ein Eingreifen von aussen - wenn man nicht willkommen ist - nicht machbar. Weder das die Gewalt bekämpft wird, noch das die Bevölkerung ausgeflogen wird.



    Zumal jedes Eingreifen an koloniale Zustände erinnert. Das will keiner. Also ist die Afrikanische Union gefragt.



    PS. haben sich diese Länder um ihre Leute in der Ukraine gekümmert? Flieger eingesetzt um die Studierenden zurückzuholen?

    • @fly:

      "PS. haben sich diese Länder um ihre Leute in der Ukraine gekümmert? Flieger eingesetzt um die Studierenden zurückzuholen?"

      Google sagt nein. Die meisten sitzen nun in etwaigen EU-Staaten, haben aber größtenteils auch kein Interesse daran von Europa aus in ihre Heimat zurückzureisen.

  • Sorry, aber das Problem sind ja wohl nicht die ausländishen Ratgeber, sondern die inländischen Generäle. Der Westen ist weder allmächtig noch an allem Schuld.

  • Wir haben nicht die Verantwortung für jeden gescheiterten Staat. Wenn Diplomatie und Verhandlungen scheitern, muss die Sicherheit der Botschaftsanghörigen Vorrang haben.

    • @Frank Stippel:

      ...Missionierungsversuche in anderen Ländern, betreffend einer Demokratisierung nach westlichen Verständnis - beinhaltet aber auch ein gewisses Maß an Verantwortung...

    • @Frank Stippel:

      Guter Punkt