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Europäischer EmissionshandelDeutschlands Bewährungsprobe

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Der Beschluss des neuen Emissionshandels fordert auch die Bundesregierung heraus. Gerade im Verkehrs- und Bauwesen reißt Deutschland seine Klimaziele.

Viele EU-Regierungen hätten gern noch viel mehr Rechte für ihre Industrie herausgeholt Foto: Philippe Desmazes/AFP/dpa

D ie EU hat sich auf ein großes Klimaschutzpaket geeinigt. Eines haben viele der Beschlüsse gemeinsam: spät, aber immerhin. Das gilt zum Beispiel dafür, dass etliche Industriezweige endlich richtig am Europäischen Emissionshandel teilnehmen sollen. Die Industrie bekommt nämlich bislang den Großteil ihrer CO2-Zertifikate im Rahmen des Handels einfach geschenkt. Dabei ist der Sinn des Ganzen ja eigentlich, CO2 einen Preis zu geben. Jetzt soll es schrittweise weniger solcher „Geschenke“ geben, für etliche Industriezweige ist 2034 ganz Schluss. Das dauert zu lange. Viele EU-Regierungen hätten aber gern noch viel mehr für ihre Industrie herausgeholt. Es hätte also schlimmer kommen können.

Ebenfalls recht lang dauert es noch, bis ein ganz neues Klimaschutz-Instrument startet: ein zusätzlicher Emissionshandel für Verkehr und Gebäude. Für das Tanken und Heizen bittet der ursprüngliche Europäische Emissionshandel bislang noch nicht zur Kasse. Dass sich das nun ändern soll, ist ein Erfolg. Mit dem Start will sich die EU aber noch bis 2027 Zeit lassen.

Der Beschluss des neuen Emissionshandels hält auch eine Klimaschutzprobe für die Bundesregierung bereit. In Deutschland gibt es bereits einen CO2-Preis fürs Tanken und Heizen, der nicht von der EU kommt, sondern noch von der Großen Koalition. Nach aktueller Gesetzeslage wird der deutsche CO2-Preis 2027 deutlich höher liegen, als es in dem europäischen System der Fall sein wird. Bei der Anpassung könnte es deshalb dazu kommen, dass Deutschland hinter seine bisherigen Klimaschutzpläne zurückfällt. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, das zu verhindern.

Es gibt dafür ein gutes Vorbild: Als Großbritannien noch Mitglied der EU und damit des Emissionshandels war, hatte das Land einen eigenen CO2-Mindestpreis, was als ein Grund für den schnellen Kohleausstieg des Landes gilt. Eine ähnliche Lösung sollte Deutschland jetzt auch anstreben. Gerade im Verkehrs- und Bauwesen reißt Deutschland schließlich seine eigenen Klimaziele und kann sich keine weiteren Klimaschutzlücken leisten.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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10 Kommentare

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  • "... das Tanken und Heizen bittet der ursprüngliche Europäische Emissionshandel bislang noch nicht zur Kasse. [...] Mit dem Start will sich die EU aber noch bis 2027 Zeit lassen.."

    2027! ist viel zu spät!

    Das konnte nur geschehen, weil sich die Öffentlichkeit null damit beschäftigt hat. In den Medien, auch in der taz, waren die Ausformung des jetzigen Emmissionshandels null das Thema. Die Medien haben das Ergebnis quasi durchgewunken.

    Das ist ein eklatantes Desinteresse der Medien am Klimaschutz. Die monothematische dominante Beschäftigung mit der sogenannten "Letzten Generation" zeigt ihre Folgen. Wichtige Themen fallen unter den Tisch.

  • Nach der Energiewende ein weiteres Feld, wo Fakten und Machbarkeit ignoriert werden.



    Nochmal ganz klare Zahlen zum Gebäudesektor (kann man auf der Website des Bundestags nachlesen):



    zwischen 2010 und 2020 wurden von privaten, gewerblichen und öffentlichen Stellen insgesamt 400 Mrd.! Euro in energetische Sanierung von Gebäuden gesteckt. Ergebnis in Punkte Wärmeenergiebedarf: praktisch keine Verbesserung.



    Geld in nutzlose Konzepte stecken - darin sind wir gut.



    Pragmatische Lösungen eher nicht so.

  • Aktuell haben wir einen fixen CO2 Preis der die Menge nicht beschränkt.

    Geplant ist letztendlich aber ein Zertifikatehandel mit begrenzter Emissionsmenge. Wenn dieser konsequent umgesetzt wird können die Ziele (in den teilnehmenden Sektoren) gar nicht mehr verfehlt werden. Der CO2 Preis steigt so lange bis die notwendigen Einsparungen erzwungen werden.

    Dabei ist Europa übrigens wirklich in einer Vorreiterrolle. Ein derart umfangreiches System gibt es nirgends sonst auf der Welt.

  • "Als Großbritannien noch Mitglied der EU und damit des Emissionshandels war, hatte das Land einen eigenen CO2-Mindestpreis, was als ein Grund für den schnellen Kohleausstieg des Landes gilt."

    Die Grundlage für den schnellen Kohleausstieg Großbritanniens war billiges Erdgas und Kernenergie.

    "Eine ähnliche Lösung sollte Deutschland jetzt auch anstreben."

    Sollte: ja. Wird aber nicht passieren, stattdessen gibt's Atomausstieg, teures Flüssiggas, und unhaltbare Versprechungen eines Kohleausstiegs.

  • Ideenloses Konzept

    Ich höre immer nur CO2 wird teurer. Ich höre leider kaum, was denn die machbare Alternative zu CO2-Energieträgern wird. Wie erzeugt ihr im Winter bei kaum Sonne und wenig Wind genug Strom für alle Heizungen, E-Autos und Industrie?



    Mit dem Preis alleine kann man nicht alles richten, oder wird fahren und heizen bald zum Luxus für die Besserverdiener, und das "Fußvolk" darf gehen und frieren?

    • @Rudi Hamm:

      Das europäische Stromverbundnetz geht von Portugal bis Türkei, von Norwegen bis Marokko.

      Nur weil z.B. gerade in Süddeutschland bei Windstille keine Sonne scheint, heißt das nicht dass an der griechischen Küste kein Wind weht oder in Norwegen die Speicherseen leer sind.

      Außerdem wird ja auch die Gaserzeugung umgestellt (Stadtgas usw). Da gibt's bereits große Speicher für den Winter - siehe gerade eben.

      Kann mir beim Besten willen nicht vorstellen, dass Strom langfristig teurer wird. Eher billiger. Windkraft und PV erzeugen mit Abstand den billigsten Strom.

      Man muss halt jetzt genug investieren um in Zukunft die Rendite zu kassieren.

    • 1G
      14397 (Profil gelöscht)
      @Rudi Hamm:

      Ideenloser Kommentar

      Ich höre immer nur Fossile Energieträger werden teurer. Ich höre leider kaum, was denn die machbare Alternative zu erneuerbaren Energieträgern wird. Wie erzeugt ihr in der Klimakatastrophe bei kaum Stabilität und wenig lebensförderden Umweltbedingungen genug Überlebensqualität für alle Menschen, Tiere und Pflanzen?

      • @14397 (Profil gelöscht):

        Wahrscheinlich sind erneuerbaren Energieträger die einzige Alternative zu fossilen Energieträgern, das bezweifle ich ja nicht.



        Ich bezweifle aber, dass wir dies schnell genug und bezahlbar für jeden schaffen werden.



        und daher der "Ideenloser Kommentar" (Danke!), "wird fahren und heizen bald zum Luxus für die Besserverdiener, und das "Fußvolk" darf gehen und frieren?"

    • @Rudi Hamm:

      Das magische Stichwort das keiner in dem Mund nehmen will ist Umverteilung.

      Am besten mit dem geplanten "Energiegeld".

      Das "Fußvolk" braucht mehr vom Kuchen um sich die steigenden Preise leisten zu können um dann auch entscheiden zu können wofür das Geld nun ausgegeben wird.

      Beispiel:

      Der ÖPNV wird ausgebaut aber es dauert immer noch rund 30min länger zur Arbeit im Vergleich zum eigenen PKW.

      Der Pendler kann nun entscheiden das "Energiegeld" für ein eigenes Auto auszugeben oder den kostenlosen ÖPNV nutzen mit dem Energiegeld das Monatseinkommen aufhübschen.

      Home Office wird so auch attraktiver wenn der Verzicht auf Pendeln richtig Geld spart.

      Es lohnen sich wieder Fahrgemeinschaften weil es zu teuer ist ein Auto nur für sie selbst zu unterhalten. Da ist viel Luft nach oben und zur Schicht müssen viele ja zur selben Zeit.

      Ohne ein wirksames Energiegeld haben wir bei der notwendigen Spritpreiserhöhung schnell sowas ähnliches wie in Frankreich die Gelbwesten.

  • Spannend an diesem Artikel wird für viele vor allem die Information sein, was alles noch gar nicht im Emmissionshandel enthalten war. Und dass die Industrie ihre Zertifikate bisher geschenkt bekam. Deprimierendes zum Jahresende ..