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Essay Kulturbegriff der Neuen RechtenDas Lebendige verfehlen

Kommentar von Dirk Knipphals

Es sind die Ressourcen der Selbsthinterfragung, stupid! Was sich dem Kulturbegriff der Neuen Rechten entgegenhalten lässt.

Auch innerhalb einzelner Kulturen steckt die Produktivkraft erst in den Abständen zwischen Positionen Foto: photcase/Mr Nico

D ie neurechten Vordenker der AfD sind – neben allem, was sie sonst noch so sind – Deutschlands größte Kulturrelativierer. Von der prinzipiellen Überlegenheit der deutschen oder der westlichen Kultur haben sie sich verabschiedet. Und ersetzt haben sie das durch eine Theorie der Gleichwertigkeit homogener Völker in ihren jeweiligen Lebensräumen, also von afrikanischen Völkern in Afrika, europäischen Völkern in Europa, arabischen Völkern in Arabien usw. Eine Kultur sei dort stark, wo sie entstanden ist, und sie verliere an Kraft, wenn sie diesen Raum verlässt. Das läuft unter Ethnopluralismus.

Gegen dieses Konzept kann und muss man viel sagen. Zunächst einmal: Wer nach Gründen sucht, weshalb die Menschen in ihrer Heimat bleiben sollen, sprich: weit weg von Deutschland, dem passt es gut in den Kram. Das Konzept hat etwas Zynisches.

Außerdem produziert es nur Klischees. Im Kern haben wir es mit einem stillgestellten Huntington zu tun. Statt um einen Kampf der Kulturen geht es hier um ihr gegenseitig abgeschottetes Nebeneinander. Aber das Statische bleibt, und wie die einzelnen Kulturen beschrieben werden, hat mehr mit eigenen Projektionen als mit Realitäten zu tun.

Das wichtigste Gegenargument ist aber: Das Konzept verfehlt das Lebendige, ständig Schöpferische, das doch erst den Kern des Kulturellen ausmacht. Wahr ist, dass etwas Kulturelles an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit entsteht und dass beides Einfluss auf es hat. Aber damit „gehört“ es nicht diesem Ort. Jedermann kann es rezipieren, es benutzen oder anderweitig ergreifen. Es ist sowieso womöglich in Abgrenzung zu anderen kulturellen Ereignissen entstanden oder in Anlehnung an sie. Ständige Transformationen, nicht bleibende Werte machen Kulturen aus.

Abwertung der eigenen Kultur

Im Umfeld der Neuen Rechten mag es also viel Gewese um „Zustand unseres kulturellen Daseins“ (Götz Kubitscheck) geben. Doch wenn man genau hinsieht, werten die Neuen Rechten nicht nur die sogenannten fremden Kulturen eben doch ab, sondern auch die sogenannte eigene Kultur. Indem sie sie identitär festnageln wollen, nehmen sie ihr die Kraft. Offenbar sträuben sie sich dagegen, sich von Kunstwerken die blinden Flecken im eigenen Denken ausleuchten zu lassen.

In dieser Lage wünscht man sich dem aktuellen Buch des französischen Philosophen François Jullien die richtigen Leser. Es heißt programmatisch „Es gibt keine kulturelle Identität“ und ist ein schmales Edition-Suhrkamp-Bändchen, das mit Gedanken nur so vollgepackt ist (wenn man durch die Begriffsbestimmungen am Anfang durch ist, wird es richtig interessant).

Man muss die Mitte davor bewahren, ihr Selbstverständnis identitär auszulegen

Das Buch setzt überzeugend auf die Lebendigkeit von Kultur und zählt – das ist der Punkt! – ausdrücklich die Möglichkeit, sich von sich selbst zu distanzieren und den eigenen Dogmatismus zu hinterfragen, zu ihren Ressourcen. In einer Zeit, in der der westliche Universalismus hinter uns liegt und man die ganze Welt nicht mehr nur aus europäischer Perspektive betrachten kann, bietet Jullien damit einen Weg an, die Existenz verschiedener Kulturen anzuerkennen und doch zugleich nach ihrem Gemeinsamen zu suchen.

Statt von Unterschieden der Kulturen spricht Jullien von ihren Abständen. Diese Abstände sind wichtig, sie ermöglichen erst das Produktive an Kulturen, das eben darin besteht, „sich anderen Kulturen, Sprachen und Denkweisen auch weiterhin zuzuwenden, sich ihnen entgegenzustrecken; und dementsprechend nie aufzuhören, an sich zu arbeiten, sich zu verändern – mit anderen Worten: lebendig zu bleiben“.

Auch innerhalb der einzelnen Kulturen steckt die Produktivkraft erst in den Abständen zwischen Positionen. Sich etwa zwischen Christentum und rationalem Laizismus als Basis für eine europäische Kultur entscheiden zu wollen (bei Debatten über die Präambel einer europäischen Verfassung gab es diese Alternative) erscheint in dieser Perspektive töricht. Erst die Spannung zwischen den Positionen macht das Lebendige aus.

„It’s the Kultur, Stupid“ heißt in der aktuellen New York Review of Books der lange Artikel, in dem Timothy Garton Ash den Aufstieg der AfD nachzeichnet. Mit Jullien kann man nun sagen: Der Titel ist nicht exakt. Keineswegs die Kultur selbst ist das Entscheidende, sondern ein bestimmter Begriff von ihr. Gegen die Globalisierung rettet sich die Neue Rechte in das vermeintliche Eigene einer Kultur, aus der allerdings die in ihr ständig ablaufenden gegenläufigen Bewegungen von Hetero- und Homogenisierung schlicht weggedacht werden.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.

Nun hat man keineswegs den Eindruck, dass die Vertreter der Neuen Rechten von solchen Argumenten zu überzeugen wären. Aber darum geht es auch nicht. In den anstehenden kulturpolitischen Debatten wird es vielmehr wichtig sein, die Mitte davor zu bewahren, ihr kulturelles Selbstverständnis (wieder) vermehrt in identitären Begriffen auszulegen. Hat man dafür die richtigen Argumente? Auch für solche Klärungsprozesse sind die Vorschläge von François Jullien hilfreich.

So wird in Kreisen, die man vielleicht immer noch als bildungsbürgerlich bezeichnen kann, etwa im Kreis der Kulturstaatsministerin Monika Grütters, viel auf die deutschen kulturellen Traditionen abgehoben, die sich um Gemeinschaftsstiftung drehen. Kant. Schiller. Das Fundament vieler kulturpolitischen Reden in Deutschland besteht jedenfalls in der These: Im Rezipieren von Kunst finden die Menschen zwanglos zusammen. Das wird dann anlassbezogen mal akademisch und mal bürgernah ausformuliert.

Auch subkulturell gibt es Klärungsbedarf

Dagegen kann man aber immer einwenden: Aber sie zerstreuen sich auch wieder! Und überhaupt bringen doch erst die Traditionen, die radikal auf subjektives Erleben setzen und damit den Abstand zur Gemeinschaft markieren – Nietzsche, der frühe Brecht, der Expres­sio­nismus, Benn, was weiß ich: Rainald Goetz –, die Abgründe, über die sich die Menschen zusammenfinden, ins Bild. Und, ein Beispiel von vielen, das Gewagte und vor den aufgehobenen Widersprüchen innerlich gleichsam noch Bebende der Klassik kommt doch gerade erst in der Gegenüberstellung zu Kleist gut heraus.

Will sagen: Die Neue Rechte hat sich in dem kulturellen Feld einen aus ihrer Warte, wenn man nicht aufpasst, ziemlich attraktiven Platz für gesellschaftliche Auseinandersetzungen ausgesucht. Auch bürgerliche Kreise setzen bei Identitätsstiftung auf Kultur. Wie ernst man es, staatstragend, mit der Selbsthinterfragung meint, wird demnächst etwa das Humboldt-Forum in Berlin zeigen. Es könnte für die Spannungen innerhalb des Kulturellen ein gutes Beispiel werden. Oder auch nicht.

Auch subkulturell gibt es Klärungsbedarf. Erfolg von Vertretern von Minderheiten im kulturellen Feld wird derzeit gern interpretiert als Anerkennung der jeweiligen Gruppe, die der Künstler repräsentiert. Gesellschaftspolitisch ist das auch verständlich. Kulturell ist es allerdings höchstens die eine Seite der Medaille. „Kultur hat“, schreibt Jullien, nicht die Funktion, dem nach Anerkennung strebenden Subjekt dabei zu helfen, ein Selbstbild zu konstruieren.“ Kultur zielt immer auch auf das Gegenteil: auf die Förderung der Fähigkeit der Subjekte, sich von Herkunft oder den Gruppen, in die man eingeordnet wird oder selbst einordnet, zu lösen. Erst das bedeutete richtige Integration.

François Jullien ist weder Poptheoretiker noch Avantgardist. Er ist für Latein- und sogar Griechischunterricht an den Schulen und auch sonst oft kulturell konservativ. Aber es ist ein Konservatismus, mit dem man ins Gespräch kommen kann und den sich hierzulande Botho Strauß zum Beispiel selbst verbaut. Mit Jullien mag man darauf setzen, dass es dann und wann tatsächlich gelingt, die Ressourcen der kulturellen Abstände dazu zu nutzen, ein geteiltes Gemeinsames zu entwickelt – und es, bevor es sich verhärtet, gleich wieder zu zerstreuen. Und genau das wäre etwas, was sich dem identitären Kulturbegriff der Neuen Rechten gut entgegenhalten ließe.

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Literaturredakteur
Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).
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22 Kommentare

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  • Welches „Deutschland“ meinen Sie? Wovon sprechen Sie? Nach ihrer Auslegung gibt es kein „Deutschland“ als kulturellen Begriff. Selbst nicht als offen und flüssig gedachtes Konstrukt.

     

    Auch die historischen Ereignisse, von denen Sie schreiben, haben demnach keine gemeinsame kulturelle Klammer, zumindestens keine die eine „deutsche“ Verantwortung begründen würden, mit denen sich einzelne Bürger auseinandersetzen müssten. Und juristische Rechtsnachfolgefragen lassen sich leicht monetär abhandeln oder vor einem Gericht.

     

    „Nichts“ kann man also schlecht widerlich empfinden. Eine nicht vorhandene Kultur lässt sich auch nicht moralisch hinterfragen.

    • @Rudolf Fissner:

      war @Uranus "Deutschland - ein widerlicher Gedanke."

      • @Rudolf Fissner:

        Mein voriger Kommentar ist eine Antwort auf Stefan Mustermanns Kommentar unten. In diesem Kommentar verband sie_er Kultur und Nation, und im Ergebnis meiner Ansicht nach recht einheitlich rüberkommt. Das setzt er dann noch in einen historischen Kontext.

        Die eine Kritik, die ich äußerte, ist die an der Einheitlichkeit von Kultur, die zweite ist die, an die Nation/Nationalstaat Deutschland mit ihrer Geschichte. Naja, da Stefan Mustermann, wie schon beschrieben, Nation und Kultur dann noch miteinanderverbindet, wirkt ihre_seine Forderung á la 'Make Germany great again' aus genannten Gründen widerlich - was für mich bereits am Gedanken Deutschland beginnt.

    • @Rudolf Fissner:

      Gemeinsame Geschichte schafft nunmal kollektive Identität. Und ein gemeinsamer Staat lässst eine politische Kultur entstehen. Die Schweitzer hälts seit 800 Jahren zusammen ohne "gemeinsame Kultur".

      • @El-ahrairah:

        Ich bin da kein Fachmann, aber ist das dann nicht Kultur (Schweiz)?

        • @Gerhard Krause:

          Schon. Politische Kultur, Alltagskultur etc. Solche Kultur wie sie auch die Deutschen teilen nach 150 Jahre gemeinsamer Staatlichkeit und zwei Weltkriegen. Ist aber nicht identisch mit "Ethnischer Kultur" o.Ä.

  • Au Backe. Wat issen nu ditte - kerr?!

    Das nenn ich aber mal vollschwer das

    Lebendige verfehlt - aber sowas von hintern durch die Brust ins Auge! ~>

     

    "…das Volk hört Schlager und liest BILD, quasselt aber über Händel und Goethe…"

     

    Nu. "Jetzt Volkerts" - wa! (MRR)

    & 's wird ~>

    "Tach in der Nachtmütze." Newahr!

    Jau. Dit' walte Hugo di Phrase - wa!

    & sodele ~>

    kurz - Geht's noch?!

    Nö nich wirklich - wollnichwoll!

  • "Kultur" ist doch bei den ganzen Deutschtümlern ne hohle Phrase, die im Zweifelsfall mit Scheiße gefüllt wird.

     

    Da es nur in D. die (irgendwie bescheuerte) Unterscheidung zwischen U- und E- Musik gibt; das Volk hört Schlager und liest BILD, quasselt aber über Händel und Goethe...

  • Nunja, hier hat die postmoderne Linke ja die ganze Vorarbeit geleistet. Rechts muss die ganzen Ideengebäude halt nur nutzen. black power, cultural approbiation, Afrika den Afrikanern , alte weisse Männer, etc etc.

     

    Wenn Links auf rassisch/religiöse Identitäten statt auf Klassen und Eigentumsverhältnisse setzt, kommt eben sowas bei raus. Aber der Zug ist abgefahren. Und eine Umkehr nicht zu erkennen.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    „Mit Jullien mag man darauf setzen, dass es dann und wann tatsächlich gelingt, die Ressourcen der kulturellen Abstände dazu zu nutzen, ein geteiltes Gemeinsames zu entwickelt – und es, bevor es sich verhärtet, gleich wieder zu zerstreuen.“

     

    Dann und wann? Bevor es sich verhärtet gleich wieder zerstreuen?

     

    Und das soll jetzt der Masterplan gegen Rechts sein? Ab und zu geht Multikulti gut, aber selbst wenn das passiert machen wir es wieder kaputt?

     

    Wenn das alles ist, dann können wir den Ethnopluralisten von nun an beim Aufstieg zusehen, ob wir dabei Gift und Galle spucken oder nicht wird keine Rolle spielen, wir werden halt trotzdem zum Zusehen verdammt sein

  • Im Kern geht es um Ängste, die zugunsten der Machtfrage aufgeworfen werden. Beidseitig, und in eine andere Sprache gehüllt.

  • Man kann den Erfolg der Rechten nicht erklären, wenn man (wie der Autor hier), die Einwanderung von Millionen identitärer Moslems außer Acht läßt.

     

    Natürlich wollen Kubitschek&Co in die 50er zurück. Reaktionär. Sicher. Aber nichts neues. Sie waren schon immer so.

     

    Trotzdem ist es geradezu modern gemessen an den Linken, die selbst den reaktionärsten Islam umarmen, und dessen "kulturellen Abstand als gesellschaftliche Ressource" feiern.

    DAS ist neu, und das ist Pudding an die Wand nageln. Linker Biedermeier. Brandstifter inklusive.

     

    Der Erfolg der Rechten ist eine Folge dieser linken Ponyhofdenke. Im Kampf um die gefühlsduseligsten Klischees wird die Rechte immer siegen.

  • "Am 22. Juli 1763 [...]"

    ... gab es weder deutsches "Volk" noch Nation noch Staat.

     

    "Selbst Könige haben das Deutsche Volk zu sich eingeladen."

    Weil es das "Deutsche" brauchte? Ich tippe da auf Bedarf an Arbeitskraft und Gebildeten.

     

    "Früher, noch lange vor der NS Zeit, war unsere Kultur in der Welt gefragt. [...] Jeder Mensch in Deutschland kann dazu beitragen, dass die Deutsche Kultur in der Welt wieder sehr gefragt und angesehen ist. Unsere wichtigsten Werte finden wir in unserem Grundgesetz."

    Make Germany great again? Angesichts des Rechtsrucks wäre ich da vorsichtig. Der Backlash macht sich auch an den Unis bemerkbar.

     

    Die ganze deutsche Geschichte eignet sich nicht für eine positive Bezugsnahme - Reichsgründungskriege, Deutschtum, Kolonialismus, Genozid an Herero und Nama, 1.+2. Weltkrieg, Auschwitz... es sei denn für Nazis und andere Reaktionäre.

     

    Überhaupt verstehe ich die Sehnsucht nicht, etwas Einheitliches wie "Deutsche Kultur" anzustreben. Wenn ich mir deutsche Regierungspolitik vor Augen führe, sehe ich auch nicht, inwiefern diese durch das Grundgesetz außerordentlich geprägt wäre.

     

    Deutschland - ein widerlicher Gedanke.

    • @Uranus:

      @Stefan Mustermann

      Der Kommentar ging an Stefan Mustermann weiter unten.

  • Das stand alles schon bei Oswald Spengler - Der Untergang des Abendlandes - viel differenzierter und weit besser.

  • Hier ist viel von Kultur, aber gar nicht von den Menschenrechten die Rede, die in vielen Kulturen missachtet werden. Das ist doch die spannende Frage, wie wir rechtfertigen, Kulturen zu kritisieren, wenn doch alle Kulturen gleichberechtigt sind. Die Menschenrechte sind ja auch zum großen Teil das Recht, sich von eigenen kulturellen Normen zu distanzieren, und sind deswegen nicht nur eine spezifische Kultur unter anderen. Auch iIm linken Lager stehen Kulturrelativisten in voller Blüte, woraus dann die Verteidigung der Burka oder Gerichtsurteile entstehen, nach denen Ehrenmorde eine folkloristische Besonderheit sind und mildernde Umstände ausmachen. Im übrigen wird hier mal wieder so getan, als habe Huntington den Kampf der Kulturen propagiert. Im Gegenteil hat er vor ihm gewarnt. Aber daß jemand an das Tabu gerührt und gewagt hat, über die Gefahren nachzudenken, hat schon für die mediale Hinrichtung gereicht.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @Gregor Brauneck:

      Dass Linke die Burka verteidigen würden, habe ich nirgendwo gelesen. Gegen ein Verbot zu sein, ist etwas anderes, als sie zu verteidigen.

      Dass ein linker Richter mit irgendeiner Begründung, die eine explizit linke Logik enthält, nach der Ehrenmorde Strafnachlässe bekommen, würde ich genauso gerne mal gezeigt bekommen.

       

      Dieser radikale Kulturrelativismus ist rechts und nicht links. Der universale Geltungsanspruch der Menschenrechte bedeutet ja nicht deren universelle Geltung oder Letztendlichkeit. Selbstverständlich kann gestritten werden, ob etwa ein Menschenrecht auf Arbeit nicht besser durch ein Menschenrecht auf Faulheit ergänzt oder ersetzt werden sollte oder ob das Recht auf Eigentum nicht auch das Recht impliziert, ohne Eigentum leben zu können.

       

      Außerdem sollen diese Rechte Staaten binden und keine Kulturen. Da wo es keinen Staat gibt, kann es auch keine Menschenrechte im eigentlichen Sinne geben, da Rechte vor Gericht einklagbare Garantien darstellen sollen. Auf welches Gebiet der Erde sollte also ein Kulturelativismus sich beziehen, in dem es eine Kultur, aber keinen Staat gibt, der die Hoheitsrechte beansprucht, keine Gesetze und keine Gerichte?

       

      Der universelle Geltungsanspruch dieser Rechte wurde wohlbedacht gegen die Zumutungen der so genannten Kultur, der Religion und der Herrschaft erhoben. Auch 'Kultur' ist ein Wort/Konzept aus dem europäischen Raum und so ist ein Kulturrelativismus selbst auch nur aus einer eurozentrischen Perspektive möglich.

       

      Der radikale Kulturrelativismus ist ein sprachliches Scheinproblem. Dabei wird außerdem jede Macht- oder Herrschaftsfrage eliminiert und in 'Kultur' begraben - was soll daran also links sein?

      Eurozentrismus läßt sich gut auf einer Macht- und Herrschaftsbasis kritisieren, dafür braucht es keinen radikalen Kulturelativismus, der die Menschenrechte ihrer Konzeption nach ad absurdum führt.

       

      Diese Meinung werde ich aufrecht erhalten, solange es nicht bessere Konzepte gibt als die Menschenrechte.

      • 3G
        32795 (Profil gelöscht)
        @85198 (Profil gelöscht):

        Ich bitte Sie, die Zumessung einer geringeren individuellen Schuld aufgrund des kulturellen Hintergrunds ist gelebte Realität in deutschen Gerichten. Das ist linker Kulturrelativismus pur und das war so gewollt, es wurde Jahrzehtelang darauf zugearbeitet. Ich halte es für äußerst bedenklich das in Abrede zu stellen. Die richtige (aber unbequeme) Frage ist ob es richtig war hier die Sozialisation („kulturellen Normen“) mit in die Überlegungen miteinzubeziehen oder ob man hier nicht lieber wieder einen Schritt zurückgehen sollte.

         

        Ich sehe schon, Sie haben ein Problem mit dem Begriff „Kultur“. Das ist aber ihr Problem. Nennen Sie es von mir aus Sozialisation, Werteverständnis oder wie Sie auch immer wollen, es ändert nichts. Im Ringen um die Mehrheitsverhältnisse in der Demokratie bringen uns derartige Wortakrobatik nicht (mehr) weiter.

         

        Es geht darum, dass das in Teilen offensichtlich untragbare Verhalten mancher Zuwanderer von der Mehrheitsgesellschaft zunehmends nicht mehr einfach hingenommen wird. Hier dagegenzuhalten indem man den Begriff „Kultur“ zur eurozentristischen Kopfgeburt erklärt ist irrig und der sture Hinweis auf eine moralinsaure Auslegung der Menschenrechte befriedet die Lage nicht mehr.

         

        Ich frage mich wie Sie das auflösen wollen, also nicht in einer intellektuellen Runde sondern im demokratischen Ernstfall, also im Wahlkampf. Da kommt dann ein AfDler um die Ecke und weist genüsslich auf das untragbare Verhalten mancher Zuwanderer hin und dann kommen Sie und sagen was genau?

         

        Das Problem ist, es sind keine schönen Lösungen gefragt die vielleicht irgendwann mal funktionieren. Der große Lümmel drängt zunehmend ungeduldig auf das versprochene Multikulti-Paradies. Die Zeit läuft, die Populisten sind weltweit im Aufwind und die linke Gegenantwort kann da nicht in akademischen Wortklaubereien bestehen.

  • Früher, noch lange vor der NS Zeit, war unsere Kultur in der Welt gefragt. Selbst Könige haben das Deutsche Volk zu sich eingeladen. Das Interesse an Deutscher Kultur war sehr groß.

     

    Am 22. Juli 1763 setzt sich eine junge Frau an das schmucke Tischchen im Kabinett des Schlosses Peterhof bei Petersburg, holt sich eine Feder und unterschreibt ein "Ukaz", also einen Erlass: "Wir, Catharina die Zweite, Zarin und Selbstherrscherin aller Reußen zu Moskau, Kiew, Wladimir ... Verstatten allen Ausländern, in Unser Reich zu kommen, um sich in allen Gouvernements, wo es einem jeden gefällig, häuslich niederzulassen". Das historische Dokument, das heute im russischen Staatsarchiv gehütet wird, ist in die Geschichte als "Einladungsmanifest" eingegangen.

    Das "Einladungsmanifest" der Zarin Katharina II. aus dem Jahr 1763

    Das Angebot richtete sich generell an alle Ausländer, vor allem aber an die Deutschen.

    http://www.dw.com/de/russlanddeutsche-und-katharina-die-gro%C3%9Fe/a-16960108

     

    Und heute?

     

    Die verbalen Entgleisungen von Rechtspopulisten sind nicht zu übertreffen. Aber das ist nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. An den Unis werden solche Leute ausgelacht und verspottet.

     

    Jeder Mensch in Deutschland kann dazu beitragen, dass die Deutsche Kultur in der Welt wieder sehr gefragt und angesehen ist. Unsere wichtigsten Werte finden wir in unserem Grundgesetz.

  • Diese neurechte Idee, jedes homogene Volk solle seinen angestammten Lebensraum haben (und diesen bitte nicht verlassen), und das Ganze sei dann nicht rassistisch, nannte man auch mal Bioregionalismus. In einfaches Deutsch übersetzt: "Türken gehören in die Türkei" und so weiter. Also im Grunde "Ausländer raus", nur intellektuell übertüncht. Im Kern ist es aber dasselbe.

     

    Christentum und Laizismus - dabei würde man doch die europäischen Ursprünge übersehen, die Antike, die Völkerwanderungszeit, die Bronzezeit, und all das, was die Leute damals geistig mit sich herumtrugen.

     

    Kulturen sind sowieso nicht homogen. Es gibt doch Hunderte Subkulturen, auch wenn sich dem Rechtsintellektuellen dabei der Magen umdreht vor Schwindel... soll "deutsche Kultur" nach deren Meinung von oben verordnet und kontrolliert, "reinerhalten" werden - und was ist das dann? Mädchen mit Zöpfen, Jungs mit Pimpfenfrisur, Riefenstahl-Ästhetik? Oder eher Patriarchat, Schlager, Heimatfilme? Oder alles zusammen?

     

    Hans Albers statt Rolling Stones?

     

    Nein danke.

    • @kditd:

      ;))

       

      Nur das mit dem "statt" - hab ich nicht verstanden!

      " Jungs mit Pimpfenfrisur" &! Regierungssprecher!

      Newahr.

      Nix an statt.